Kapitel VIII

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„Zombies sind in der Nähe", murmelte Benjamin und besah das tote Reh.

Ich nickte. Meine anfängliche Vermutung, der Wald sei sicherer als das Dorf, schien sich also nicht zu bestätigen.

„Du bleibst hinter mir. Leine den Hund wieder an. Und sei wachsam." Ich verstärkte meinen Griff um den Baseballschläger. Es behagte mir nicht, dass Benny keine Waffe dabei hatte. Sobald wir aus diesem Baumlabyrinth raus wären, würde ich nach einer geeigneten Waffe für ihn Ausschau halten. Aber dafür mussten wir zuerst den Wald durchqueren.

Wir rasteten nur selten und kamen gut voran. Allerdings war ich mir unserer Position auf der Karte nicht mehr so sicher, wie es gut gewesen wäre. Davon erzählte ich meinem Bruder nichts. Wenn wir bald auf einen Fluss stießen, dann wäre unser Standort ohnehin wieder gewiss. Allerdings vergingen weitere Stunden und schließlich Tage ohne auch nur die leiseste Andeutung auf Wasser. Unsere Lebensmittel wurden knapp und die Nächte waren lang und kalt. Schon bald hatte ich die Nase voll von Bäumen und Laub und sehnte mich nach einer asphaltierten Straße und einem Dach über dem Kopf.

Die Notration die ich für meinen Bruder beiseite gelegt hatte, machte sich bezahlt. Seine Dosen waren aufgebraucht, sogar das Katzenfutter, von dem ihm anfänglich schlecht wurde. Ich hatte noch eine Dose für mich und zwei für ihn aufbewahrt, von denen wir jetzt aßen. Doch nach einer Weile waren auch diese leer und wir mussten uns auf hungrige Zeiten einstellen. Ich hatte ihm alles an Essen überlassen, was noch übrig war. Doch jetzt konnte auch ich ihm nicht mehr helfen.

„Wir haben uns verlaufen, stimmt's?", fragte Benny resigniert.

Baileys war der einzige, dem es noch halbwegs gut zu gehen schien, da er irgendwelche Dinge im Laub aufstöberte und auffraß. Ich wollte gar nicht so genau wissen, was es war, denn von Gewölle bis Kot konnte das alles sein. Aber wenn wir nicht bald auf Wasser stießen, würde es auch dem Hund nicht besser als uns ergehen.

Als wir wieder eine Rast einlegten, wühlte ich mit den Händen im Laub herum.

„Was machst du da?", wollte mein Bruder wissen. Seine Stimme klang sogar schon ausgetrocknet. Ich leckte mir über die spröden Lippen, antwortete jedoch nicht. Dann fand ich, wonach ich gesucht hatte. Zwei kleine, glatte Steine. Ich wischte mit dem Daumen grob den Dreck weg und gab meinem Bruder einen davon. Den anderen behielt ich.

„Leg den unter deine Zunge", befahl ich.

„Was? Wiso?", fragte Benjamin bestürzt.

„Das hilft gegen den Durst. Hab ich mal im Fernsehen gesehen. Jetzt mach schon!", erklärte ich ihm.

Er sah mich noch einen Moment mit diesem Ist-das-dein-Ernst-Blick an, kam dann aber meiner Aufforderung nach. Auch ich steckte mir den kleinen Stein in den Mund. Baileys sah uns interessiert dabei zu. In mir kam die Frage auf, wie Hundefleisch wohl schmecken würde. Ich erschrak über diesen Gedanken und verbat mir, jemals wieder etwas in diese Richtung zu denken. So schlimm waren wir nicht dran. Noch nicht.

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Benny stolperte immer wieder. Ich fürchtete mich davor, dass erirgendwann nicht wieder aufstehen würde. Er stützte sich auf Baileys beim Aufrichten. Wir kamen nur noch schleppend voran. Daran, dass wir uns verlaufen hatten, bestand jetzt kein Zweifel mehr. Ansonsten hätten wir schon vor Tagen einen Fluss erreichen müssen. Ich wusste nicht einmal, ob wir in eine Richtung weitergingen oder uns im Kreis bewegten. Es fiel mir schwer, den Baseballschläger zu halten, ohne dass er mir aus der Hand fiel. Aber wenn wir jetzt aufgeben und stehen bleiben würden, würden wir unser Todesurteil unterschreiben. Wäre ich alleine gewesen, hätte ich das vielleicht getan. Aber ich hatte ja meinen Bruder. Ich würde ihn bis an den Rand dieses Waldes tragen falls nötig, das war gewiss.

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