Kapitel 2

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"Tadaa, siehst du? Er lebt noch...sogar ganz ohne Verletzungen und alles!", verkündete ich stolz, etwa fünf Stunden später vor der Schule und hielt meiner besten Freunden Roxy feierlich Herbys Käfig entgegen. Sie nahm ihn mir lachend ab und umarmte mich fest.
"Ich hab meinen kleinen Idioten so vermisst", kicherte sie währenddessen und strahlte mich an.
"Ach wirklich? Letztens hast du noch gesagt es nervt dich zu Tode wenn er mitten in der Nacht mit seinem Hamsterrad fahrt...", erwiderte ich stirnrunzelnd. Auf Roxys Gesicht erschien ein breites Grinsen.
"Mit dem kleinen Idioten hab ich eigentlich auch dich gemeint, Schatz", Lachend und hakte sich bei mir ein.
Na das war mal wieder nett gewesen, ne...
Gemeinsam betraten wir die Schule und kämpften uns, mehr oder weniger brutal, durch die Schülermassen zu unseren Spinden durch.
Als ich meinen aufschloss schlug mir sofort ein absolut penetrant ekelerregender Gestank entegegen und ließ mich angwidert ein paar Schritte zurück taumeln.
"Was ist?", fragte Roxy, die neben mir aufgetaucht war, doch als der Geruch nun auch sie erreichte rümpfte sie ebenfalls die Nase. Dann fiel ihr Blick auf etwas in meinem Spind und sie streckte die Hand danach aus.
"Igitt, was ist das?" Mit geekelter Miene hielt sie mir einen Pappteller entgegen auf dem ein mit grünlichem Pelz bewachsenes braunes Häufchen lag. Ich schnupperte einen Moment daran und sofort stieg mir das Frühstück aus den Tiefen meines Magens wieder in Richtung meines Halses hoch.
"Ich glaub, das war mal mein Schokomuffin...", fiel mir dann plötzlich ein und Roxy verdrehte stöhnend die Augen.
"Und du hast den ernsthaft über die Ferien hier vergessen? Du bist echt grindig, Julie", meinte sie kopfschüttelnd, warf den Teller mitsamt Inhalt in den nächsten Mistkübel, bevor sie anschließend eine Rießenladung Parfum in meinen Spind und vorsorglich auch noch ein paar Meter drum herum und schließlich auf sich selbst sprühte.
Ich biss mir schuldbewusst auf die Lippe und wandte mich wieder meinem, nun nicht mehr stinkenden, Spind zu.
Ganz ehrlich, ohne Roxy wäre ich wahrscheinlich nicht lebensfähig. Sie sorgte dafür, dass ich nicht komplett verwahrloste oder vor irgendwelche Autos rannte und hatte mich auch schon mehrere Male davor gerettet in diverse Straßengraben, Pools oder Brunnen zu fallen.
Aber das war eben ich. Die chaotische, vertäumte, tollpatschige Julietta Graves...die leidergottes auch als Schulschlampe Nummer 1 galt.
Ein Blick über die Schulter und ich merkte auch schon wie mich wieder mal ein paar Jungs angafften, sich gegenseitig angrinsten und dann miteinander tuschelten.
Ich musste sie gar nicht hören, um zu wissen, was sie redeten. Es war immer dasselbe.
Entweder sie erzählten sich irgendwelche erstunken und erlogenen Gerüchte über mich oder sie spekulierten mit wem ich wohl als letztes im Bett gewesen war...was dann wiederum zu den Gerüchten führte...
Das dumme an der Sache war nur, dass ich in Wirklichkeit absolut keine Schlampe war...
Nicht mal annähernd! Ich meine, ich war ungeküsst und hatte schon gar keinen Sex mit irgendwem gehabt.
Doch den Ruf hatte ich trotzdem. Und zwar dank einer Bitch namens Nicole, die vor etwa zwei Jahren auf die geniale Idee gekommen war, herumzuerzählen ich hätte mit meinen damals gerademal 14 Jahren bereits mit 10 Typen gepennt und mir damit innerhalb einer Woche das konplette Schulleben zerstörte...warum auch immer...
Und wie es immer war, glaubten ihr natürlich alle und ich war bei den Mädchen sofort unten durch und wurde von den Jungs andauernd dumm angemacht.
Und genau desswegen hasste ich diese Schule und wäre ohne Roxy wahrscheinlich gar nicht mehr hingegangen.
Seufzend nahm ich einen Stapel Bücher auf den Arm und wollte einen Schritt zurücktreten um nach meiner besten Freundin zu sehen, als ich mit voller Wucht in jemanden hineinkrachte und volle Kanne auf den Boden flog, wobei sich meine Bücher in einem hohen Bogen im ganzen Gang verteilten.
Fluchend rieb ich mir den Hintern, sah auf und blickte direkt in die meerblauen Augen des mit Abstand schärfsten Typen der ganzen Schule.
