Kapitel 11

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Ich saß wieder im Bus. Ich fuhr nicht gerne Bus, aber ich tat es vergleichsweise oft. Neben mir saß Noah und zupfte an seiner Jacke herum. Wir waren auf dem Weg zu dem Hof von seinem Onkel. Er hatte mich zu Hause abgeholt, aber wir hatten noch nicht viel geredet. Nach einem kurzen "Hi" hatte ich die blauen Flecken in seinem Gesicht gesehen und war etwas erschrocken. Es sah so schlimm aus und immernoch flüsterte diese Stimme in meinem Hinterkopf, dass das meine Schuld sei.

Ich wollte ihn nicht so anstarren, aber ich konnte auch nicht weg sehen.

"Geht's denn?", fragte ich besorgt. Er nickte nur.

"Lass uns losgehen", forderte er mich auf.

Jetzt saßen wir im ziemlich leeren Bus und ließen Felder an uns vorbei rauschen. Die Natur hier war schön und ich stellte mir vor, wie in einem kleinen, gemütlichen Häuschen Elisabeth mit ihrem Mann mit dem komischen Namen saß und strickte. Oder Essen mit Zwiebeln kochte.

Die Woche über hatte ich mich gefragt, warum Noah nicht wollte, dass wir zu ihm nach Hause gingen. Ich konnte mir schon vorstellen, dass dort irgendwas los war, das er vor mir verstecken wollte. Aber ich wollte ihn auch nicht so aufdringlich fragen. Wenn er es nicht sagen wollte, war es seine Sache.

"Hier müssen wir raus", sagte er knapp.

Wir stiegen aus und ich lief neben ihm her. Ich fühlte mich unwohl. Wir redeten nicht so, wie sonst immer, und er hatte sich total verändert. Er war nicht mehr der fröhliche Noah, den ich einmal kannte. Er war irgendwie verschlossen. Schon seltsam, was mit einem Menschen passieren konnte, und das in so kurzer Zeit. Aber mein Ziel war es, ihn wieder zum Lachen zu bringen. Damit wir wieder Spaß hatten.

Wir liefen über einen trockenen Feldpfad. Es gab auch eine Straße, aber das hier war wohl eine Abkürzung. Ich konnte schon von weitem den Hof sehen. Er war echt groß und neben uns auf einer Weide standen einige Pferde.

Dafür, dass noch Winter war, war es echt warm die letzten Tage. Und, auch wenn das so untypisch für diese Gegend hier war, hatte es kaum geregnet.

"Kannst du bitte aufhören so vor dich hinzuschweigen? So kenn ich dich ja gar nicht. Lass uns doch einfach versuchen glücklich zu sein", sagte ich einfach so heraus.

"Ja, okay. Es kommt mir nur so anders vor. So falsch und doch irgendwie unglaublich richtig", sagte er etwas niedergeschlagen. "Wir müssen kurz hier rein, um die Halfter und Putzkästen zu holen."

Er zog mich durch einen großen Stall mit Boxen, in denen viele große und kleine Pferde standen. In einer war sogar ein Fohlen und von da an, war ich verzaubert. Noah bekam mich fast nicht weg von dem kleinen, unglaublich süßen Geschöpf, dem ich mit einer Babystimme komische Sachen zurief.

"Ach komm. Es ist zwar echt süß, aber wir wollen doch reiten!", lachte er und es tat so gut ihn lachen zu hören.

"Ich soll auch reiten?", fragte ich unsicher.

"Natürlich!", rief er.

Oh. Irgendwie freute ich mich ja, aber ich saß noch nie auf einem Pferd und hatte schon etwas Angst davor.

"Du reitest Hailey und ich Buddy", sagte er.

"Buddy!", rief ich und lachte. Was für ein lustiger Name.

"Ja, er ist wirklich wie ein Kumpel für mich."

Als ich aber Hailey sah, war ich ein bisschen enttäuscht. Sie war kleiner als die anderen Pferde, hatte aber trotzdem schönes, flauschiges, weißes Fell.

"Warum ist sie denn so klein?", fragte ich.

"Hailey ist ein Pony, die werden nicht ganz so groß. Aber keine Sorge, sie ist das liebste Wesen, das ich kenne und perfekt für Anfänger. Und ganz so klein ist sie ja auch nicht. Sag ihr das lieber nicht, sonst wird sie vielleicht doch böse", erzählte er, während er dem Pony das Halfter umlegte, sie aus ihrer Box führte und an einem Ring in der Wand auf der anderen Seite anband.

"Äh, hallo Hailey", sagte ich etwas schüchtern.

"Mach dir keine Sorgen, sie ist so lieb, sie würde nicht einmal einer Fliege was tun", lachte Noah. "Du kannst ja schonmal anfangen, sie zu putzen. Dann hol ich eben Buddy."

Er lief davon und ließ mich mit dem Pony alleine. Ich nahm mir irgendeine Bürste und striegelte ihr weiches Fell. Buddy war eine Wucht. Er war riesig, im Gegensatz zu Hailey, und ging mir bis auf die Augenhöhe. Aber er hatte wunderschönes, seidig schwarz glänzendes Fell und seine Augen sahen so treu aus, dass ich ihm mein Leben anvertraut hätte.

Wir putzten, sattelten und trensten die Pferde, dann stieg ich mit der Hilfe von Noah und einem kleinen Quietscher auf.

Wir ritten als erstes im Schritt zu einem Wald. Bis jetzt fühlte ich mich noch ziemlich sicher. Es war schönes Wetter und es war einfach ein tolles Gefühl auf ihrem Rücken zu sitzen. Sie hatte wirklich einen tollen Gang. Aber Noah wollte auch mit mir galoppieren und davor hatte ich schon ziemliche Angst.

"Bist du bereit?", fragte Noah auf einmal, als wir in einem gemütlichen, schattigen Wald waren.

"Bereit für was?"

"Na für Galopp. Das macht wirklich Spaß, du wirst es merken", machte er mir Mut.

"Ich weiß nicht... wie geht das denn?"

"Du musst gar nichts machen. Bleib einfach grade sitzen, den Rest macht Hailey von allein, wenn sie sieht, dass Buddy galoppiert."

"Na gut", sagte ich leise und ziemlich unsicher. Aber alle sagten immer, es würde Spaß machen...

Und das tat es auch, oh mein Gott! Es war perfekt. Hailey hatte so einen leichten Galopp, sie buckelte dabei nicht so komisch rum, wie man das manchmal im Fernsehen sah. Sie war schnell und sanft und die leichten Sprünge lösten ein Gefühl, wie Schmetterlinge, in mir aus. Das Gefühl, dass so ähnlich war, wie damals, als wir nachts am See waren.

Es kam mir schon so lange vor und es war so viel passiert. So viel schlechtes, aber jetzt war alles gut. Alles war wundervoll und nichts konnte mehr passieren. Alles würde wieder perfekt werden. Nichts könnte sich mehr dazwischen schieben.

Nichts, hatte ich gedacht. Aber manchmal war Nichts so viel...

Peace!
Ich weiß, das Kapitel ist etwas schwach, aber bald wird es nochmal spannender. Freut euch drauf :)

Alles, nur nicht das, was ihr erwartetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt