8. Kapitel - San Francisco (CA)

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Es ist tatsächlich passiert. Ich muss eingeschlafen sein, denn mir strahlt die Nachmittagssonne entgegen, als ich meine Augen öffne. Nachdem ich mich wieder in eine normale Sitzposition gebracht habe, öffne ich meinen Mund, um etwas zu sagen, doch Mitch kommt mir zuvor.

«Du hast nicht geschnarcht», beruhigt er mich mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. Erleichtert atme ich aus und nicke, bevor mir bewusst wird, dass er es wahrscheinlich nicht gesehen hat.
«Wo sind wir?», frage ich neugierig, da die Straße noch genauso aussieht wie zuvor.
«Etwa 62 Meilen weiter seit du deine Augen geschlossen hast». Seine Augen funkeln in einem Blau, das mich an das Meer erinnert, als die Sonne ihn anstrahlt. Ich klappe die Sonnenblende herunter, und als ich den integrierten Spiegel entdecke, klappe ich auch diesen herunter und werfe einen kurzen Blick hinein. Meine hellblonden Haare sehen ein wenig so aus, als wäre ich in einen Sturm geraten. Schnell versuche ich, das Chaos mit meinen Fingern zu bändigen. Unter meinen Augen liegen Schatten, die mich vermutlich schon seit heute Nacht begleiten. Ich seufze. Ich hatte noch nicht einmal die Möglichkeit, irgendetwas an meinem Äußeren zu ändern. Und wieder überkam mich die Scham, so blind gewesen zu sein.
«Alles okay?» Mitch muss meinen aufgebrachten Blick entdeckt haben. Ich klappe den Spiegel wieder zu und räuspere mich, ehe ich ein leises «Ja» von mir gebe.
«Wenn du eine Pause brauchst, sag einfach bescheid».
«Danke, aber ich möchte so schnell wie möglich nach San Francisco», antworte ich wahrheitsgetreu. Meine erste Anlaufstelle würde die Polizei sein.
«Wer oder was erwartet dich denn dort?» Seine Stimme klingt so sanft, dass ich es ihm erzählen möchte. Was mich nach Amerika getrieben hat, und wie ich mir das Auto hab stehlen lassen. Wie aufgewühlt ich innerlich gerade bin, obwohl meine Miene etwas ganz anderes aussagt.
«Du musst es mir nicht erzählen. Tut mir leid, ich bin etwas neugierig», entschuldigt er sich, als ich etwas zu lang zögere.
«Schon gut», ist alles, was mir einfällt, und so lassen wir das Thema fallen.

Mein Blick ist starr auf den Wald gerichtet, der an uns vorbeizieht. Ich kann Meggie dort sehen, wie sie versucht, sich hinter einem der dünnen Bäume zu verstecken. Ich tue so, als würde ich sie nicht sehen, doch ihr gellendes Lachen verrät sie. «Ich hab gewonnen», triumphiert sie stolz und streckt mir die Zunge entgegen. «Das heißt du musst mir heute 2 Geschichten vorlesen», ruft sie. «Na dann, ab nach Hause», sage ich mehr zu mir als zu Meggie, da sie schon wieder zu weit weg ist, um mich zu verstehen.
«Du wohnst also in San Francisco?», bricht Mitch die Stille. Ich mustere ihn neugierig. Er spannt seine Kiefermuskeln an, als hätte er Angst, ich könnte ihm wieder nicht antworten. «Wie kommst du darauf?»
Ein Lächeln umspielt seine Lippen. «Du hast es doch gerade eben selbst gesagt». Zum ersten Mal zeigt er seine Zähne, als er sein Lachen nicht mehr zurückhalten kann. Es klingt warm und vertraut, wie eine Melodie.
«Hab ich das etwa laut gesagt?», lächle nun auch ich. «Das wäre sicher eine wunderschöne Stadt zum leben». Er nickt zustimmend.  

Tagebuch einer AbenteurerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt