Kapitel 5

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Kapitel 5:

"Hallo Mandy, kann ich ihnen helfen?", fragte mich die Frau gekünstelt höflich. "Ich würde gerne Informationen über meine Mutter sammeln, die mich vor 16 Jahren zur Adoption frei gegeben hat." Ich schluckte, doch ich war froh, dass mich die Empfangsdame nicht sehen konnte, denn ich war schweißgebadet.

"Wie heißen sie denn mit Nachnamen?" "Denk" "Okay Frau Denk, ich werde sehen, was sich so auftreiben lässt. Bitte haben sie einen Moment Geduld."

Warte-Musik ertönte. Erst einmal tief einatmen und ausatmen, sagte ich mir. Jedenfalls hab ich den Anfang nun schon hinter mir. Mein Blick schweifte durch die Küche. Alles war blitz blank sauber und dadurch, dass die Sonne ihre Strahlen durch das Fenster warf, machte es einen idyllischen Eindruck. Draußen konnte man Vogelgezwitscher hören, was den Eindruck nur verstärkte.

Plötzlich riss mich ein Klopfen aus den Gedanken, ich sah zur Tür. Gabi lehnte am Türrahmen und lächelte mich an.

"Und? Weißt du schon etwas neues?" "Nein, leider noch nicht. Die Sekretärin sucht gerade nach Informationen." Sie stößte sich etwas vom Rahmen ab und ging auf mich zu. Als sie vor mir stand, hatte ich einfach den Drang sie zu umarmen.

Ich spürte wie auf meine Schulter kleine nasse Tropfen fielen.

"Du bist so groß geworden", schniefte meine Adoptivmutter.

Ich streichelte ihr behutsam mit der Hand über den Rücken.

"Du wirst deinen eigenen Weg finden, auch ohne uns." Ich hielt sie von mir weg, lies sie aber dennoch nicht los.

"Gabi, ich weiß, dass ich meinen Weg finden werde, aber ich will ihn nicht ohne euch gehen, ihr seit meine Familie und ich liebe euch."

Ich wischte ihr eine Träne von der Wange. "Auch wenn ich anfangs etwas hart reagiert habe, als ich die Wahrheit erfahren hab, ihr habt mich 16 Jahre lang aufgezogen und musstet mich ertragen und das allein zeigt, dass ich euch sehr wichtig bin",lächelte ich sie an.

Sie schniefte, doch in ihrem Gesicht konnte man Erleichterung erkennen und auch einen Anschein eines kleinen Lächelns.

"Hörst du das?", unterbrach sie mich.

"Was meinst du?", fragte ich und sah sie irritiert an. "Da ruft jemand deinen Namen, aber man kann es fast kaum hören", entgegnete sie.

Nun fiel es mir wieder ein. Ich hatte ja die Dame am Telefon ganz vergessen!

Meine Hände fischten nach dem Telefon, dass ich neben die Spüle gelegt hatte.

"Ja?", sagte ich eifrig. "Na endlich, Frau Denk. Ich war gerade kurz vorm Auflegen." Die Empfangsdame klang etwas verärgert. Naja, ist ja verständlich, wenn ich sie solange warten hab lassen.

"Und? Was haben sie gefunden?" "Ich hab eine gute und eine schlechte Nachricht für sie. Welche wollen sie zu erst hören?"

Mir blieb ein Kloß im Hals stecken, als ich schluckte.

"Die schlechte zuerst", hauchte ich in den Apparat.

"Wir haben weder Adresse, noch Telefonnummer von ihrer Mutter, dennoch steht hier ein Robert Richardson und dessen Telefonnummer. Kommt ihnen der Name bekannt vor?"

Ich musste mich erst einmal hinsetzten und tief ein- und ausatmen. Gabi hatte einen Stuhl für mich geholt, denn es war kaum zu übersehen, dass mein Gesicht inzwischen total blass war.

Nachdem ich mich hingehockt hatte, wurde mir gleich etwas besser.

"Ja, ich haben diesen Namen schon einmal gehört", entgegnete ich so leise, dass es kaum hörbar war.

"Wie bitte?" "Ich habe diesen Namen schon einmal gehört", antwortete ich nun laut und deutlich.

"Nun, wenn sie wollen gebe ich ihnen die Nummer von diesem Herrn Richardson", bietete die Dame an.

"Vielen Dank, das wäre sehr nett von ihnen."

"Haben sie einen Zettel und einen Stift zur Hand?"

"Moment." Ich griff nach einem leeren Zettel, der am Kühlschrank mit einem Magneten befestigt war und einem Kugelschreiber, den ich mir aus einer Box am Küchentisch entnahm.

"Ich bin bereit."

Sie laß mir die Nummer laut vor und ich schrieb mit. Nachdem ich mich bei der Empfangsdame für die Informationen bedankt hatte, verabschiedete ich mich und legte auf.

Gabi sah mich erwartungsvoll an.

"Und? Was hast du herausgekriegt?"

"Du erinnerst dich doch sicher an den Brief, den mir meine Mutter geschrieben hat oder?"

"Ja,wieso?"

"Also die Dame sagte, sie habe weder eine Adresse noch eine Nummer meiner Mutter, aber eine Nummer eines Robert Richardson's."

"DER Robert, der als leiblicher Vater infrage kommt?!" Mit aufgerissenen Augen sah sie mich an.

"Ja, der." "Aber das ist doch super! Warum freust du dich denn nicht? Du bist deinem Ziel schon einen großen Schritt näher gekommen!", behauptete sie, lächelte mir hoffnungsvoll ins Gesicht und tätschelte meine Schulter. "Ja, aber.... Ich weiß ja selber nicht einmal, ob ich das will! Von dem einen auf den anderen Tag wird mein Leben auf den Kopf gestellt! Bei mir geht's drunter und drüber! Ich weiß nicht, was ich tun soll! Einerseits will ich meine leiblichen Eltern unbedingt in die Arme schließen und anderseits will ich sie wegstoßen von mir! Wieso hat mich meine Mutter alleine gelassen? und wieso mein Vater? Weiß er überhaupt was von mir? Ich weiß ja nicht einmal, wer mein Vater ist! Manchmal will ich einfach nur so schnell wie möglich zu meinen Eltern! Und manchmal wünschte ich, erst gar nicht von dieser Lüge erfahren zu haben! Der ganze Mist geht mir total auf die Nerven und irgendwann halt ich das ganze nicht mehr aus. Ich bin verzweifelt! und enttäuscht! Und das sind zwei sehr miese Gefühle."

Mir kullerten Tränen über die Wangen.

"Aber Schatz, das wird alles wieder."

Gabi wollte mir die Tränen abwischen, doch ich schlug ihre Hand weg und rannte aus der Küche und rauf auf mein Zimmer.

Ich schloss die Tür zu und sprang auf mein Bett. Meine kuscheligen und warmen Kissen sogen die Tränen in sich auf. Ich wusste nicht wie lange ich so da lag, doch irgendwann war das Kissen, auf dem ich meinen Kopf platziert hatte, durchgenässt.

Was soll ich bloß tun?

Gestern hatte ich erst erfahren, dass die Personen, die mich groß gezogen haben, nicht meine wahren Eltern sind und heute soll ich gleich mit einem meiner wahrscheinlichen "Väter" konfrontiert werden?

Das ist einfach zu viel für mich, viel zu viel....

Ein Klopfen an der Tür ließ mich hochfahren.

"Ich will alleine sein!", rief ich wütend.

"Bitte mach die Tür auf Mandy, ich bin's, George."

Strich und StrickWo Geschichten leben. Entdecke jetzt