Kapitel 17

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Die in dem abendlichen Sonnenlicht rot gefärbte Landschaft zog an mir vorbei. Zu dieser Uhrzeit könnte man fälschlicherweise annehmen, dass dieser Ort schön sei.

Aber sah man genauer hin, konnte man Verfall erkennen. Einst so prächtige Höfe, herunter gekommen. Kaputt. Verwahrlost.

Nach ewigem Jacke an, Jacke aus, hatte Tessa gegen Abend den Entschluss gefasst los fahren zu wollen.

Nun saß Marti hinterm Steuer und ich neben ihr auf der Rückbank, ihre Hand drückend. Sie wippte die Beine schnell auf und ab, zupfte an ihren Klamotten, sah mal raus, mal zu mir.

„Wie lang noch?" fragte sie Marti neugierig, trotzdem nervös. Als wäre sie sich nicht sicher ob sie wirklich ankommen wollte. „Nur noch ein paar Kilometer. Bei der unbefestigten Straße kann man aber mit gut und gerne 10 bis 15 Minuten rechnen."

Diese Aussage wunderte mich wenig. Der Weg war tatsächlich holprig, brachte meinen kompletten Mageninhalt durcheinander. Oder es war einfach die Aufregung.

Wir saßen die restliche Strecke einfach so da, starrten aus dem Fenster. Nicht einmal Marti war nach Gerede zu Mute.

Dann kam er endlich neben zwei anderen Autos auf dem Hof zum stehen. Menschen gibt's hier also schon mal.

Das Gebäude sah noch immer exakt so wie auf dem Bild in der Chronik aus. Tessa hatte zuvor nichts von dem, was wir hatten sehen wollen. Dementsprechend Neugierig musterte sie alles.

Der Weg zum Hof hin war von Eichen gesäumt, der Platz selbst mit Kies bedeckt. Links und rechts neben dem Haus stand jeweils ein Apfelbaum auf einem Rasenstück. Auf beiden Seiten führten Wege hinter das Haus, welches selber ramponiert war.

Es hatte ein vermoostes Reetdach und das fast schon typische Erkerfenster, welches wie alle anderen auch durch Holzstreben in 6 Teile gegliedert wurde. Sie waren, so wie auch die Tür, in dem grün der Tannen die sich hinter dem Haus empor streckten gestrichen. Allerdings begann der Lack abzublättern und untermalte damit irgendwie die Risse in der Fassade. Nicht einmal die Glasscheiben der Fenster machten viel her. Sie sahen teils milchig aus und waren alle mit einem Grünschleier überzogen.

„Und das ist also das Haus meiner Eltern?" - „Ist... War... so genau wissen wir es nicht."

Langsam gingen wir auf die Tür zu, welche mit einem massiven Türklopfer in Form eines Löwenkopfes ausgestattet war. Wie Klischeehaft. Eine Klingel konnten wir nicht finden, schlussfolgernd daraus auch kein Klingelschild. Jedoch war in das Holz der Tür kursiv der Name „Von Lichtenwald" eingraviert. Na dann ist es ja unwahrscheinlich, dass dieses Haus jemand anderem gehört. So was würde man ändern... Oder?

Es war Marti der nach dem Metallring griff um auf uns Aufmerksam zu machen. Eine junge, komplett in weiß gekleidete Frau öffnete uns.

„Oh hallo, ich wusste gar nicht, dass Herr von Lichtenwald Besuch erwartet. Kommen sie doch bitte rein." Verwundert traten wir ein.

Es handelte sich um einen Altbau in dessen weitläufiger Eingangshalle wir nun standen. Es war von innen ziemlich Edel eingerichtet, die hohe Decke war schön bemalt und die marmorne Wendeltreppe, die Keller, Erdgeschoss und ersten Stock verband, zierte ein Goldenes Treppengeländer mit in sich eingedrehten Streben.

„Nehmen sie doch bitte in der Teestube platz. Ich werde ausrichten, dass sie da sind." Ich meldete mich zu Wort. „Er wird wohl kaum mit uns gerechnet haben. Wir sind unangemeldet hier. Entschuldigen sie bitte die Neugierde aber... Sind sie seine Tochter?" Die Frau, welche schätzungsweise in unserem Alter sein musste, schaute uns ein wenig überrascht an. Dann lachte sie ein wenig und schüttelte den Kopf wobei ihr blonder Pferdeschwanz mit schwang.

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