Alles, nur nicht das, was ihr erwartet

Kapitel 13

Sie sprang auf, ihr Gesicht strahlte und ihre Augen leuchteten. Ein erstickter Schrei kam aus ihr heraus.

"Gracyyyy!!!", rief sie und wirklich jeder schaute erst sie und dann mich an. Ich wurde rot. "Ihr habt euch geküsst!"

"Ja, aber setz dich wieder hin, bitte Mel", murmelte ich und versuchte peinlich berührt den Blicken der anderen auszuweichen.

Wir saßen in dem kleinen Pausenraum, diesmal aber mit mindestens zwanzig anderen Schülern. Ich hatte meiner besten Freundin von dem Kuss erzählt, was ich vielleicht lieber gemacht hätte, wenn weniger Leute da gewesen wären. Ich hatte ihre Reaktion ja irgendwie schon erwartet, aber trotzdem war ich etwas überrumpelt.

Doch auf einmal war sie ganz leise und schaute auf ihre Stiefel.

"Was ist denn los?", fragte ich besorgt.

"Nichts. Ich freu mich doch für dich", murmelte sie.

"Melany, ich kenn dich gut genug, dass ich weiß, wie du aussiehst, wenn du dich freust. Und das hier ist überhaupt keine Freude", beharrte ich.

"Es ist nur... ich will dir das überhaupt nicht vermiesen und gönn dir das, aber jz hast du einen Freund, obwohl du nie an Jungs interessiert warst...", sagte sie leise.

Da hatte sie schon recht. Ich wollte nie etwas von Jungs wissen, sie waren einfach immer Arschlöcher. Doch dann kam dieser eine Junge in mein Leben und stellte alles auf den Kopf.

"Und ich hab mir immer einen Freund gewünscht und dieses verkackte Arschloch Jeremy... ist mit dieser Scheißschlampe Victoria zusammen!", rief sie auf einmal so laut, dass wieder alle guckten. Einige schüttelten den Kopf, aber die meisten schenkten Melany einen mitleidigen Blick. Sie wussten alle von ihrer Liebe zu diesem Jungen. Aber Melany ignorierte sie alle und fing an zu heulen. "Grace... die haben sich wieder geküsst. Diese verdammte Bitch. Oh Gott, es gibt keine Worte für dieses Mädchen", schluchzte sie.

Ich legte beide Arme um sie und streichelte über den rauen Stoff der Schuluniform. Ich murmelte irgendwelche zusammenhangslosen Wörter, dass alles gut wäre und sie nicht weinen müsse.

"Gracy? Lass uns gleich die Schule schwänzen, ja? Ich brauch ein bisschen Zeit für uns beide", flüsterte sie in mein Ohr.

Ich nickte. Ich tat nicht gerne verbotene Sachen. Ich machte mir immer zu viele Gedanken über die möglichen Konsequenzen. Aber für Melany würde ich fast alles machen. Sie war meine beste Freundin, auch wenn sie hin und wieder wirklich einen an der Klatsche hatte.

Als wir beide der Meinung waren, dass sie nicht mehr verheult aussah, gingen wir gemeinsam in die Stadt. Melany gab viel Geld aus, vielleicht etwas zu viel, aber ich konnte es ihr nicht verübeln. Frustshoppen tat gut.

Mit sechs Tüten bepackt gingen wir in ein Café in dem wir uns beide eine Waffel und einen Kaffee gönnten.

"Grace, das tut so gut. Weißt du, er ist mir egal. Er ist doch auch nur einer dieser Idioten, die nur auf das Äußere achten. Wenn er wüsste, wie ich wirklich bin, dann hätte er vielleicht mich geküsst. Wie kann er nur. Diese Bitch hat einen richtig ekeligen Charakter. Ja, total ekelig, boah ich könnt kotzen...", plapperte Melany.

Auch, wenn ich das vielleicht nicht tun sollte, hörte ich ihr irgendwann nicht mehr zu. Natürlich hatte mich ihr Schicksal runtergezogen, doch ich schwebte zu hoch um auf dem Boden ankommen zu können.

"Sie sind ein Paar, ich fasse es nicht."

Mittlerweile waren wir wieder raus aus dem Café und liefen ziellos durch die Stadt. Melany redete immernoch ununterbrochen von Jeremy und Victoria. Doch auf einmal blieb ich ruckartig stehen. Ich hatte etwas entdeckt. Besser gesagt jemanden.