Kapitel 1- Schule, Folter des Lebens

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Ich hasse Montage. Immer wenn wir Unterricht bei Herr Weichfrau haben ist die eine Hälfte der Klasse entweder mit dem Kotzen oder mit dem Schlafen beschäftigt,die anderen versuchen verzweifelt der Benjamin-Blümchen-Stimme mit schweizer Akzent nicht zu unterliegen.

Am Anfang genoss ich die Stunden mit meinem geliebten Religionslehrer ja noch.Sowohl seine Streicheleinheiten am Ständer des Oberlichtprojektores als auch seine Zungendehnungen, wenn er mal wieder alle 2 Minuten langsam seine Zunge über die Lippe wandern ließ, den Blick starr in die Ausschnitte vertieft, boten eine ziemliche Show dar. Jetzt, nach 2 Doppelstunden, wurde es so langsam langweilig.Auch seine Ricola-Bonbons konnten uns nicht mehr aufmuntern, wenn er uns einen zweideutigen Blick schenkte, und fröhlich rief:

„Heidi, ja sag ma bist ja total erkältet! Du brauchst erstma' nen schweizer 'chräuterchaft, haben wir erfunden!"Bereits zum zehnten mal in dieser Stunde verdrehte ich die Augen und drehte mich zu Brandon. Er zwirbelte nervös seinen Schal zwischenden Fingern, ein blaues, farblich zu seinem eng anliegendem Polohemd passendes Kashmirmodell. Er trug immer teure Sachen, denn seine Eltern waren Biobananenbauern und somit selbsverständlich Multimillionäre, selbst seine Haare waren von einem Starfriseur gestylt und eine Kopie des Justin Biber-Looks.

Ich blickte auf die Uhr . 10 Minutenwaren vergangen, schreckliche, traumatisierende 600 Sekunden. Ich wünschte mir nichts sehnlicher, als das Ende der Stunde.

Doch aufeinmal platze er in den Raum. ER.Ich musste zweimal hinsehen, denn erstand vor der schwarzen Tür. Er trug wie üblich seine schwarze Lederjacke und seine dunkele, wunderschöne Haut war kaum von dem Türlack zu unterscheiden, wäre da nicht das Ockerfarbende seiner Korthose und das strahlende weiß seiner Sclera.Trotz seiner Hautfarbe strahlte irgendwie doch alles an ihm, als er seinen unverkennbar makanten,männlichen, heißen, gepflegten Mund öffnete und die formvollendeten Wörter mit einer solchen Wucht und einer solchen melodischen Stimme aus seinem Mund schmetterte:

„Diggah Herr Weichfrau,seien sie nicht so hart mit mir Mann, nur weil ich schwarz bin!"Sofort reagierte Brandon darauf: „Und Weiß heißt!" Nun ja, Michael konnte nichts für seinen Nachnamen, aber die Disskussion kam jedes Mal auf, wenn er wie üblich zu spät kam. Aber von Brandon hätte ich niemals erwartet, dass er etwas dazu beisteuern und jemandem eine derart rassistische, abwertende Äußerung an den Kopf werfen würde.Empört drehte ich mich zu ihm um. „Das ist ja noch schlimmer als die Diskriminierung glücklicher japanischer Familien" Schockiert strich Herr Weichfrau seine Zunge langsam über seine Oberlippe. „ Brandon, du diskriminierst glückliche japanische Familien? Ich befürchte du hast die moralischen Wertvorstellungen noch nicht begriffen"Jetzt war es Brandon der schockiert aussah.„Aber er ist doch schwarz!'',,Wenn ich mich da einmischen darf ''meldete sich eine weitere, tiefe Stimme zu Wort. Ich drehte meinen Kopf. Luigi Bart, der einzige in unserer Klasse, der ein schon mehrmals wiederholen musste und so schon 20 war, saß zurückgelehnt in seinem Stuhl und zwirbelte auf seine üblich elegante Art seinen Oberlippenbart, der perfekt zu seinem italianischen Teint und seiner schwarzen Lockenpracht passte.Seine kristallblauen Augen sahen erst zu mir dann zu dem schweizer Lehrer:„ Die Ricola Bonbons sind auch schwarz. Möchten sie mir vielleicht einen geben?" Luigi, dieser Typ konnte selbst einen solchen Satz charmant wirken lassen.Herr Weichfrau sah ihn erfreut an. Er liebte 1. Ricola Bonbons, war aber 2. frustriert weil nie jemand einen wollte und ihn 3. nie nach seiner Meinung oder nach überhaupt irgendetwas fragte. Luigi hatte alles getan, was er sich von Schülern wünschte. Herr Weichfrau hob seine Hände dem Himmel dankend entgegen:,,Gott womit habe ich es verdient, einem solchen Italiener meine Bonbons zugeben ? Danke!''Der Satz hätte dramatisch wirken können, hätte Herr Weichfrau nichtmit seiner üblich einschläfernden Art gesprochen, sich bei jedem zweiten Wort mit seiner Zunge über die Lippen gefahren und Luigi einen lüsternen Blick zugeworfen. Doch der nahm den Bonbon nur dankend an, anstatt darauf einzugehen, und verglich ihn mit Michaels Hautfarbe der sich soeben neben ihn setzte. „Also die Farbe des Bonbons ähnelt höchstens die Farbe seiner Korthose. Immer diese Rassissten..." Michael grinste und gab Luigi einen Box in die Rippen sodass er vom Stuhl stürzte. Mir fiel auf wie stark Michael war und ich betrachtete ihn kurz. Seine Brust zeichnete sich unter dem engen Shirt klar ab, und sogar durch die Lederjacke waren seine Oberarmmuskeln zu erkennen. Ich bemerkte, dass ich starrte, und sah schnell weg.

Als Luigi wieder auf dem Stuhl saß führte Herr Weichfrau den Unterricht fort.

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