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09.02.2014

Oh Valentine,

ich weiß nicht, ob du weißt, wie gerne ich diesem Arsch eine rein gehauen hätte, doch ich war damit beschäftigt gewesen dich im Arm zu halten und die Scherben deines gebrochenem Herzen wieder aufzusammeln.

Ich weiß, dass das total widerwärtig und erbärmlich ist. Das ich mich dafür schämen müsste, mich darüber zu freuen, dass er mit dir Schluss gemacht hat. Doch ich konnte dich im Arm halten, dir übers Haar, dein unglaublich gutriechendes weiches Haar, streichen und deine Tränen wegwischen.

Ich war wirklich ein Monster. Ein absoluter Arsch. War das noch Liebe oder grenzte das an Besessenheit?

Es ist schlimmer geworden, Valentine, ich kriege dich einfach nicht mehr aus dem Kopf. Und, das ich diese Briefe an dich schreibe, dich anschreibe, als würdest du sie wirklich erhalten, wirkt auch etwas seltsam.

Doch es weiß ja niemand. Nicht einmal du.

Es weiß auch niemand von meinen Gefühlen für dich. Niemand ahnt auch nur etwas.

Weißt du noch im Sommer letztes Jahr? Als meine Mutter mich vor dir zur Rede stellte, ob ich schwul wäre?

Du und ich lagen draußen, bei mir im Garten, als meine Mutter zu uns gestampft kam. Sie warf mir eine aufgeschlagene Zeitschrift auf den Bauch und sagte nur: „Lies!" Dann ging sie wieder nach drinnen. Neugierig hattest du die Zeitschrift von meinem Bauch genommen und die Überschrift gelesen. Danach konntest du gar nicht mehr aufhören zu kichern. Dieses süße Kichern, wo sich deine Stupsnase so niedlich kräuselt. Etwas verwirrt, hatte ich ebenfalls nach dem Artikel gegriffen und die Überschrift gelesen: Mein Sohn bringt keine Freundin mit nach Hause, ist er schwul?

„Schwachsinn.", hatte ich gerummelt und die Zeitschrift in die andere Ecke des Gartens befördert. Du warst sofort aufgesprungen um sie zurück zu holen und hattest dich danach wieder neben mich gelegt. Du warst so vertieft in den Artikel gewesen, dass du wahrscheinlich gar nicht bemerkt hattest, wie ich dich die ganze Zeit beobachtet hatte. Wie du ab und zu kichertest, dich Stirn interessiert in Falten gelegt hattest.

„So interessant?", hatte ich spöttisch gefragt. War aber immer noch von deiner Schönheit gefesselt. Eifrig hattest du genickt: „Lies auch mal."

Also hatte ich mich über deine Schulter gebeugt und deinen Geruch eingezogen. Sonnencreme und dein ewig geliebtes Blumenshampoo. Nach einigen Sekunden hatte ich angefangen zu lesen, doch es so lange heraus gezögert wie möglich. Dann hatte ich mich wieder auf den Rücken gelegt und dich angeschaut.

Ich bin nicht schwul.", sagte ich irgendwann zu dir gesagt.

Ich weiß.", antwortest du mit zur Seite geneigtem Kopf.

Ich nahm all meinen Mut zusammen, richtete mich auf und wollte mich gerade zu dir rüber lehnen, als plötzlich meine Mutter über uns auftauchte.

„Und?", fragte sie neugierig.

„Mama, ich bin nicht schwul.", antwortete ich gequält.

Sicher?", bohrte sie wenig überzeugt nach.

„Sicher.", versicherte ich ihr mit einem kurzen Blick auf dich.

Du hattest immer noch den Kopf schräg gelegt und schautest mich nachdenklich an. Wie sich später herausgestellt hatte, dachtest du noch den ganzen Sommer  lang ich sei schwul...

Doch eine Sache beschäftigt mich jetzt noch. Wenn meine Mutter nicht dazwischen geplatzt wäre, hätte ich dich dann wirklich geküsst? Wären wir dann jetzt zusammen?

Ich hatte bis jetzt noch keinen dritten Anlauf dich zu küssen gewagt. Den ersten hatte ich in der zweiten Klasse gewagt, als...das wieder alles aufzuschreiben, würde zu lange dauern.

Und letzten Endes war das ja eh alles in meinem Kopf und ich muss dir das alles nicht erzählen, da du das hier eh nicht lesen wirst.

Weißt du Valentine, ich habe viele solcher Erinnerungen von dir. Die Erinnerungen von dir sind irgendwie immer bunter, echter als die von den anderen Leuten.

Eben bist du gegangen, mit gekitteten Herzen und viel Eiscreme im Bauch. Ich könnte noch ewig so über dich weiterschreiben doch ich befürchte, dafür reicht mein Kulli nicht mehr aus. Er wird immer heller, ich sollte mir morgen einen neuen kaufen.

Valentine, ich liebe dich so sehr.

Es tut mir leid, dass ich ein Arsch bin.

Vielleicht vermache ich dir diese Briefe, wenn ich sterbe, damit du endlich weißt, was ich wirklich gedacht und gefühlt habe.

Mal sehen. Wie gesagt, vielleicht.

Valentine, ich liebe dich.

L.

(K)ein LiebesbriefWo Geschichten leben. Entdecke jetzt