Kapitel 14

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In meinem Zimmer tat ich das einzige, was mir in diesem Moment hätte helfen können.
Ich rief Roxy an.

Sie meldete sich gleich nach dem zweiten Klingeln.

"Hey,  Jules. Was gibts?" Sie klang fröhlich und gut gelaunt. Wie immer. "Finn  hat mich gefragt ob er mich küssen soll", erzählte ich ohne Umschweife  und am anderen Ende der Leitung herrschte kurz Stille.

"Finn? Finn  Sewell?!", kam es dann aufgeregt von ihr und ich konnte förmlich spüren,  wie sie gerade die Augen weit aufriss.

"Ja"

Wieder einen Moment Stille  und ein kurzes Türenschlagen im Hintergrund.

"Rühr dich nicht vom  Fleck, ich bin in fünf Minuten da", keuchte Roxy in den Hörer und ich  konnte hören, wie ihre Füße über den Kiesweg liefen.

Wirklich, fünf  Minuten später sprang meine Zimmertür auf und eine knallrote, nach Atem  ringende Roxy kam hereingestürmt, sah mich an und und erstarrte.
"Das  ist sein Tshirt, Julie! Oh mein Gott, du trägst SEIN Tshirt!", quiekte  sie und hüpfte, ziemlich abgedreht durch mein unordentliches Zimmer. Ich seufzte und vergrub das Gesicht in den Händen. Warum hatte  ich den Dreck nicht einfach schon vor der Haustür ausgezogen?

"Roxy bitte...es ist nicht das was du glaubst...er ist immer noch ein Arsch"

"Aber  er hat dich gefragt ob er dich küssen darf!", rief Roxy, so laut, dass  man es hundertprozentig bis ins Wohnzimmer gehört hatte...also bis zu meinen Brüdern.

"Nein, er hat gefragt, ob er mich küssen SOLL...ich  erklärst dir gleich, aber jetzt sei BITTE leise...meine Brüder sitzen  im Wohnzimmer", zischte ich mit einem hektischen Blick zur Tür.  Sie  nickte und ließ sich daraufhin neben mich auf mein Bett fallen.
"Also?", bohrte sie dann nach und sah mich erwartungsvoll an.

Und ich erzählte ihr alles. Vom Musical über die bescheuerte Bedingung, die  Stumpfhosen, das nasse Tshirt, von meinem Ausbruch bei dem  ich ihm alles über mein Schlampendasein erzählt hatte bishin zu seinem  Kussangebot im Auto.
Als ich geendet hatte starrte Roxy mich mit weit aufgerissenen Augen ein paar, unerträglich stille, Sekunden einfach nur an.

"Du  hast vor mit FINN SEWELL zu schlafen?! Nur für ein verdammtes Musical?!  Das ist krank, Julie! Eifach nur krank! Wie kann dir eine scheiß Aufführung nur so wichtig sein? Ich meine du verschenkst dafür  deine Jungfräulichkeit an den notgeilsten Hurenbock der Schule!  Wie...wie kannst du das machen?!", zeterte Roxy, die vom Bett aufgesprungen und angefangen hatte in meinem Zimmer auf und ab zu schreiten.

Ich  seufzte. "Siehst du? Genau desswegen wollte ich es dir eigentlich nicht  erzählen" Sie blickte mich verletzt und erschrocken an und sofort tat  es mir wieder leid, dass ich das gesagt hatte.
"Du wolltest es mir  nicht erzählen? Aber...ich bin deine beste Freundin...", jammerte  sie und ich schloss, zum Himmel nach Gnade betend, für einen Moment die  Augen.
"Bist du ja auch! Aber in dem Sinne verstehst du mich eben nicht!", versuchte ich zu erklären und Roxy schniefte.
"Dann erklärs mir!"
Ich atmete einmal tief durch. "Ok, also schau mal...dieses Musical...es ist wirklich verdammt wichtig für mich...wenn es diesem Direktor von der Schauspiel-Musikschule gefällt, dann ist das DIE Chance für mich! So eine bekomm ich nur einmal im Leben, Roxy...und wenn ich dafür mit Finn Sewell schlafen muss, dann ist es  eben so..." Bei jedem Wort wurde meine Stimme leiser und letztendlich  verstummte ich, mit dem Blick auf einen Kleiderhaufen am Boden geheftet. 

Roxy ließ sich schweigend wieder neben mir nieder und legte den Arm um meine Schulter.
"Ok...von mir aus...aber wenn er dir noch weiter auf die Pelle rückt oder dich  danach hängen lässt oder dir auf irgendeine Weiße wehtut, dann hack ich  ihm den Schwanz ab!"

Ich lächelte und umarmte sie stürmisch.
„Bist die Beste", verkündete ich währenddessen liebevoll und Roxy lachte.
"Ich  weiß. Sooo...und jetzt erzähl mal wer das dunkelhaarige Schnittchen da  in eurem Wohnzimmer ist", kicherte sie und wackelte mit den Augenbrauen.

"Ich denk mal, das wird Charly sein", antwortete ich grinsend und Roxy pfiff leise und anerkennend durch die Zähne. "Charly also...ich muss schon sagen...der Junge hat was", meinte sie dann und sah mit  schwärmerischen Blick auf die Decke.

Ich lachte. "Dann geh doch raus und setz dich zu ihm...ich glaub er ist single"
Wie erwartet schüttelte Roxy entschieden den Kopf. "Vergiss es. Ich will keinen Freund, das weißt du doch"
"Ja  ich weiß...auch wenn ichs immer noch nicht ganz verstehen kann",  seufzte ich kopfschüttelnd und stand auf, lief unruhig in meinem Zimmer  auf und ab und versuchte nicht an diese Sache mit dem Freund zu denken.
Irgendwie  überkam mich dann immer so eine Art Panik. Ich meine, ich war 16 und  hatte noch nie was mit einem Jungen gehabt...war das normal? Was stimmte  mit mir nicht, dass mich keiner wollte? Außer...Finns Gesicht tauchte  vor meinem inneren Auge auf. Doch ich vertrieb den Gedanken an ihn  schnell wieder.

Finn wollte nur mit mir schlafen...er wollte nicht MICH...niemand wollte mich...
Wütend  und frustiert trat ich heftig gegen einen Kleiderhaufen auf meinem  Boden und schleuderte Roxy somit aus Versehen einen Socken mitten ins  Gesicht.
Okay, vielleicht war ja genau das der Grund...ich war einfach zu unfähig für die Männerwelt.

Roxy runzelte die Stirn über mein betrübtes Gesicht und fischte sich, etwas angewidert, die Socke aus dem Gesicht.
"Was ist los, Jules?"
Ich  zuckte mit den Schultern. Ja...was war wirklich los? Warum war ich so  frustriert darüber, dass Finn Sewell nicht mich, sondern nur eine heiße  Nacht mit mir wollte?
Ich mochte ihn doch nicht mal...
"Julie? Geht's dir nicht gut?",  fragte Roxy erneut, doch ich schüttelte nur den Kopf und lächelte matt.

"Nein, alles in Ordnung...hab nur grad nachgedacht"

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