46. Kapitel: Mutter Tochter Beziehungen

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Müde räumte ich die Teller in die Spülmaschine ein, als meine Mum die restlichen Gläser hineinbrachte und sie auf der Küchentheke abstellte. Derweil räumte David die BeerPong Tische zurück in den Keller und sammelte den Müll auf. Still säuberten wir die Küche bevor ich mich am Tisch abstützte und den Kopf nach vorne fallen ließ und mir die Tränen über die Wangen liefen. Mich überkamen meine Gefühle und ich fühlte mich hundeelend. Natürlich bemerkte meiner Mutter meinen Zustand, sodass sie mich in die Arme nahm und mich so lange drin wiegte bis ich mich wieder beruhigt hatte und mich auf die Küchentheke setzte. Dabei sah mich meine erwartungsvoll an und ich erzählte ihr, dass mir mein Zuhause jetzt schon fehlte, ich meine Mum nicht alleine hierlassen wollte und ich das Gefühl hatte, mich falsch entschieden zu haben.
,, Schatz, so wie du dich jetzt fühlst, so habe ich mich damals auch gefühlt. Ich wollte neue Wege einschlagen, bin hierhergekommen, habe den Job meiner Träume ergattert und deinen Vater kennengelernt. Und dann warst du da, dein Vater war kurze Zeit später weg und ich bin trotzdem hiergeblieben, weil ich im Gefühl hatte, dass das der richtige Weg für mich war. Damit möchte ich dir sagen, dass auch wenn der Moment gekommen sein sollte, indem du unglücklich bist und aus London weg möchtest, du jederzeit die Möglichkeit hast, zurück zu kommen. Du machst keinen Fehler, du folgst nur deinen Träumen und vielleicht deinem Lockenkopf. Du riskierst, aber das Risiko kann oder wird sich ganz sicher lohnen. Da bin ich mir sicher und alleine lässt du mich nicht. Ich bin glücklicher denn je und habe den Mann meiner Träume gefunden''. Ihre Worte brachten mich zum Lächeln und ich wünschte mir so sehr, dass meine Mutter in allem im Recht lag. Gott, wie sehr mir solche Ratschläge in Zukunft fehlen würden. Erneut schossen mir Tränen in die Augen und ich seufzte schwer.
,, Schatz, hör auf zu weinen, sonst weine ich auch. Und dann weinen wir noch mehr''. Erneut lachte ich auf und strich mir die Tränen aus dem Gesicht. Wieso konnte ich in diesem Moment nicht beides haben? Wieso konnte Deutschland nicht London sein? Oder London München? Wieso mussten all meine liebsten in London leben? Wieso konnte meine Mutter nicht mit mir kommen? All diese Fragen waren so leicht zu beantworten und trotzdem verfluchte ich meine Leidenschaft und meine Liebe. Als ich meiner Mum gegenüber Nicks Geständnis erwähnte, sah sie mich irritiert an und wiederholte meine Worte. Man sah ihr die Fassungslosigkeit im Gesicht an. Deshalb setzte sie sich auf die Küchentheke mir gegenüber und verschränkte die Arme vor der Brust. ,, Du hast jetzt aber nicht seinetwegen diese Gedanken und bis verwirrt, oder?''. Sofort schüttelte ich den Kopf und betonte, dass mein derzeitiger Gefühlszustand nichts mit ihm zu tun hatte. Seine Liebeserklärung hatte mich zwar wütend gemacht und mich am Anfang auch verwirrt. Allerdings bedeuteten mir seine Worte nichts mehr, weil ich nun endlich wahre Liebe erfuhr und auch wusste, wie sich diese anfühlte. Meine Worte brachten meine Mutter zum Strahlen und sie schlussfolgerte: ,, Allein dieses Gefühl sollte deine Entscheidung nach London zu ziehen, unterstreichen''. Zustimmend nickte ich ihr zu bevor sie wieder auf Nicks Geständnis einging: ,,Ich habe das nur gefragt, weil es verständlich wäre, wenn du nun Zweifel an deinem Umzug hättest. Immerhin ist Nick dein erster Freund gewesen, mit dem du deine ersten Erfahrungen gemacht hast. Diese wirst du nicht vergessen und damit wird er immer ein Teil von dir bleiben. Deshalb wäre es auch verständlich, wenn dich sein Liebesgeständnis verwirrt hätte. Weil die insbesondere schönen Erinnerungen wieder hochkommen können und vielleicht sogar der Wunsch, diese zu wiederholen oder neue hinzukommen zu lassen''. Meine Mutter sprach weise, klare und vor allem wahre Worte. Das regte mich zum Nachdenken an, bevor ich darlegte, dass dies auf keinen Fall der Fall war:
,, Mum, du hast Recht. Nur treffen deine Worte nicht auf Nick zu. Ich glaube, dass sie es täten, wenn ich nicht in einer Beziehung stecken und wirklich lieben würde. Es ist nur einfach so, dass ich jetzt endlich begreife, was Liebe ist. Mit Nick dachte ich, ich wüsste es, aber vergleiche ich diese beiden Beziehungen miteinander, wird mir klar, dass ich es die ganze Zeit über nicht wusste. Natürlich teilen Nick und ich wunderschöne Erinnerungen miteinander. Egal ob gemeinsame Urlaube oder auch bloß Filmabende bei ihm oder mir Zuhause. Nur hat er all diese Erinnerungen mit seinem Betrug vernichtet. Momentan spüre ich ihm gegenüber nur Hass, der zwar nachgelassen hatte, bis heute. Jetzt bin ich wütend auf ihn, weil ich erst mit jemand anderem zusammen kommen musste, um ihn seinen Fehltritt bewusst zu machen. Nur jetzt ist es Mel, die von ihm zu Unrecht behandelt wird. Nick hat einfach alles zerstört, meine Freundschaften zu all meinen Freunden und meine schönen Erinnerungen, die ich mit ihnen teilte. Und da ist Harry, der mich am Anfang wahnsinnig gemacht hatte und es ab und zu immer noch tut, ich mit ihm aber die schönste und aufregendste Zeit meines Lebens durchgemacht hatte. Natürlich kann ich ihn mit Nick in diesem Punkt nicht vergleichen. Als ich mit Nick zusammen kam, waren wir unerfahrene Jugendliche. Als ich Harry kennenlernte, war ich eine junge, bereits mehr erfahrene Erwachsende. Außerdem lebt der eine in normalen Verhältnissen, und der andere schwebt über den Wolken und öffnet mir Türen. Aber was ich vergleichen kann, sind meine Gefühle. Ich litt nach dem ich von dem Betrug erfahren hatte. Aber ich litt nicht so sehr wie bei der Trennung von Harry. Und alleine das zeigt mir, dass diese Trennung das einzig richtige war, um die wahre Liebe zu finden, mit der ich mir vorstellen kann, mein restliches Leben zu verbringen''. Schnaufend beendete ich meine kurze Rede und ging noch einmal im Stillen meine Worte durch. Ich hoffte, dass meine Mutter alles verstanden hatte, um zu begreifen, dass ich mir meinen Gefühlen sicher war. Nur begriff ich mit meinen Worten auch, dass ich mir meinem Umzug sicher war. Aber nichts nur wegen Harry. Vor allem auch, weil er mir Türen geöffnet hatte, und ich durch diese gehen und mich weiter entfalten konnte. Auch wenn nicht all meine Aufträge für das Modest Management in London beziehungsweise Großbritannien sein würden. Das erleichterte mich und die Angst einen Fehler zu beginnen, verschwand immer mehr in einer Schublade in meinem Kopf. Nun stieg Vorfreude in mir auf und ich konnte es kaum erwarten, München zu verlassen und ein neues Kapitel zu beginnen. Meine Mutter nahm meinen veränderten Gefühlszustand wahr und lächelte mich an bevor sie den Finger hob und forderte:
,, Bevor du deinen Traummann heiratest, bringst du ihn endlich mal mit nach Hause! Bevor er sich als kompletter Vollidiot herausstellt und dir ein großer Rosenkrieg bevorsteht''. Als Antwort verdrehte ich die Augen und versicherte ihr, dass Harry alles andere sei als ein in anderen Worten Scheißkerl. Nicht desto weniger nahm ich ihre Bitte an und versprach ihr, ihn ihr vorzustellen. Unser Moment wurde von einem schnaufenden David unterbrochen, der sich auf dem Weg in die Küche durch die braunen Haare fuhr und seine Brille zu Recht legte. Sein weißes Hemd war verknittert und seine Ärmel waren gelb- wahrscheinlich vom ausgeschütteten Bier auf dem BeerPong Tisch. ,,Ach ich schufte mir den Arsch ab und ihr macht es euch gemütlich'', zog er uns auf und lehnte sich neben Mum an der Theke ab. Kurz darauf griff er in die halbleere Chips Tüte und stopfte sich eine Hand in den Mund. Das brachte mich zum Lachen, da er dieselbe Technik anwandte wie ich. Wäre er mein Vater, würde ich wissen, woher meine Angewohnheit kam. Und so kam es, das wir bis spät nachts Gespräche miteinander führten, die restlichen Süßigkeiten leerten und wir sogar kurz das Tanzbein schwangen, als im Radio Mums Lieblingslied – Vogue von Madonna- gespielt wurde. Dann war der Moment gekommen, der mich mal wieder zum Weinen brachte, bevor ich ohne noch einmal zurück zu schauen, die Handgepäck Aufgabe passierte und mich mit einem lächelnden und traurigen Auge vor dem Boarding platzierte. Das neue Kapitel konnte beginnen. Ich war bereit.

love, faith, hope | H.S.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt