№ 001: Der „Urlaub"

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Michael Sembello - Maniac


Als mein Wecker klingelte, fegte ich ihn einfach mit einem „Halt deine Fresse" von meinem Nachttisch herunter. Der dumpfe Klang war mir dabei herzlichst egal. Ich wollte einfach nur schlafen und mich weiter in meine warme Bettdecke kuscheln. Vor allem im Winter tat ich mir sehr schwer aufzustehen, da es meistens immer dunkel war, und wenn ich ehrlich war, konnte ich darauf sehr gerne verzichten. In der Schule war ich sowieso gut, also konnte ich ja heute liegen bleiben.

„Der heutige Freitag wird wunderschön! Es wird maximal fünf Grad haben, aber die Sonne kommt heraus und lacht uns an! Was für ein toller Start in das Wochenende! Bruce, was meinst du?", schrie mein Radiowecker. Ich kannte mich schließlich, aber die Meinung von Mister Bruce interessierte mich nicht wirklich also sprang ich, mit großer Mühe, aus meinem Bett und schaltete den Störenfried aus. Die Müdigkeit machte sich in meinem ganzen Körper breit und ich hatte riesige Schwierigkeiten meine Augen offenzuhalten. Mein Kopf tat weh – er schmerzte immer wenn ich aufstand – und die Sonnenstrahlen blendeten mich, sodass ich meine Augen müde zusammenkniff. Blöde Sonne.

Nachdem ich gefrühstückt hatte und fertig für die Schule war, machte ich mich auch schon auf den Weg. Ich ging meistens immer zu Fuß. Ich hatte es zwar nicht wirklich nahe zur Schule aber die Öffentlichen Verkehrsmittel wollte ich nicht verwenden. Dadurch, dass ich eigentlich sehr schnell ging, wurde ich auch etwas wacher. Ich konnte aber das müde Gähnen nicht vermeiden. Ich freute mich absolut nicht auf diesen Tag. Ich war einfach nur müde und wollte in mein Bett. Resigniert seufzte ich.

In der Schule angekommen sah ich zuerst auf den Supplierplan, auf welchem mal wieder die ganze Schule stand, aber ihr werdet nicht erraten wer es nicht drauf geschafft hatte. Genau, unsere Klasse. Wie immer. Ich stöhnte innerlich auf, als ich an die ganzen Stunden dachte, die mir bevorstanden. Ich will in mein Bett zurück.

„Wuhuuuu, Chloé!!", schrie mir Lucy in mein Ohr und umarmte mich stürmisch. „Letzter Tag vor den Ferien, juhu!" Ich erschrak, doch als ich die Stimme zuordnen konnte zwang ich mir ein müdes Lächeln ab. Irgendwie verbesserte sich meine Laune immer, wenn ich Freunde sah, und ich wollte nicht mehr schlafen. Okay, streicht das, ich wollte mich noch immer in meine Decke kuscheln.

Aja, morgen waren Ferien.

Ach Mist.

Ich freute mich, dass ich auf Urlaub fuhr, aber ich freute mich absolut nicht, weil ich wusste mit wem ich das tun würde. Allein wenn ich daran dachte schlug mein Herz schneller und ich wurde ganz nervös. In meinem Hals war plötzlich ein großer Klumpen und ich erwischte mich sogar beim Zittern. Es war nicht schlimm, aber nervös war ich sehr. Alles begann damit, dass ich mich verliebte. Die böse Liebe war mal wieder im Spiel. Also, ich verliebte mich, und zwar in einen zwei Jahre älteren Jungen. Ich war damals vierzehn und er war sechzehn, wurde aber jedoch im November siebzehn. Das tat trotzdem nichts zur Sache. Wir lernten uns in der Oper kennen, da wir nebeneinander saßen, und ich wollte ich mir sein Programm von ‚Romeo und Julia' ausborgen. Wir verstanden uns auf Anhieb sehr gut und irgendwie fühlte ich mich in seiner Nähe anders. Ganz anders. Am nächsten Tag sah ich ihn dann aber in der Schule wieder und so nahm alles seinen Lauf. Wir beide hatten eine Unverbindliche Übung gemeinsam. Wir trafen uns immer öfter und auch über die Sommerferien brach der Kontakt nicht ab. Seine Nähe verursachte Schmetterlinge in meinem Bauch und Herzklopfen. Manchmal, als ich ihn heimlich beobachtete, blieb mein Herz stehen. Es fühlte sich jedenfalls so an. Unsere Eltern dachten wohl, dass wir so gut wie zusammen waren, also hatten sie einen gemeinsamen Skiurlaub gebucht. Im Dezember ging plötzlich alles bergab: Er begann immer weniger mit mir zu reden, wir sahen uns nur in der Schule. Ich weiß bis jetzt noch immer nicht, wieso. Vielleicht wegen seiner Vorwissenschaftlichen Arbeit oder der baldigen Matura, aber er hätte doch etwas sagen können? Jedenfalls lebten wir uns immer mehr auseinander – meine Gefühle verblassten, und das nur in zwei Monaten. Eigentlich hatte ich gedacht, ich würde für immer traurig sein. Ich war am Ende – irgendwie – und wollte es nicht wahrhaben. Mein Herz schmerzte immer als ich an ihn dachte und ich fühlte mich immer so schlapp und ohne Energie. Doch es hatte einen (für mich damals nicht nachvollziehbaren) positiven Aspekt: ich begann mehr für meinen Traum zu leben. Ich übte mehr und gab mich voll und ganz der Musik hin, damit ich nicht an ihn denken musste. Meine Klavier- und Gesangslehrerin lobte mich immer mehr und tat es noch immer. Leider hatten unsere Eltern es nicht geschafft, den Urlaub zu stornieren, und tja, jetzt stand ich wo ich stand und ‚freute' mich unglaublich darauf. Schon wieder wurde ich nervös und vergaß fast zu atmen.

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