Und vermutlich auch der ganzen Stadt.
Finn Sewell.
18 Jahre, Footballkapitän, hammer beliebt, hammer Körper, hammer Gesicht, das ganze Klischee halt...und einen scheiß Charakter vom Feinsten.
Er grinste fies und sah mich von oben herab so spöttisch und arrogant an, dass ich ihm schon alleine wegen diesem Blick am liebsten gleich hier und jetzt eine reingehauen hätte. Nichts Besonderes, diesen Drang hatte ich öfter bei ihm.
"Pass das nächste Mal besser auf, wo du hinrennst, Graves...", meinte er, so laut, dass es auch ja alle hören konnten.
Meine Wangen fäbten sich sofort scharlachrot und in meinem Blick lag der blanke Hass.
Wenn es einen Menschen auf dieser Erde gab, den ich mehr hasste als Nicole, dann war es eindeutig dieser Arsch, der da gerade vor mir stand.
"Wie wärs, wenn du dich mal um deinen eigenen Scheiß kümmerst, Finnley?", fauchte ich zur Antwort, rappelte mich, mehr oder weniger sexy vom Boden auf und klopfte mir den Staub von der Hose. Na ne Reinigungskraft hatte das Schulgebäude während den Ferien wohl nicht von innen gesehen...
Sein Blick wurde eisig. "Sag noch einmal diesen Namen und ich polier dir die Fresse, Kleine", knurrte er dann, während ich mir nur ein süffisantes Lächeln abrang.
Jeder hier wusste, dass er seinen vollen Namen abgöttisch hasste...und ich war so ziemlich die Einzige, die das einen Scheiß interessierte.
"Ist das eine Drohung? Ich wusste gar nicht, dass du jetzt auch Mädchen schlägst, Finnley", ätzte ich und merkte wie er bedrohlich näher kam.
"Tu ich auch nicht...Aber bei dir mach ich da vielleicht eine Ausnahme", antwortete er leise und rückte mir immer weiter auf die Pelle bis seine Brust fast die meine berührte.
Ok, jetzt wurde es langsam wirklich etwas ungemütlich.
"Kannst du bitte etwas Abstand halten, Sewell? Sonst glaubt noch wer da läuft was und auf das Gerücht kann ich wirklich verzichten"
Finn grinste. "In Wahrheit stehst du doch total drauf, oder?"
"Ob dus glaubst oder nicht...nein tu ich nicht. Du bist nämlich nicht ganz so geil, wie du dich vielleicht fühlst, mein Lieber", antwortete ich und legte so viel Verachtung in meinen Blick und meine Stimme wie nur möglich.
Von ihm kam nur ein leises Lachen, als er die Hand hob und mir langsam mit dem Handrücken über meine Wange stich. Eine Schrecksekunde starrte ihn einfach nur entgeistert an. Dann schlug seine Hand eilig weg.
Doch trotzdem konnte ich nicht verhindern, dass meine Haut sofort heiss wurde, da wo er mich berührt hatte. Und diese Tatsache machte mich noch wütender.
"Ach komm schon, Graves...wie wärs, wir beide, nackt und schwitzend in meinem Bett während du meinen Namen stöhnst?", raunte er mir nun mit einem dreckigen Grinsen im Gesicht zu.
Es passierte nicht oft, aber er schaffte es immer wieder mich Sprachlos zu machen.
So viel Frechheit musste ein Mensch einmal besitzen!
"Du bist so widerlich, Finnley", brachte ich schließlich doch noch angewidert heraus und versuchte die Vorstellung von dem was er gerade gesagt hatte wieder aus meinem Gehirn zu verbannen.
Es gelang nicht.
Sein Grinsen wurde wieder spöttisch und mir war klar, dass jetzt etwas Gemeines kommen würde. Mal wieder.
"Tu nicht so, Graves. Du machst es doch sowieso mit Jedem, also warum so zickig?"
Tja, mal wieder Recht gehabt...
Ich reckte das Kinn und funkelte ihn wütend an.
"Tja, Finnley, aber sogar ich hab meinen Stolz, also kannst du das mit uns in irgendeinem Bett schon mal streichen...und jetzt geh mir aus dem Weg, ich glaub ich kotze wenn ich noch länger neben dir stehn muss", sagte ich ruhig und drängte mich unsaft an ihm vorbei zurück zu Roxy, die mittlerweile meine Bücher aufgesammelt und das ganze Schauspiel mit großen Augen mitverfolgt hatte.
Kochend vor Wut hakte ich mich bei ihr ein und stolzierte hoch erhobenen Hauptes den Gang entlang.
Kurz vor der nächsten Ecke wandte ich mich jedoch noch einmal um und bemerkte Finn, der mir schmunzelnd nachsah.
Gott, wie ich diesen Typen hasste!

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