№ 006: Ralf und Rita

59 7 10
                                    

Kygo - Firestone


Jonas zu fragen, ob ich nicht bei ihm sitzen könnte, war eine der besten Entscheidungen meines Lebens. Es gab einfach solche Personen, die man nur ansehen brauchte, und sofort bekam man gute Laune. Man verstand sich so gut, dass man Jahre miteinander verbringen könnte, ohne das einem langweilig werden würde.

Ich hatte mich, ehrlich gesagt, sowieso schon öfters gefragt, wieso Jonas und ich nicht einfach Geschwister sein hätten können. Aber es war auch schön, ihn nur als besten Freund zu haben. Wahrscheinlich wäre er mir als Bruder zu oft auf die Nerven gegangen.

Als ich Luke's Eltern gefragt hatte, ob ich mich umsetzen dürfte, hatten sie zugestimmt. Ich zögerte jedoch kurz, meine kleine Schwester alleine zu lassen, doch sie sagte mir, dass ich mir keine Sorgen machen müsse. Luke schaute kein einziges Mal auf. Sein Blick war auf den Teller gerichtet und er aß ganz still weiter, so, als ob es mich nicht geben würde. Sein Verhalten in letzter Zeit war sowieso fraglich, also machte ich mir, in diesem Moment, keine Gedanken darüber.

Der Tisch von Jonas war am anderen Ende des Saales, und, zu meinem Pech, nicht an einem Fenster platziert. Der positive Aspekt war, dass ich ohne Umstände auf den Tisch sehen konnte, an dem meine Schwester saß. Der Nachteil war, dass ich Luke – wohl oder übel – ansehen musste. Es war einfach wie verflucht. Konnten wir nicht wie eine normale Familie Urlaub machen und vielleicht neue Leute kennenlernen? Wie kam man überhaupt auf die Idee so einen Urlaub zu buchen?

In meinen Gedanken schmunzelte ich, als ich mich daran erinnerte, dass ich mich vor ein paar Monaten riesig gefreut hatte. Luke war auch begeistert gewesen.

Und nun: seht was aus uns geworden ist – wir machten gemeinsam Urlaub, saßen an zwei verschiedenen Tischen und schafften es nicht einmal, normal miteinander zu reden.

Stopp, ich sollte froh sein, dass ich überhaupt auf Urlaub fuhr. Es würde schon nicht so schlimm werden.

„Ach du meine Güte...", murmelte Jonas gegenüber von mir, während er zwei aneinandergeklebte Pommes auf seiner Gabel genauestens beobachtete und hin und her drehte, „Die zwei machen den Liebesakt."

Ich grinste und erwiderte nur: „Du hast sie doch sowieso schon getötet."

Jonas schaute mich gespielt grimmig an und schmollte: „Lass mir meine Fantasien! Ich bin noch jung." Dann nahm er die Gabel und aß beide Pommes.

„Neeeein!", sagte ich gespielt geschockt und legte meine Hand auf die Stelle, wo mein Herz war, „Du hast Ralf und Rita gegessen." Ich zeigte mit meiner Gabel auf ihn: „Wie konntest du nur."

Jonas grinste, zuckte mit den Schultern und begann seine Pommes genussvoll mit den Fingern zu essen (natürlich machte er das absichtlich). Katrin, seine Mutter, schaute ihn nur an. Sie war es gewohnt von ihrem Sohn so etwas zu sehen. Jonas' Mum war wirklich super; man könnte meinen, sie wäre selber noch eine Jugendliche: Ihre dunkelbraunen Haare sahen selbst heute schön aus und ihre braunen Augen waren voller Leben. Sie könnte wirklich meine zweite Mutter sein. Luke's Eltern waren zwar auch sehr cool, aber die von Jonas kannte ich einfach viel länger und besser.

„Ich bin noch hungrig!", sagte Jonas und schaute alle an, die am Tisch saßen, als sein Teller leer war.

„Dann steh' auf und hol' dir was", antwortete Karin nur, während sie ihre Spagetti aufrollte.

Jonas sah mich bettelnd an, und ich wusste, dass kein Weg daran vorbei führte, nicht mit ihm zu gehen.

~

Nachdem wir vier Nachspeisen verputzt hatten (es gab Crème Brûlée und natürlich haben wir jeweils vier gegessen) stand ich vor dem Aufzug, der zu den Zimmern führte. Es waren alle anwesend: Meine Eltern (inzwischen waren sie auch angekommen), die von Luke, meine Schwester und natürlich ich.

PolaroidWo Geschichten leben. Entdecke jetzt