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Luke,

mein bester Freund, es tut mir so leid. Es tut mir so unglaublich leid! Ich habe nie etwas davon gewusst, nichts geahnt, wie du gewusst hattest. Wahrscheinlich hätte ich es auch nie rausgefunden, wenn heute nicht Mathe ausgefallen wäre. Da wir doch verabredet gewesen waren, war ich schon zu dir gefahren, um auf dich zu warten. Deine Mutter hatte mich rein gelassen und mir gesagt, ich könne in deinem Zimmer auf dich warten, wenn ich wollte. Also war ich hochgekommen und hatte mich auf dein Bett geschmissen. Dabei waren Blätter zu Boden gesegelt. Nichts ahnend hatte ich sie aufgehoben.

Oh Luke, es tut mir so leid! Ich hoffe ich mache es mit meinen Entschuldigungen nicht noch schlimmer als es ist.

Als ich die Blätter aufhob, hatte ich festgestellt, dass es Briefe waren.

Briefe an mich. Neugierig, wie ich es nun mal eben bin, hatte ich angefangen zu lesen. Doch die Inhalte hatten mich stutzig gemacht. Gerade, als ich fertig mit lesen war, war die Tür aufgeflogen und du hattest völlig außer Atem im Zimmer gestanden. (Du musst die Treppe hoch gerannt sein, Kondition war noch nie deins gewesen.) Und so standest du da, außer Atem, mit deinen weit aufgerissenen grünen Augen, die ich besser kannte, als meine eigenen.

„Nein.", hattest du geflüstert, so leise, dass ich dich beinahe überhört hätte. Doch ich hatte dich gehört und ich war zusammen gezuckt, weil so viel Verzweiflung in deiner Stimme gelegen hatte.

„Luke, ich-", hatte ich versucht zu erklären, doch du hattest nur die Hand gehoben und dich auf deinen Schreibtischstuhl fallen lassen.

Ich hatte noch mehrfach versucht mit dir zu sprechen, doch du hast mich die ganze Zeit über ignoriert. Das hast du noch nie getan.

Irgendwann war ich aufgestanden, hatte dir die Briefe, wie ein Friedensangebot hingehalten und gewartet. Du hattest sie ohne ein Wort genommen und dann wieder auf den Boden gestarrt.

Ich hatte mir von deinem Schreibtisch einen Kulli und ein Blatt Papier genommen und angefangen, die diesen Brief zu schreiben. Ich weiß nicht, ob du diesen Brief jemals lesen wirst oder mit mir reden wirst, doch ich möchte es wenigstens versucht haben.

Luke, es tut mir leid.

Luke, noch nie hat jemand so wunderschöne Dinge über mich gesagt.

Luke, es tut mir so leid. Ich liebe dich doch auch. Aber nicht so wie du es dir wünscht. Ich liebe dich als meinen besten Freund. Ich komme mir dumm vor, dass ich es all die Jahre nicht bemerkt habe. Ich komme mir wie die letzte dumme Kuh vor, weil du so Recht hast, mit all den Typen. Und ich bin so darüber verwundert, wie romantisch du bist, dass du mir die Rose geschenkt hast, hätte ich nie vermutet. Dass du dir überhaupt gemerkt hast, was ich dir erzählt habe, finde ich schon so unglaublich toll.

Verdammt, mir kommen die Tränen, und du weißt ja wie sehr ich es hasse vor anderen Leuten zu weinen. Warum musst du mich gerade jetzt angucken? Ich denke, dass beste für uns beide wäre, wenn ich jetzt gehen würde. Doch ich will nicht gehen. Das hätte so eine schreckliche Endgültigkeit. Es fühlt sich so an, als ob, wenn ich jetzt gehen würde, ich nie wieder zurückkommen kann. Du hast Recht, das Wort nie, erzeugt wirklich einen Nachhall im Kopf. Vielleicht, wenn ich und du und kein anderen Mensch auf dieser Welt sich jetzt nicht bewegen würde, könnte ich die Zeit zurück stellen, und nie diese Briefe finden. Schämst du dich dafür, in mich verliebt zu sein, oder warum schaust du mich nicht mehr an?

Oder hast du Angst vor meiner Reaktion?

Ach Luke, es tut mir so leid.

Weißt du, ich war auch mal in dich verliebt gewesen. Das war in der siebten Klasse gewesen und ich hatte die ganze Zeit gedacht, dass du in Vivien verliebt gewesen warst. Ich hatte damals in deinem Block einen Zettel, mit ganz vielen Herzen und V's gefunden. Damals und noch bis vor einer Stunde, hätte ich nie gedacht, das diese V's für meinen Namen standen. Valentine. Nachdem ich diese Seite gefunden hatte, war mir das Herz gebrochen. Wie musstest du dich dann erst gefühlt haben, als ich meine Freunde angeschleppt habe?

Ich weiß nicht, ob ich es mit meiner kleinen Erinnerung besser gemacht habe...

Falls es dir danach schlechter gehen sollte, tut es mir leid.

Ich weiß nicht, wie oft ich mich noch endschuldigen soll, bis es mir besser geht.

Bis es dir besser geht. Es tut mir leid, dass ich so eine egoistische Kuh war. Die ganzen Jahre, du hast vollkommen Recht. Du warst immer da für mich. Ich habe es nur als allzu selbstverständlich hingenommen. Weil du schon so gut wie jeden Tag bei mir warst.

Ich denke immer noch, dass es das Beste für uns beide ist, wenn ich gehe, und wir beide uns ein paar Tage Zeit lassen, um das alles zu verdauen.

Wenn du das hier liest, habe ich schon längst meine Sachen zusammen gepackt, habe dir einen Kuss auf die Wange gegeben und bin gegangen. Ich hoffe es war nicht aus deinem Leben, sondern nur aus deinem Zimmer und deinem Haus.

In Liebe,

Valentine

(K)ein LiebesbriefWo Geschichten leben. Entdecke jetzt