7. Kapitel - San Francisco (CA)

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Nachdem er mir bedeutet hat, zu warten, während er in dem grauen Gebäude verschwindet, treten bei mir alle unterdrückten Zweifel wieder auf. Es könnte gefährlich sein. ER könnte gefährlich sein. Wenn ich nicht so verzweifelt wäre, würde ich vermutlich spätestens jetzt weglaufen, da er gerade schnurstracks auf mich zukommt.
«Entschuldigung», seufzt er, als er kurz vor mir stehen bleibt. «Es ist eine Unverschämtheit von mir, dass ich mich nicht vorgestellt habe. Ich bin Mitch, dein persönlicher Chauffeur», grinst er. Auch wenn es ein Spaß ist, tut es mir in dem Augenblick leid, dass ich ihm zur Last falle. Andererseits hätte er mich ja nicht zu sich winken müssen.
«Anna», stelle ich mich knapp vor.
Er nickt. «Hast du so etwas schon einmal gemacht?» Ich beiße mir nervös auf die Unterlippe. «Wenn du meinst, dass ich mich völlig verzweifelt an einen Rasthof stelle und nach der nächstbesten Mitfahrgelegenheit Ausschau halte, obwohl ich verdammt unsicher bin, wie ich da wieder raus komme, dann Nein», lache ich. Auf seinen Wangen bilden sich Grübchen, als er mich amüsiert mustert. «Du hast Angst vor mir? Ich habe mir eigentlich nicht viel dabei gedacht, außer dass ich einer hübschen, verlassen wirkenden Frau helfen möchte. Aber vielleicht wirkt es ein bisschen anders, als gedacht». Er sieht ein wenig niedergeschlagen aus. Ich habe keine Angst vor ihm. Sein kantiges Gesicht wirkt einladend und seine dunkelblauen Augen sind einige der wenigen Dinge, die mir auf meiner Reise vertrauensvoll vorkommen. Er blickt angespannt auf seine Hände. «Aber wenn du nicht willst, kann ich das verstehen», sagt er.
«Ich will, und ich bin dir sehr dankbar, Mitch. Du hast keine Ahnung, was für eine große Hilfe du mir mit dieser Geste bist», lächele ich ihn an, woraufhin sich seine strengen Züge wieder verweichlichen.

In seinem Auto läuft ein Mix aus Country- und Rockmusik und ich könnte mir nichts angenehmeres vorstellen. Es passt perfekt zu ihm. Durch seinen gebräunten Teint würde er perfekt auf eine Farm passen. Ich stelle ihn mir mit einem Strohhut und einer Mistgabel in der Hand vor. Zugegebenermaßen würde das ziemlich gut aussehen. Entspannt drücke ich mich noch weiter in den Sitz. Es ist erleichternd, abschalten zu können.
«Wohin soll's denn eigentlich gehen?», unterbricht Mitch die Stille.
«San Francisco». Er lacht so leise, dass ich es kaum hören kann. «Dann werden wir die ganze Route gemeinsam verbringen».
«Falls du keine Lust mehr auf mich haben solltest, kannst du mich auch einfach wieder aussetzen. Jetzt weiß ich ja, wie das Trampen funktioniert». Er schüttelt den Kopf. «Du bist eine angenehme Begleitung».
«Das sagst du jetzt», protestiere ich. «Was, wenn ich einschlafe und anfange zu schnarchen?» Wieder lacht er. «Nur zu.»

Mitch summt gerade mit der Musik, als mir plötzlich einfällt, dass ich neben einer Person sitze, die mir ein Handy borgen könnte, um den Diebstahl bei der Polizei zu melden. Ich möchte ihm nicht erzählen, wie naiv ich war. Angefangen bei der Idee, abzuhauen bis hin zum Vertrauen in fremde Personen. Ich fühle mich schlecht und ich will nicht, dass er schlecht von mir denkt.













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