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Sechs Wochen zuvor

Mit einem lauten seufzten schlenderte ich missmutig über den Schulhof. Meine Hände umfassten fest die Träger meines sandsteinfarbenen Rucksacks und ich kam mir fast wie eine Erstklässlerin oder eine Streberin vor.

Was ich natürlich nicht war.

Ich war bereits in der 11. Klasse, erstes Jahr in der Oberstufe und eine Streberin war ich schon gar nicht, ich musste ziemlich herum schleimen damit man mir die Zulassung zum Abitur gab. Letztendlich hatte ich es geschafft. Sich im Leben durchzuboxen, darin war ich wohl recht gut.

Viele Schüler standen in Grüppchen zusammen und ich wusste das es schwer werden würde sich in eine dieser einzuordnen.

Sie freuten sich alle, sich nach den sechs Wochen Sommerferien endlich wiederzusehen.

Wenn man auf so etwas stand konnten manche Begrüßung recht herzzerreißend sein, aber so war ich nicht, ich bezweifelte sogar ob ich jemals so werden würde.

Schließlich blieb ich stehen und holte die restlichen Unterlagen, die, wie mir aufgetragen wurde, ich sofort ins Sekretariat bringen musste.

Nun waren es nicht mehr die Träger die ich festhielt, sondern die Papiere, welche ich fest umschlungen an meinen Oberkörper presste.

Ich sah mir weiter die anderen Schüler an, die für mich nicht langweiliger hätten aussehen können. Es waren solche klischee-Gruppen, die man von jedem Schulhof kannte. Die Raucher, die Streber, die Tussen, die Sportler bla, bla, bla und so weiter und sofort. Es war an meiner anderen Schule keinesfalls anders gewesen, weshalb ich mich etwas darüber ärgerte, gedacht zu haben hier würde sich alles ändern.

Ich bemerkte gar nicht wie ich geradewegs auf einen Jungen zusteuerte, erst als ich mit diesen zusammenstieß, realisierte ich, das ich nächstes Mal wohl besser nicht mehr träumen, sondern auf meine Umgebung achten sollte.

Die Unterlagen, welche ich zuvor noch in den Händen gehalten hatte, waren auf den Boden gefallen und lagen nun zerstreut um uns herum.

Ich machte keine Anstalten diese aufzuheben, vielmehr war ich von diesen unglaublichen braunen Augen fasziniert, welche aufmerksam zu mir herunter sahen. Er war mindestens ein Köpf größer als ich und hatte hellbraune, kurze, etwas nach oben gegelte Haare. Er trug ein kariertes Hemd und eine schwarze Hose und sah alles in allem eigentlich ziemlich unscheinbar aus, doch in diesem Augenblick war er für mich das atemberaubendste der Welt.

Abwechselnd wurde mir heiß und kalt, Gänsehaut breite sich auf meinem Gesamten Körper aus und ein unglaubliches Gefühl machte sich in mir aus. Es war wie ein unglaubliches kribbeln.

"Du solltest das Aufheben" Er zeigte auf die Papiere, die immer noch auf dem Boden lagen. Er grinste leicht und da der Boden recht nass war, saugten sich der Schmutz und das Wasser langsam in den Unterlagen auf "Sonst werden sie nur noch dreckiger" Seine Stimme klang bedrohlich und erst jetzt bemerkte ich das ich die Luftangehalten hatte, weshalb ich nun laut ausatmete. Langsam beugte ich mich nach unten um meine Blätter wieder einzusammeln, der fremde Junge machte keine Anstalten mir zu helfen, dafür spürte ich jedoch seinen bohrenden Blick auf mir, was mich augenblicklich unbehaglich fühlen ließ.

Erst als ich meine Blätter zusammengesucht hatte und wieder gerade vor ihm stand, nickte er mir zu und drehte sich um, um zu gehen.

Ich wollte nicht das er geht, ich wollte ihn kennenlernen, alles von ihm erfahren, was er so tat in seiner Freizeit, ob er gut in der Schule war, mit welchen Leuten er abhing und ob er eine Freundin hatte.

Wie schräg das klang.

Ich wusste nicht was in diesem Moment mit mir los war, aber ich wollte nicht das er nun einfach so ging, ohne das ich seinen Namen wusste. Ich wollte mich vergewissern ob ich ihn jemals wiedersehen würde, vielleicht waren wir sogar im gleichen Jahrgang oder besser noch, im gleichen Kurs!

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