Kapitel 8: Unter Tränen

1.5K 173 7
                                    

Ich streiche mir die Tränen der Panik und Trauer aus dem Gesicht, bevor ich das Pulver wieder verstecke und die Nummer dazu.
"Was hättet ihr denn gerne?", frage ich das Mädchen mit einem aufgesetzten Lächeln, schließe die Tür hinter mir und schreite voran in die Küche, welche das Wohnzimmer der Kinder ist.

"Ey, fass das nicht an!", quiekt Annika, meine frühreife, 12-jährige Schwester, als die 10 Jahre alte Vanessa nach ihrem Schmucktäschen greift, um sie zu ärgern. "Du siehst sowieso immer scheiße aus!", lacht das kleinere Mädchen frech und ich versuche, das Gequängel im Hintergrund einfach auszublenden, während ich uns etwas essbares zusammensuche.
Ich strecke meine Hand nach der quietschenden Schranktür aus, nur um in ein beinahe leeres Inneres zu blicken.
"Was haltet ihr von Nudeln?", halte ich eine Packung Spaghetti in der Hand und wackele damit. "Ja!", rufen die beiden Zicken sofort. Der 5-Jährige Maurice weint mittlerweile schon wieder und Daniele ist genervt von der Lautstärke, welche hier herrscht. Auch ich bin es, jedoch habe ich meine kleinen Geschwister schon oft genug angeschrien, sie sollen leise sein. Nie hat es lange angehalten.
Ich nicke und nehme noch mehr Nudeln und Fertigsoße, allerdings ist so gut wie nichts mehr im Schrank.
Neben Kindergeschrei und einen gereitzten Bruder, der seine Geschwister lautstark und übertönend zurechtweisen will, stelle ich einen Topf für die Soße und einen für heißes Wasser auf. "Morgen muss ich einkaufen", beginne ich einfach zu reden, obwohl ich vollkommen ignoriert werde und kippe die Fertigsoße in den Topf.
"Wollt ihr etwas bestimmtes?"
Statt mir zu antworten, schreit mein Bruder total aggressiv über den Tisch: "Ihr kleinen, hässlichen Schlampen! Aus euch wird nie was!"
Mein Blick fällt auf meine Hände, welche ich an dem Rand des Herds stütze. Tränen tropfen auf sie und formen kleine Kugeln aus Flüssigen. Alles wird mir weg genommen und ich bin maßlos überfordert ... Alle schreien sich an, alles hier ist im Arsch, alles ist nutzlos und ich bin ganz alleine.
"Wir könnten ja mal Pfannkuchen machen", flüstere ich leise und weinend zu mir selbst, ohne ihnen einen Blick zu schenken. Es wäre ihnen sowieso egal. Alles hier ist so schrecklich! Statt mich mit Drogen trösten zu können, muss ich hier nun weinen ... Ich bin so etwas armseliges.
Unter Tränen lasse ich die Nudeln in das heiße Wasser, das Schreien der Mädchen hört nicht auf, das Weinen des Kindes wird lauter und mein Bruder verlässt die Küche, um sich zurückzuziehen. Ich reibe mir über die Augen und atme langsam ein und aus, während ich mit dem Holzlöffel in dem Essen im Kreis rühre, einfach mit der Routine weitermache, die Trauer in mir verdränge un den Druck in mir zerfresse, auf dass meine Tränen nicht in die Außenwelt gelangen.
Erst, als ich die Teller aus dem Schrank nehme, wird es endlich stiller in der Küche und ich lege jedem eine Portion vor das Gesicht. Sofort fangen sie an zu schaufeln, auch wenn ihr Bruder noch nicht zurück ist. Ohne mich kurz zu entschuldigen, verschwinde ich im Flur unf klopfe an Danieles Zimmer. "Hey", stecke ich den Kopf durch die Tür.
"Verpiss dich, Alter!", zischt der 15-Jährige sofort zurück und zeigt mir den mittleren Finger. "Essen ist fertig", ignoriere ich sein verletzendes Verhalten einfach und mache eine Kopfbewegung aus der Tür. "Na komm, Danny", ringe ich mir ein Lächeln ab.
Er sieht mich genervt an und schubst mich aus der Tür, als er in die Küche geht. Ich folge meinem Bruder, doch er nimmt sich bloß seinen Teller und verschwindet wieder, statt mit uns zu essen. Heute reicht es wieder nicht für alle, aber das ist okay. Schließlich war ich heute in einem leckeren Lokal speisen, mehr oder weniger. Ich setze mich neben Maurice und wische mit einem Tuch über seinen verschmierten Mund. "Mach langsam", lächle ich den kleinen Jungen gespielt an und er nickt nur, bevor er unbeholfen die Gabel in seinen Händen zurück in die richtige Position dreht.
"Gut ...", seufze ich und sehe zu meinen Schwestern, welche schon beinahe fertig sind, so schlingen sie es runter. "Stellt ihr dann bitte die Teller in die Spüle? Ich wasche gleich ab."
Ich kümmere mich um Maurice und sorge dafür, dass er sich nicht zu sehr einsaut und sehe auf, als meine Schwestern ohne weitere Worte den Raum verlassen. Die Teller haben sie nicht in die Spüle gestellt ...
Manchmal frage ich mich, ob mir hier überhaupt jemand zuhört. Entweder sie kommen zu mir und wollen, dass ich sie bei ihren Problemen berate, oder sie ignorieren mich vollkommen. Nichtsdestotrotz muss ich mich gut verhalten, damit sie sich kein Beispiel an einem Monster nehmen können.

"War gut?", frage ich den kleinen Jungen, als seine Kinderportion beinahe geleert ist und er vor einer weiteren Gabel den Kopf schüttelt. "Möchtest du schlafen?", rede ich liebevoll auf ihn ein und nehme Maurice hoch, um ihn in mein Bett zu tragen, wo ich ihn zu decke und über seinen Kopf streichle. Es kommt mir wie Sekunden vor, bis er einschläft und ich wandere zurück in die Küche, um zu spülen. Ich esse den kleinen Rest von Maurice und fahre bei so gut wie jeden Teller einmal in die wenig übergebliebene Soße, um ihn mir daraufhin in den Mund zu stecken. Auch bei Danny klopfe ich, um mir meinen letzten Teller abzuholen und bin den Rest des Tages der einzige in der Küche. Mit nur wenig Wasser wische ich die Teller und Töpfe sauber, trockne sie mit einem Tuch und stelle sie an ihren Platz zurück.
Jetzt geht es wohl an den Anruf ... Ob Rye überhaupt noch wach ist?


Disallowed Love (BoyxBoy. Yaoi)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt