Kapitel 2

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"Hi, ich heiße Noah Hamilton. Ähm... schönen Tag" riss der Junge mich aus meinen Gedanken. Er redete schnell und holte am Ende tief Luft.

Etwas verwirrt schaute ich zu ihm. Seine Jacke war regennass und seine Haare tropften. Er hatte vor Kälte rote Wangen und sah etwas verlegen aus. Warum hatte er mich angesprochen?

"Äh, hi", sagte ich. "Ich bin Grace und danke... dir auch einen schönen Tag." Ich wusste nicht so recht, was ich sagen sollte. Man wurde nicht oft im Bus von wildfremden Menschen angesprochen. Naja, von alten Damen schon, aber nicht von Jungs, die genau so schüchtern aussehen, wie man selbst, und einen dann auch nicht anbaggerten.

Ich muss zugeben, ich war beeindruckt, dass er mich überhaupt normal angesprochen und nicht irgendeinen Spruch losgelassen hatte. Aber ich wusste immernoch nicht, warum.

Ich schaute ihn erwartungsvoll an. Er schaute nach unten. Eigentlich war er recht hübsch. Seine Wangen waren rot. Ob vor Kälte oder Scham wusste ich nicht. Vermutlich eine Mischung aus beiden. Er schüttelte leicht den Kopf.

"Ich...", murmelte er.

Der Bus wurde langsamer, bis er stand.

"Ist alles okay?", fragte ich. Vielleicht stimmt ja wirklich etwas nicht mit ihm.

"Es tut mir leid!", rief er und kurz darauf war er auch schon weg. Ich schaute ihm durch ein kleines Loch, das ich in die beschlagene Fensterscheibe gewischt hatte, hinterher.

Ich musste lachen. Irgendwie war er süß gewesen. Doch andererseits tat er mir leid. Er hatte sich bestimmt ziemlich überwinden müssen um mich anzusprechen und dann hatte er einen Blackout gehabt. Im Nachhinein war das mega traurig und mein Lächeln verschwand. Meine ohnehin schon schlechte Stimmung wurde noch weiter in den Keller gezogen.

Der Bus war schon längst weiter gefahren und ich schaute immernoch starr geradeaus durch das Loch, das langsam wieder anfing, erneut zu beschlagen.

Noah Hamilton. Ich sollte ihn einfach vergessen.

Doch mein Vorhaben, den Jungen für immer aus meinen Gedanken zu verbannen, ging noch am selben Abend zugrunde. Gut, wie soll man auch eine so interessante Begegnung so einfach vergessen? Aber sonst hätte er mir mein Leben lang leid getan.

Nach dem Abendessen surfte ich mit meinem Laptop im Internet und schaute mir den dämlichsten Quatsch an. Ich hätte natürlich besseres zu tun gehabt, aber wer macht die Hausaufgaben schon früher, als erst am letzten Abend vor Abgabe? Ja ich bin auch einer dieser schludrigen Menschen und manchmal hasse ich mich dafür. Aber wer würde schon die Hausaufgaben vor eine Tasse Kakao und selbstgebackenen Kuchen ziehen?

Ich surfte also im Internet und es kam, was kommen musste. Ich fand Noahs Facebook Profil. Er hatte bis jetzt noch nicht viel gepostet, das einzige war ein Bild von einer Katze.

Es war einer dieser Momente, in denen man sich beim besten Willen nicht entscheiden kann, was man machen will. Ja oder nein? Soll ich es tun oder bleiben lassen? Soll ich ihn anschreiben oder nicht?

Doch mein Gewissen gewann die Oberhand und schrieb ihn an.

Hey, ich bin das Mädchen aus dem Bus. Grace.

Was für eine blöde Nachricht.

Enttäuscht über mich selbst und meine Unfähigkeit eine vernünftige Nachricht an irgendeine Person, die ich gar nicht kannte, zu schicken, ging ich ins Bad um mich bettfertig zu machen. Es war noch recht früh, das geb ich zu, aber der Tag hatte mich geschafft und ich war sehr müde.

Während ich meine Zähne putzte fragte ich mich, warum ich ihm geschrieben hatte. Ich kannte ihn nicht, er war komisch. Und vielleicht war das gar nicht sein Profil gewesen, sondern das, von irgendeinem anderen Noah Hamilton. Oh mein Gott, wie peinlich das wäre! Mir ging die Frage nicht aus dem Kopf und so schob ich es einfach auf mein Gewissen, das nicht wollte, dass dieser arme Junge jetzt traurig in seinem Bett saß und sich fragte, warum, um alles in der Welt, er ein fremdes Mädchen einfach so angesprochen hatte. Ja mein gutes Gewissen, das mir hin und wieder einen Strich durch so manche Rechnung machte. Ich war einfach zu gutmütig.

Zurück in meinem Zimmer hatte ich zwei Nachrichten. Sie waren tatsächlich von Noah. Ich zögerte kurz. Aus welchem Grund auch immer hatte ich etwas Angst vor seiner Nachricht.

Hi Grace.

Das war die erste Nachricht und direkt darunter stand:

Tut mir leid, dass ich so ein Idiot war und einfach abgehauen bin. Ich hätte dich einfach in Ruhe lassen sollen.

Nein, hätte er nicht!

Was, wieso? Warum hätte er mich nicht einfach in Ruhe lassen sollen? Mein Kopf bringt mich noch um. Meine Gedanken laufen auf Hochtouren. Sie sind genau so komisch wie ich. Eine Mischung aus Schüchternheit und Verrücktheit. Es passt einfach nicht zusammen. Und so ein Ereignis macht es natürlich nicht besser.

Ist schon okay. Du hast Abwechslung in die Busfahrt gebracht :D

Du hast Abwechslung in die Busfahrt gebracht? Was war denn falsch mit mir? Dachte ich etwa nicht mehr nach, bevor ich schrieb? Oh Gott, was für ein komischer Satz...

Hab ich gerne gemacht ;)

Scheiß Zwinkersmileys. Scheiß Nachrichten zu denen einem einfach keine vernünftigen Antworten einfielen.

Ich bin müde. Ich geh jetzt schlafen.

Super. Wir hatten kurz vor neun. Was sollte er jetzt von mir denken? Ach, was interessierte mich das? Ich hatte einem Jungen, den ich nicht kannte, die seltsamsten Nachrichten geschickt und machte mir dann Gedanken darüber, was er über mich denken soll? Ich könnte wirklich etwas erholsamen Schlaf gebrauchen.

Nach einem "Gute Nacht." seinerseits schaltete ich den Laptop aus und legte mich schlafen. Erstaunlicherweise dauerte es nicht lange, bis ich eingeschlafen war.

Peace!
So ich hoffe euch gefällt es bis jetzt. Ich hab schon viele Geschichten geschrieben, aber das hier ist die erste, die ich veröffentliche. Ich bin da so ein bisschen unsicher, fragt nicht wieso. Wenn ihr wollt könnt ihr ja ein Kommentar da lassen :)
P.S.: FMA Brotherhood ist cool, gönnt euch das mal!

Alles, nur nicht das, was ihr erwartetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt