Schmerz

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HERMINE

Wir sind die einzigen Besucher im Krankenflügel. Madame Pomfrey betrachtet uns argwöhnisch und sieht sich Dracos Hand an, nachdem ich ihr geschildert habe was geschehen ist.

"Warum verletzten Sie sich derartig selbst Mister Malfoy. Sie sind ein erwachsener Zauberer und sollten sich weit besser im Griff haben."
Draco schweigt und starrt geradeaus.
Also sieht sie mich an.

"Wir haben uns furchtbar gestritten,"sage ich,"ich fürchte es ist meine Schuld!"
Ich bin mir nicht sicher, ob Draco gerade überhaupt irgendetwas mitbekommt. Er wiederspricht jedenfalls nicht.
"Was ist nur mit Ihnen beiden los?"
Man mag Madame Pomfrey für schrullig halten, aber sie zieht messerscharfe Schlüsse. Sie weiß sehr genau, dass an dem Morgen nachdem Draco fast vom Astronomieturm gesprungen und wir beide unabhängig voneinander bei ihr erschienen sind, irgendetwas geschehen sein muss, an dem wir beide beteiligt waren.

"Ich werde ein Schmerzmittel für Sie holen Mister Malfoy. Dann richten wir Ihre Knochen."

Sie verlässt das Behandlungszimmer und lässt uns in einer unangenehmen Stille zurück.

"Warum hast Du behauptet dass wir uns gestritten hätten?"

Seine Stimme klingt heiser und ich schrecke aus meinen Gedanken hoch.

"Ich finde nicht dass sie die Umstände etwas angehen."

Er schweigt wieder und ich sehe ihn an. Auf einmal ist es unerträglich hier neben ihm zu sitzen und nicht zu wissen was er als nächstes tut, nicht zu wissen ob er als nächstes etwas Schlimmeres tut als sich selbst die Hand zu brechen.

Ich will gerade etwas sagen als Madame Pomfrey zurückkehrt.

"Miss Granger, ist Ihnen nicht gut? Soll ich Ihnen vielleicht irgendwas bringen?"

"Danke nein. Es geht mir gut."

Ihr Blick ruht noch einen Moment auf mir, bevor sie ihren Zauberstab auf Dracos Hand richtet. Das Geräusch dass darauf folgt ist mindestens so furchtbar wie vorhin, als die Knochen gebrochen sind.
Ich kneife die Augen zu und greife nach seiner gesunden Hand, es ist ähnlich wie auf dem Turm, er hält sie fest als würde sein Leben davon abhängen bis auch der letzte Knochen gerichtet ist.

Madame Pomfrey sieht uns kopfschüttelnd an, verkneift sich aber einen Kommentar während sie Draco einen Verband anlegt und ihm ein Schmerzmittel anbietet. Er schüttelt den Kopf.

"Miss Granger, würden Sie Mister Malfoy bitte zur Vernunft bringen bevor Sie gehen. Er hat sich sämtliche Fingerknochen gebrochen. Er WIRD ein Schmerzmittel brauchen."
Sie wendet sich Draco zu
"Sie bleiben bis morgen früh hier. Keine Widerrede."
Kurz bevor sie die Tür erreicht dreht sie sich nocheinmal zu mir um.
"Zehn Minuten Miss Granger, dann ist Ihre Besuchszeit beendet."
Ich nicke und höre die Tür mit einem leisen Klicken ins Schloss fallen.

"Nimm das Schmerzmittel Draco. Bitte!"
Er lässt meine Hand los.
"Lass es Hermine!"
"Das kann ich nicht!"
"Du kannst was nicht?"
"Ich kann das nicht aushalten. Du hast Schmerzen und ich, ich..."
"WAS Hermine?"
"Mein Gott. Ich habe Angst!"
"Du hast Angst? Du? Wovor. Du bist es nicht die verkauft wird!"

"Richtig. Und genau deswegen habe ich Angst! Es passiert Dir und gerade sieht es so aus als könnte ich nur zusehen. Ich fände es einfacher wenn es um mich ginge, dann wüsste ich wie es sich anfühlt. SO weiß ich gar nichts, auch nicht was ich tun kann. Und das ist das Schlimmste!"

"Du kannst gar nichts tun. Und das musst Du auch nicht. Das ist das Leben dass ich verdiene. Ich werde das schon aushalten!"

"Das ist doch Blödsinn Draco. Du solltest nicht Dein Leben aushalten müssen. Du hast einiges durchgemacht. Du hast Glück verdient, so wie jeder andere Mensch auch."
"Ich bin nicht wie jeder andere Mensch, ich bin..."
"NEIN,"rufe ich, "das hatten wir schon. Du bist mein Freund Draco. Und ich glaube sehr wohl dass Du etwas anderes verdient hast als eine lieblose Ehe und einen Job den Du hasst."

