Kapitel 12: Nervige Stechmücke

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Kein Selbstbewusstsein.

Das hat er zu mir gesagt.

Stimmt as wirklich? Wahrscheinlich schon, natürlich tut es das - sonst würde ich nun nicht hier sitzen.

Ich komme mir wirklich ziemlich dämlich vor, dass ich so mit mir spielen lasse, solche Experimente oder wie er es nennt, an mir durchführen lasse. Jedochkann ich mir nur immer und immer wieder die Frage stellen, welche Alternativen mir bleiben in meinen erbärmlichen Dasein. Sollte ich mich wirklich gegen ihn auflehnen würde ich Rye zutrauen, dass er mir tatsächlich noch den Rest meines Lebens versaut, denn dazu ist er durchaus in der Lage und wenn jemand wie er es ist dies androht zu tun, so würde dieser Jemand sicherlich auch nicht davor zurückschrecken. Warum sollte er auch? Er hat gute Kleidung an, er trägt Schhuhwerk ganz ohne Löcher in den Sohlen oder Rissen an den Stellen, wo diese sich mit dem Rest des Schuhs verbinden und das Smartphone, das er hat, ist sicherlich auch gerade der neuste Schrei auf dem Markt. Die paar hundert Euro, die sind doch gar nichts für ihn, beziehungsweise für seine Eltern. Er selbst hat sicherlich noch gar nichts für sein Geld getan, welches ihm wohl Tag für Tag in den Arsch geblasen wird, er macht auch hier einfach was er will. Jemand wie er würde jemanden wie mich, jemanden der das alles eben nicht hat, doch wie eine nervige Stechmücke einfach ohne einen Hauch von aufkommenden Gewissen zerschlagen.

Ich schätze, dass er genau dies tun wird, wenn ich ihm nicht Folge leiste.

Wie Rye es schon sagte ... Ich bin bloß sein Experiment. Ein Tierversuch.


"Hallo?!"

"Was?", hebe ich in Gedanken verloren den Kopf, als ich Rye höre, der bereits vor unserer Wohnung gehalten hat und will, dass ich vom Rad absteige. Ich habe den kompletten weg verträumt, den er fuhr. "Jin-Jin ... Ich habe mich mit dir unterhalten und du hörst mir einfach nicht zu!", ist der Kleienre sogar etwas zickig und doch irgendwie wieder nicht. "Mach das nicht mehr."

Klar, darf's auch noch ein Tee sein? Ist Vanille recht? Oder doch lieber Kräuter? "Wohin stellst du dein Fahrrad?"

"Wenigstens eine Sache, die du noch nicht erstalkt hast." Ich steige ab und fahre es einfach hinter einige Mülltonnen, wo ich es manchmal abstelle. Ein Wunder, dass es in dieser Gegend noch nicht gestohlen wurde. "Ja, aber jetzt habe ich sie erstalkt", grinst mich der Blonde wieder frech an und beobachtet mich. "Hast du keine Angst, dass es geklaut wird?", spricht er mich darauf an, als hätte er meine Gedanken lesen können. "Ist doch egal ..." Natürlich habe ich die, aber anders geht es eben nicht. So ein Fahrradschloss bekommt man nicht eben mal hinterher geworfen für ein paar Cent.

"Ah."

Darauf antworte ich nichts - was auch? Schließlich drücke ich auf einen der unzählichen Knöpfe und drücke die Tür auf, als das gewohnte Geräusch ertönt. Sofort stocke ich jedoch. Das da drinnen kann ich doch nicht Rye zumuten ... Für mich mag es vielleicht gewohnt sein, aber er hat sicherlich eine ganz eigene Putzkraft in seiner ganz persönlichen Villa! "Lass uns lieber nicht reingehen", wird mir erst in diesen Moment wirklich bewusst, wie sehr ich mich für unsere Flure und auch das Innere unseer eigenen Wohnung schäme. Alles wird noch lauter als von außen sein, dreckig und einfach nur ekelig für ihn. "Warum?", grinst der Junge mit den frechgrünen Augen zu mir auf, als ob er die Antwort nicht wüsste. "Nur so."

"Sag ruhig, dass du dich schämst!"

"Mach ich aber nicht!"

"Dann lass uns halt reingehen! Tüdelü." Nervig wie er ist, greift er einfach unter meinen an der Tür angelehnten Arm an sie heran und schiebt sie selbst auf. Sofort kommt uns der Gestank dieses heruntergekommenen Hauses entgegen und auf den Treppen legt genau in diesen Moment ein großer Hund seinen braunen Haufen ab. Er unterbricht sein Geschäft, als er uns sieht, beginnt plötzlich wie wild zu bellen und nur kurze Sekunden später führt er seinen Vorgang fort. Ich spüre Ryes Blick neben mir genau, doch ich schreite bei der ohnehin schon offenen Haustür, welche alles schamlos entblößt hat, weiter in den Korridor und an dem bellenden Mistvieh vorbei, um in meine Wohnung zu gehen. Rye schiebt sich schon etwas pingeliger an dem Tier vorbei und huscht schließlich zu mir herüber. "Ich habe Angst vor großen Hunden ..." Über den Gestank und wie es hier aussieht verliert er allerdings kein Wort. "Das heißt, dass ich mir einen großen Hund anschaffen muss, damit ich ihn auf dich hetzen kann und du endlich irgendwann verschwindest", gebe ich zurück und tue so, als wäre das hier eine vllig normale Wohnung, auch wenn man im Inneren schon meine Geschwister hören kann. Aber nicht nur die, auch die Nachbarn über uns, noch immer der das Bellen des Vierbeiners ... Eigentlich ist es unerträglich, wenn man so darüber nachdenkt, welchen Lärm die Kleinen und ich täglich ausgesetzt sind. Ich kann es sowieso nicht ändern, also einfach so tun, als wäre alles okay, alles ruhig und ales sauber ...

Dieser Vorsatz ist allerdings unmöglich einzuhalten und schon nachdem die Tür auch nur einen Spalt geöffnet ist, hört man die Schwestern wieder streiten. Ich bin froh, wenn sie morgen wieder zur Schule gehen ... Ich habe meine Einkaufstüte natürlich mitgenommen und stelle sie nun in die Ecke des Flurs, wo ich auch meine Jacke aufhänge und sofort in mein Zimmer flüchte, doch Rye folgt mir nicht. Er ist auch nicht mehr im Flur, als ich nach ihm schauen gehe und sofort kommt ein neuer Stich von Zorn in mir auf. Sollten diese Leute ihren Kindern nicht eigentlich Benehmen beibringen? Warum ist Rye so verdammt unverschämt in wirklich allen Sachen? Ah, ich weiß - weil er sowieso alles bekommt, darf er auch einfach alles machen, schon klar.

Ich gehe den Flur entlang und suche mit den Augen die Küche ab, wo wie beinahe immer alle versammelt sind, nur er ist nicht hier. Ohne weiteres gehe ich die anderen Zimmer absuchen, doch er kann am Ende nur im einen sein. Eines, das ich besonders hasse und meide.

Rye kann sich nur im Wohnzimmer verirrt haben.

Von dort werde ich ihn nicht holen kommen. Soll er doch seine eigenen Erfahrungen mit meiner Mutter und ihrem Stiefvater machen, ich hingegen trage den heutigen Einkauf in die Küche und fange an diesen auszupacken. Ohne dass ich es bemerke, steht Rye auch schon wieder neben mir und erneut aus meinen Gedanken von Pfannkuchenzubereitung und Kochen gerissen, bekomme ich auch erst nun die Fragen meiner Geschwister zu hören. "Wer ist das?" und "Was will der hier?"

"Nun, das weiß ich selbst nicht so genau", muss ich gestehen und schenke ihm dabei einen vorwurfsvollen Blick. "Ich mache bloß einen Museumsbesuch."

"Einen Museumsbesuch?"

Rye beugt sich zu mir herüber, um mir etwas in das Ohr zu flüstern. "Im Hartzermuseum", haucht er und ich sehe ihn böse an, bevor ich ihn warnend boxe. "Sag sowas nochmal", zische ich über die herabwürdigende Bemerkung und bekomme wirklich Bauchschmerzen davon. Nicht nur, weil es einfach beleidigend und verletzend ist, aber so etwas herabwürdigendes muss man sich erstmal einfallen lassen!

Disallowed Love (BoyxBoy. Yaoi)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt