18.Kapitel

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John

Es war Tradition, dass meine Eltern zu unserem Weihnachtsessen am 26. Dezember alle entfernten Verwandten einluden. Allerdings fragte ich mich jedes Mal, ob ich der einzige war, der nicht wusste wie all die Menschen hießen und wie oder ob ich mit ihnen verwandt war. Meistens trottete ich während dem Traditionellen Tee vor dem Essen hinter Joanna her. Die begeistert von einem Gesprächspartner zum anderen stolzierte und sich mit jedem angeregt unterhielt. Ohne auch nur einen einzigen Namen zu verwechseln.

Ich beobachtete die Menschen um mich herum, alte Tanten in noch älteren Kleidern. Kinder, die an ihren Smartphones hingen und Opas die eine Pfeife nach der anderen rauchten. Wenn man die alten Männer im Raum zählte, müsste ich circa zwölf Opas haben. Und ich hätte nur zu gern erfahren, wie ich mit diesen Männern verwandt war.

Ohne dass ich es erwartet hatte, tauchte meine Mutter blitzschnell hinter mir auf. Doch ich war umringt von einem Krampfadergeschwader (einer großen Ansammlung alter Menschen...) Sodass mir Keine Möglichkeit zur Flucht blieb.

"John du hast mir immer noch nicht erzählt, was deine neue Freundin für einen Beruf hat..." ließ sie die Bombe gleich platzen. Ich war mir nicht sicher, ob es in dieser Situation ratsam war zu lügen, doch ich war überzeugt, dass dies das Beste wäre um Streit zu vermeiden. "Sie ist übersetzerin" stammelte ich, da ich meiner Mutter auf keinen Fall sagen konnte, dass sie in einem Starbucks arbeitete.
"Was übersetzt sie denn?" Warum war meine Mutter so talentiert darin immer die falschen Fragen zu stellen?

"Bücher..." versuchte ich mich herauszureden.
"Für welchen Verlag?"
"Bloomsbury." Während unseres Gesprächs hoffte ich die ganze Zeit, dass irgendein alter Mann mich erlösen würde. Doch keiner schien uns zu bemerken und niemand gesellte sich zu uns.

Anerkennend nickte meine Mutter, was mich ungeheuer verblüffte. Denn sie war nicht einmal begeistert gewesen, als ich in die Bank eingestiegen war. Sie war der Meinung, dass man nicht mehr arbeiten zu gehen brauchte, wenn man reich war. Und wenn man adlig war blieb man sowieso besser zu Hause auf seinem Herrensitz oder im Countryclub...
Doch ich war der Meinung, dass dieses Denken komplett antiquiert war. Und Gott sei dank war Joanna der selben Meinung.

Meine Mutter riss mich aus meinen Gedanken, indem sie fragte: "und hast du die Eltern von ihr schon kennengelernt? Wo leben sie und sind sie reich?"
Natürlich war das das einzige wofür sie sich interessierte. Ihr war es egal was Clarissa für ein tolles Mädchen war. Sie wollte nur die Kontoauszüge ihrer Mutter sehen.

"Keine Ahnung" antwortete ich knapp, "wir sind doch erst seit etwa einem Monat zusammen."

"Das wäre doch das erste, was ich in Erfahrung gebracht hätte..." Natürlich wäre es das, dachte ich und meine Laune sank immer weiter in den Keller.

"Ich Hoffe nur, dass sie ein genauso fantastisches Mädchen ist wie Sahra" seufzte meine Mutter und genehmigte sich ein weiteres Glas Champagner. Habe ich schon erwähnt wie unglaublich meine Mutter meine Freundin vergötterte? Sie waren die besten Freundinnen, was mir oft ein wenig unangenehm war... Denn Sahra hatte meiner Mutter immer wieder Dinge erzählt, die sie nicht hätte wissen müssen...

Mein Vater übertönte mit seiner Stimme das ganze geschnatter, getuschel und gekicher, indem er sagte: "der Tisch ist gedeckt. Lasst uns nach drüben gehen..." Erleichtert ließ ich meine Mutter stehen und suchte mir einen Platz an der Tafel, der so weit wie möglich von ihr entfernt war.

Weihnachtskuss (John und Clarissa II)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt