Am nächsten Morgen in der Schule erzählte ich niemandem von Noah. Ich wusste auch nicht genau den Grund. Vielleicht war es einfach, dass ich nicht wollte, das sich meine Freundinnen lustig über ihn machten.
In Geschichte hielten Melany und ich mehr oder weniger erfolgreich unser Referat. Meine Gedanken waren immer wieder abgeschweift. So hatte ich am Ende einen Blackout gehabt und meinen Text vergessen. Melany hatte nachher mit mir geschimpft, weil wir nun wegen mir eine schlechte Note bekommen würden.
Ich zuckte nur gleichgültig mit den Schultern. Mir war es egal. Es war nur Schule und nichts Lebenswichtiges. Okay, für manche war Schule lebenswichtig, aber ich hätte auch gut drauf verzichten können. Es ist doch jeden Tag das selbe. Man kommt hin, langweilt sich und beantwortet ein paar Fragen, damit man die 3 im Mündlichen noch schafft. Man lächelt sein falsches Lächeln und geht, unter einer dicken Schicht Oberflächlichkeit, nachmittags wieder nach Hause.
Es war ein langweiliger Tag gewesen, doch als ich am Abend in meine Bett saß und gedankenverloren aus dem Fenster schaute, war ich unglaublich zufrieden. Mein Motto war "lebe den Moment". Ich dachte nur wenig an die Zukunft, an wichtige Sachen natürlich schon. Aber noch weniger grübelte ich über die Vergangenheit nach. Was geschehen war, war geschehen. Was sollte man daran noch ändern?
Draußen war es schon lange dunkel. Es war Winter und bald würde es schneien. Ich beobachtete eine Katze, die mit ihren dicken Fell über eine Mauer balancierte und anschließend elegant auf die Straße sprang und in der Dunkelheit verschwand.
Auf einmal kam mir der Gedanke, dass Noah vielleicht noch einmal geschrieben hatte und ich startete den Laptop. Wenn er nicht geschrieben hatte, dann könnte ich ja vielleicht... Tatsächlich hatte ich vier Nachrichten von ihm.
Guten Morgen, Grace.
Ich hoffe, du hast gut geschlafen. :)
Oh, und ich hoffe ich nerve dich nicht, oder so.
Hier ist meine Nummer. Dann können wir über Whatsapp schreiben.
Lustig. Er gab mir einfach seine Handynummer. Ich fand das schon irgendwie lieb von ihm, weil es zeigte, dass er mir ein Stück vertraute und auf jeden Fall nicht komisch oder abstoßend findet. Auf irgendeine Weise schmeichelte mich das.
Ich speichert die Nummer ein und schrieb ihn dann an. Dann schmierte ich mir in der Küche ein Butterbrot. Ich hörte, wie die Tür aufging und sah, wie meine Mutter in den Flur kam. Und auf ihrem schwarzen Mantel waren kleine, weiße Punkte. Schnee! Das musste Schnee sein. Überglücklich lief ich zu ihr und umarmte sie, weil sie sozusagen die gute Nachricht überbracht hatte.
"Gracy, was ist denn los?", fragte sie überrascht.
"Es schneit", sagte ich stolz.
Das klingt vielleicht mega kindisch, aber ich liebte Schnee. Die Welt war so anders, wenn sie von einer weißen, glitzernden Schicht bedeckt war. Die Kinder waren fröhlicher und die Erwachsenen zufriedener. Natürlich regten sie sich darüber auf, dass die Straßen nicht richtig gestreut wurden und die Autoscheiben eingefroren waren, doch insgeheim ließ auch sie der Zauber nicht kalt, so doof das auch klingen mochte.
"Wie war dein Tag?", fragte Mama, während sie sich die Schuhe auszog.
"Wie immer", antwortete ich. Ich hatte auch ihr nichts von Noah erzählt, warum wusste ich nicht genau.
"Schön", stellte sie fest.
Naja, mehr oder weniger.
Ich schnappte mir mein Brot und lief damit hoch in mein Zimmer, immernoch aufs äußerste zufrieden. Ich entsperrt mein Handy und als ich sah, dass Noah geschrieben hatte, wurde ich augenblicklich und unerklärlicherweise noch etwas glücklicher.
Hi, wie geht es dir?
Richtig nett dass du schreibst, ich freu mich voll!
Oh sorry, ignorier die letzte Nachricht.
Ich lachte. Nein ich würde sie ganz sicher nicht ignorieren, sie war toll. Er fand mich im Grunde nett. Mir wurde warm ums Herz, weil so gerade heraus das noch nie wirklich jemand zu mir gesagt hatte. Diese Nachricht würde ich bestimmt niemals vergessen.Wir schrieben noch den ganzen Abend lang und heute war ich deutlich länger wach, als gestern. Ich weiß, dass es nicht gut für mich ist und ich würde es wohl morgen früh wieder bereuen, aber vor null Uhr schlief ich nicht ein. Aber wer hörte auch so schnell auf mit einer Person zu schreiben, die einen, obwohl sie einen überhaupt nicht kannte, andauernd zum Lächeln brachte?
Ja, ich musste lächeln. Ich wusste nicht wieso, es lag irgendwie an seiner freundlichen und doch etwas trotteligen Art. Und obwohl der Tag so schlecht angefangen hatte, endete er wunderschön.
Peace!
Ein neues Kapitel. Ich hoffe, es gefällt euch. Und ja, ich weiß, dass es noch nicht wirklich spannend ist, aber das wird noch kommen. Etwas, das ihr nicht erwarten werdet, würde ich sagen. Lasst gerne ein Kommentar da, damit ich weiß, ob ich etwas verbessern kann und, wie euch die Geschichte bis jetzt gefällt. :)

DU LIEST GERADE
Alles, nur nicht das, was ihr erwartet
JugendliteraturEs sind diese Tage, die alle so hassen. Diese Tage, die jeder kennt. Diese Tage an denen man sich wünscht, man könnte für immer in seinem Bett liegen bleiben und sich vor der Welt verstecken. Vor dieser schrecklichen Welt. Es sind diese Tage, die Gr...