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Als ich aufwachte, lag ich auf dem Bett in unserem Hotelzimmer. Luna lag in dem anderen Bett und schlief. Ich lächelte bei dem Gedanken, dass Taddl mich den ganzen Weg zum Hotel getragen haben musste. Da ich eh nicht mehr einschlafen konnte, zog ich mir schnell andere Klamotten an, ging in die Lobby und setzte mich an einen Pc. Ich war ganz froh, mal alleine zu sein und loggte mich in meinen Youtube Account ein. Ein paar likes und Follower waren in den letzten Tagen dazu gekommen, sonst hatte sich nichts geändert. Dachte ich! Nach einiger Zeit viel mir ein Video auf, dass auf Privat gestellt war. Ohne nachzudenken klickte ich es an, da es mit sicherheit nicht von mir war. Auf dem Bildschirm erschien ein Schriftzug:
Hallo Melanie,
Ich möchte dich bitten ohne umwege in den nächsten Tagen heimzukommen. Solltest du in einer Woche noch nicht daheim auftauchen, sind wir gezwungen deinen Kanal zu löschen und zusätzlich deine Privatsphäre aufzugeben. Ich weiß ja wie wichtig dir beides ist, also zwing mich nicht dazu. Wir wollen dich nicht auch noch verlieren!
Mama
Mehrmals las ich die Worte durch und schloss das Video wieder. Ich fragte mich, wie sie meinen Kanal hacken konnte und seit wann sie sich mit Computern auskannte. Wahrscheinlich hatte ihr mein Dad geholfen, was das ganze nicht wircklich besser machte. Als nächstes fragte ich mich, was ich tun sollte. Klar, weglaufen war keine wircklich gute Idee gewesen, das ist es nie, aber mein Stolz war definitiv zu groß, um jetzt zurück zu gehen. Allerdings konnte ich jetzt auch nicht riskieren, meinen Kanal löschen zu lassen. Seufzend schaltete ich den Computer ab und verließ die Lobby. Das war nun wircklich nicht, was ich mir erhofft hatte. Wahrscheinlich war es besser meine Eltern erstmal zu kontaktieren, um im Nachhinein eine Entscheidung zu fällen.

Ich hatte das Hotel verlassen und liefein wenig die Straßen entlang. Selbst so früh am Morgen, waren einige Leute untwerwegs und dennoch kam Paris so viel friedlicher rüber als am Tag. In gedanken ging ich die letzten Tage noch einmal durch. Sie waren in gefühlten Sekunden an mir vorbei gehuscht und jetzt kam mir alles so unwircklich vor. Ich dachte an Taddl, unser erstes Treffen, das Kleid und die Zeit auf dem Dach. Dann dachte ich an unsere fahrt nach Paris, an die Wälder und die Landschaften, durch die wir gefahren waren. Im Endeffekt war es ein wunder, dass wir die fahrt ohne Schäden überstanden hatten. Irgendwie dachte ich auch an meine alten Freunde, was sie jetzt über mich dachten. Wahrscheinlich dass ich Feige war, vielleicht auch dass ich sie im Stich ließ. Auf einmal bereute ich zutiefst, sie alleine gelassen zu haben. Normalerweise erzählte ich ihnen immer sofort, wenn etwas nucht stimmte, diesmal nicht. Ich nahm mir vor, sie mal anzurufen. Dann lief ich zurück zum Hotel.

Ich legte mich wieder in mein Bett und starrte die Decke an. Ich erinnerte mich an die Übernachtung bei Taddl und obwohl er nur ein Zimmer weiter war, vermisste ich ihn wie ein kleines Kind seine Mum. Sofort kam ich mir extremst bescheuert vor! Man sollte nicht so abhängig von einer Person sein, dass war definitiv nicht schlau. Also drehte ich mich auf eine Seite, zwang meine Gedanken an etwas anderes zu denken und schlief ein.

Ich sperrte unsere Haustür auf und schleuderte meine Tasche in die Ecke. "Bin daheim!" Rief ich durch die Wohnung, doch keiner antwortete. Anscheinend waren meine Eltern noch in der Arbeit und meine Schwester bei Freunden. Froh darüber, sturmfrei zu haben, setzte ich mich vor den Fernseher und schaltete meine Lieblingssendung ein. Nach einer weile lief ich die Treppen hoch, in mein Zimmer. Ich setzte mich an meine Zeichnung und zeichnete ein wenig daran. Mir viel auf, dass ich keinen Radiergummi mehr hatte, also ging ich zum Zimmer meiner Schwester, um einen zu holen. Langsam drücke ich die Türklinke runter und öffnete die Tür. Was ich sah, raubte mir den Atem. Meine Schwester lag auf dem Boden, neben ihr ein Selfie von ihrem Freund und ihr, um ihren Arm herum eine Rote dickflüssige Substanz. Erst tat ich gar nichts, dann fing ich an ihren Namen zu sagen. Immer wieder und immer lauter, so als könnte ich sie damit wecken. Ich nahm sie in den Arm und weinte. Auf einmal verschwamm der Raum in dem wir waren und ich saß auf der Straße aus dem Selfie. Meine Schwester saß etwas weiter weg neben ihrem Freund auf dem Gehsteig. Sie machten ein Selfie und sie sah so unglaublich glücklich aus. Dann stand Tim auf und lief lachend auf die Straße. Er schoss bilder von meiner Sis. Ich stand auf und wollte zu ihnen als sie anfing zu schreien. Sie schoss hoch und schrie immer lauter, ihre Worte bestanden aus einem grauenvollem Rauschen. Ich zuckte bei dem Geräusch von quietschenden Bremsen zusammen. Ein Auto, das aus dem nichts kam, hatte Tim erfasst. Dann verschwamm der Ort erneut und ich sah nur noch Ausschnitte von Geschehnissen: Einen Krankenwagen, einen OP Raum, einen Sarg in einem Grab und überall meine weinende Schwester.
Ich stand nun in absoluter Dunkelheit, in der Ferne hörte ich meine Eltern reden. Ich konnte sie zwar nich verstehen aber ich wusste, dass meine Schwestwr bereits tot war. Tränen stiegen mir in die Augen und durch meine verschwommene Sicht, erkannte ich meine Eltern. Sie standen nur da und sahen mich an - Ich saß nur da und schrie sie an. Aus meinem Mund kamen alle Sätze, die ich ihnen jemals an den Kopf geworfen hatte. Ich wollte nichts mehr sagen, ich wollte leise sein, aufhören, doch ich konnte nicht. Also presste ich mir beide Hönde vor den Mund, bis ich keine Luft mehr bekam.

Luftschnappend öffnete ich meine Augen. Luna starrte aus dem Fenster und drehte sich schließlich zu mir um. "Du scheinst ja nicht sonderlich gut geschlafen zu haben." Bemitleidete sie mich und ich stimmte ihr nickend zu. Früher hatte ich seit dem Tod meiner Schwester immer diesen Traum gehabt und das für Jahre. Die ganze Situation würde nicht unbedingt besser werden, wenn er nun zurück kam. "Kommst du mit Frühstücken?" Wollte Luna wissen und diesmal schüttelte ich den Kopf. "Ich will erstmal duschen, vielleicht komm ich noch nach...mal schauen." Sie nickte lächelnd und verließ den Raum.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jan 03, 2016 ⏰

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