Jagd

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Miranda

Liss und ich sind schon fast an der Seitengasse angekommen. Ich denke darüber nach was wäre, wenn er tatsächlich mit Freunden da wäre, aber alle Befürchtungen lösen sich in Luft auf, als ich zu Liss hinüber sehe. Liss macht seit vielen Jahren Karate und hat ihre Fähigkeiten mittlerweile so perfektioniert dass sie mit voller Kraft gegen eine massive Wand schlagen könnte ohne dass es ihr annähernd Schmerzen bereiten würde. Noch ein Grund sich nicht mit ihr anzulegen. Zudem weiß ich eigentlich ziemlich sicher, dass Jack keine Freunde hat, da niemand ihn leiden kann. Unsere Schuhe hämmern auf den Asphalt. Die Gegend wird schon ungemütlicher, man sieht lauter zerbrochene Fenster und an den meisten Wänden ist der Putz abgeblättert. Irgendwo heult ein Hund.

Die Abbiegung kommt kommt schon in Sicht. Wir schauen uns im Rennen an und nicken uns zu. Dann bleiben wir stehen. Leise und unauffällig, wie zwei Schatten gleiten wir um die Ecke. Auf den ersten Blick sieht die schmale Sackgasse bis auf ein Paar rostige Abfalleimer verlassen aus, aber lange Erfahrung darin Jack zu quälen hat uns gelehrt, dass der Schein trügt. Ein normales Ohr hätte wohl das kaum wahrnehmbare Rascheln nicht gehört, wie es nur ein zitternder Körper unter einer Plastikplane verursacht.

Wir grinsen boshaft.

Wir nähern uns.

Lautlos.

Jetzt weiß ich wie sich der Tod fühlen muss wenn er sich auf eines seiner abertausend Opfer stürzt. Keiner hört ihn kommen. Keiner bemerkt sein Gehen. Man weiß nur dass er da war. Wir brauchen kein Zeichen. Im selben Moment hechten wir über die Mülltonnen und stürzen uns auf die Plane.

Wie erwartet sitzt er darunter. Zusammengekauert wie ein kleines Häuflein Elend. Auch er hat aus jahrelangem schikaniert werden gelernt und gewusst, dass wir ihn suchen würden um ihm Schmerzen zu bereiten. Ein gellender Angstschrei dringt aus seiner Kehle, als er unsere Visagen blickt.

„So klein und ganz allein", säusle ich. Panisch versucht er zu fliehen, doch blitzschnell packt Liss ihn am Genick und beginnt langsam zuzudrücken. „Wo wollen wir denn auf ein mal so schnell hin?", zischt sie in sein Ohr. „Bitte tut mir nichts!", fleht er leise „bitte lasst mich doch einfach in ruhe! Lasst mich gehen! Bitte! Habt ihr denn noch nicht genug?" „Falsch Antwort!" knurre ich und versetze ihm einen Schlag mitten in den Magen. Er keucht auf und krümmt sich zusammen. Ich packe ihn an der Schultern und drücke meine Fingernägel langsam in sein Fleisch. Jack beginnt wild um sich zu schlagen und unternimmt noch einen verzweifelten Fluchtversuch. Mit einem trockenen höhnischem Lachen lässt Liss ihn los. Er stürzt auf das Ende der Gasse zu, doch bevor er es erreicht stehe ich schon hinter ihm und schlinge meinen Arm um seinen Hals. Das schöne alte Katz - und - Maus - Spiel. So langsam müsste er doch wirklich daraus gelernt haben. Ich lache ebenfalls. Es ist ein grausiges hohles Lachen. „Bitte!", schreit er „Bitte lasst mich gehen!", Grinsend rammt Liss ihm ihre Faust ins Gesicht und dreht sie beim zuschlagen. Jack brüllt vor Schmerz. „Warum tut ihr das?!", kreischt er „WARUM TUT IHR DAS?!"

Doch wir lachen nur. Da stiehlt sich der Gedanke in mein Gehirn: „Warum tun wir das?",und für einen Herzschlag bin ich entsetzt über mein Handeln. Doch der Gedanke und dieses aufblitzende Gefühl werden noch im selben Moment von etwas mittlerweile vertrautem Schwarzem unterdrückt und eine diebische Freude breitet sich in mir aus. Liss dreht ihm die Arme auf den Rücken und meine Finger arbeiten wie von selbst. Sie fahren wild durch Jacks Gesicht und hinterlassen blutige Kratzer. Es erfüllt mich mit sadistischer Freude zu sehen, wie die ersten Tränen seine Wange hinab rollen, sei es aus Schmerz oder purer Verzweiflung. Er wirft seinen Kopf hin und her um meinen Nägeln zu entgehen und im nächsten Moment treffe ich seinen Mund mit einem weiteren Fausthieb. Jack ist völlig überrumpelt und kann nicht mal die Anstalt machen die Fäuste hoch zu nehmen. Er stolpert rückwärts gegen Liss und fällt mit blutenden Lippen auf den Boden. Er versucht erneut zu flüchten, aber er ist kaum aufgesprungen als ich ihn an seinem knochigen Arm packte und herumreiße. Liss stellt ihm ein Bein, während ich ihm einen Stoß versetze. Seine Knie knicken unter ihm weg und er fällt seitlich auf die Erde. Strähnen von fettigem dunklem Haar verdecken sein Gesicht, er bleibt entkräftet liegen und unternimmt nicht mal einen Versuch sich wieder auf zu richten. Gemeinsam drehen wir ihn auf den Rücken und ich nagle ihn mit meinen Knien am Boden fest. „Drück seinen Kopf auf den Boden", sagt Liss „halt ihn gut fest". „Das wollt ihr nicht tun", keucht Jack entsetzt „Tut uns leid mein Freund, aber du irrst dich", grinse ich während ich seinen Kopf wie in einem Schraubstock fest auf den Boden drückte, das leichenblasse Gesicht zu dem grauen Himmel gerichtet. „Oder sagen wir es lieber so; es tut uns nicht leid" sagt Liss bevor sie ihren flachen Schuhabsatz auf Jacks Nase setzt. Dann drückt und mahlt der Absatz. Man kann sehen wie Jacks Gesicht sich vor Anstrengung verzieht und er die Zähne zusammen beißt um nicht zu schreien. Diese Freude will er uns nicht gönnen. Aber als das erste Knacken unter Liss' Absatz zu hören ist schreit er doch. Vermutlich kann er nicht anders.

Dann folgt ein zweites Knacken. Und ein drittes.

Sie tritt zufrieden zurück und betrachtet ihr Werk. Ich stehe von ihm auf und ziehe ihn auf die Beine. Wir lassen ihn schadenfroh sein Nasenbein betasten, es beginnt schon anzuschwellen und das Blut sprudelt nur so daraus hervor. Man muss kein Arzt sein, um zu erkennen, dass es gebrochen ist. Er wimmert vor Schmerzen und zittert während er nicht einmal den Versuch unternimmt das Weinen zu unterdrücken. Jacks Wangen sind Tränenüberströmt, die untere Gesichtshälfte blutüberströmt. Er schaut mich flehend aus feuchten geröteten Augen an. Jemand anderes hätte vermutlich Mitleid gehabt und aus diesem Motiv gehandelt. Ich bin aber niemand anderes. Der Adrenalinkick ist vorbei und wir haben genug, jedenfalls fürs erste. Ich stoße ihn unsanft von uns weg. „Lauf", befehle ich ihm, zücke ein Messer und halte es ihm vors Gesicht „Lauf als ob es um dein Leben ginge". Und das tut er.

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