"Ich bin nicht Dein Freund Hermine!"

Das saß! Ich schlucke schwer.
"Okay,"mache ich und versuche das taube Gefühl zu ignorieren das sich in meiner Brust ausbreitet, dann nehme ich die Phiole mit dem Schmerzmittel vom Tisch und gebe sie ihm,"dann bist Du eben nicht mein Freund.
Ich für meinen Teil bin aber Deine Freundin, trotzdem! Ich bin feige, zugegeben und ich bin böse auf Dich, wegen des Kusses. Aber ich BIN Deine Freundin, weil ich will dass es Dir besser geht, weil ich nicht will dass Du Schmerzen hast.
Nimm dieses elende Mittel!"
Ich bin schon fast zur Tür raus, habe die Klinke bereits in der Hand als er sagt:
"Ich werde mich nicht für diesen Kuss entschuldigen!"

"Nein,"presse ich heraus, "es war ja auch NUR ein Kuss."

Als ich die Tür hinter mir schließe breche ich in Tränen aus. Ich kann das Schluchtzen unterdrücken bis ich aus der Krankenstation geflohen bin. Dann aber rutsche ich an der nächsten Wand herunter und weine zehn Minuten bitterlich vor mich hin.
Zum Glück sind alle in ihren Klassen, so dass niemand mich sehen oder hören kann.

DRACO

Meine Mutter wirft nur einen kurzen Blick auf den Verband an meiner Hand, bevor wir gemeinsam in der Winkelgasse essen.
Danach ergeht sie sich in detailierten Beschreibungen ihrer letzten paar Wochen, ohne etwas über meine wissen zu wollen. Anschließend erzählt sie mir alles über die Familie Greengras, damit ich am kommenden Tag vorbereitet bin.
Wir sind dort zum Essen geladen.

Nachts schlafe ich schlecht und starre die meiste Zeit an die Decke meines Zimmers. Mein Blick fällt immerwieder auf das Slytherin Wappen an der Wand direkt gegenüber des Bettes. Es hängt dort seit ich denken kann.
Sobald ich alt genug war, lernte ich alles über die Schüler und Lehrer von Slytherin und dass es "mein Haus" werden würde.
Ich bin von Kindesbeinen an daran gewöhnt zu tun was man mir sagt. Verdammt, ich bin auf diese Art in einen Krieg gezogen. Ich kann das auch weiterhin.
Ich will nur nicht. Ich bin es leid.
Und als ich endlich doch einschlafe höre ich Hermine Grangers Worte in meinem Kopf:
"Ich bin Deine Freundin, weil ich will dass es Dir besser geht, weil ich nicht will dass Du Schmerzen hast."

Den Besuch bei den Greengrasses am folgenden Tag spule ich einfach ab. Ich schalte auf Autopilot. Ich habe soetwas früher auf Veranstaltungen auch getan, zu denen ich meine Eltern begleiten musste.
Ich war auf Themen trainiert.
Soetwas fällt mir leicht, wäre es nicht aus der Not heraus entstanden, könnte man mich für eloquent und selbstbewusst halten.
In Wirklichkeit schreie ich die ganze Zeit über.
Das Haus von Mira und Dante Greengras ist kein riesenhaftes Anwesen wie Malfoy Manor. Es ist eine Villa mitten in London, weiß, imposant. Innen geschmackvoll eingerichtet und freundlich.
Man könnte sich dort direkt wohlfühlen, wenn man freiwillig kommen würde.
Wir werden von der ganzen verbleibenden Familie Greengras samt Hauselfen an der Tür begrüßt.
Das erste Hindernis ist, dass ich überhaupt keine Ahnung habe, wie ich Astoria begrüßen soll.
Sie muss meine Unsicherheit gespürt haben, denn nachdem ich ihren Eltern die Hand gereicht habe und sie selbst den Verband an meiner Hand wahrgenommen hat, hält sie mir so ungekünstelt wie möglich ihre Wange hin. Ihr Nicken ist beinahe unsichtbar aber die Kommunikation mit ihr funktioniert. Ich gebe ihr einen artigen Kuss auf die Wange und sie fragt:"Alles in Ordnung? Geht es Deiner Hand schon besser?"
Und als alle sie ansehen, wendet sie ihre Aufmersamkeit nur für eine Sekunde von mir und sagt:"Quiddich!"
Es klappt. Weder meine Mutter, noch Dante und Mira Greengras haben irgendein Interesse an Sport. Sie gehen vor in den Salon, während ich mit Astoria betont langsam folge.
"Bereit zum Schafott geführt zu werden?"fragt sie und grinst frech.
Ich beginne wirklich sie zu mögen.
"Bereit."
"Mach Dir keine Sorgen. Meine Eltern sind nette Menschen. Wir werden den Tag hinter uns bringen."

Alles Was Wir SindWo Geschichten leben. Entdecke jetzt