Kapitel 10

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Ein grausamer Schmerz macht sich in meinem Rücken breit. Auf einem Stahlgitter zu landen ist wirklich nicht sehr bequem, vor allem nicht wenn man nur ein dünnes Top trägt.
„Bist du verletzt?", fragt Loki schon fast panisch. Ich antworte ihm nicht, sondern versuche aufzustehen. Mehr als mich aufrecht hinzusetzen schaffe ich allerdings nicht. Mein Kopf dröhnt während mein linker Arm pulsierend schmerzt. Ich sehe auf meinen Oberarm und entdecke eine tiefere Wunde. Da ich mit meinem Arm direkt auf dem Gitter gelandet bin, hat dieser am meisten abbekommen.
„Hast du sonst noch Verletzungen?", fragt Loki wieder.
„Ich denke nicht", antworte ich ohne zu überlegen. Ich hatte vor wenigen Sekunden noch vor ihn wegen seiner Gleichgültigkeit zur Rede zu stellen, doch nun habe ich es verdrängt. Langsam stehe ich auf und sehe zu Loki, der mir zur anderen Seite des Raumes gefolgt ist.
„Öffne die Zelle", bittet er mich. Denkt er etwa ich bin so naiv?
„Ich werde sie ganz bestimmt nicht-" Ich werde von einem mächtigen Gebrüll unterbrochen. Was zum Teufel war denn das?
„Es ist nun auch an Board", sagt Loki teuflisch grinsend.
„Was meinst du, was war das?"
„Dr. Banner konnte seiner Wut nicht mehr Stand halten", erklärt er mir schadenfreudig. O Gott! Nick und die anderen sind in Gefahr. Samt meiner Verletzung renne ich auf die Tür zu.
„Bleib hier! Du bist da draußen nicht sicher", schreit Loki mir hinterher. Wie auf Knopfdruck bleibe ich stehen und drehe mich zu ihm um.
„War das von Anfang an dein Plan?" Ich gehe näher zu seiner Zelle heran. Er antwortet mir nicht, was eindeutig ja heißen muss. „Wenn Nick oder einer der anderen stirbt, werde ich dir das niemals verzeihen", zische ich gegen die Scheibe. Sollte einer sterben, werde ich ihm das nie vergessen. Ich kann zwar nichts gegen meine Gefühle unternehmen, aber sollte meine Befürchtung eintreten, werde ich mich stärker dagegen wehren. Niemals könnte ich danach mit ihm zusammen sein. Ich kann nur hoffen, dass ich es auch wirklich schaffen würde mich von ihm loszureißen.
„Sie erheben ihre Waffen gegen mich und ich darf mich deiner Meinung nach nicht verteidigen? Das ist lächerlich!", spottet er. Loki zeigt keinerlei Einsicht.
„Du hast begonnen", sage ich kopfschüttelnd. Warum ist er so?
„Glaube mir ich war nicht derjenige, der das alles ins Leben gerufen hat." Erneut wackelt der Hellicarrier, doch diesmal falle ich nicht wieder zu Boden. Hinter ertönt plötzlich ein bekanntes Geräusch. Ich drehe mich schnell um und sehe einen Agent, der auf mich zu schreitet.
„Endlich", sagt Loki, als er den Mann sieht. Ohne mich anzusehen geht der Agent zum Pult und drückt ein paar Knöpfe. Lokis Zellentür öffnet sich. Wie soll man in so einer Situation bitte regieren? Ich habe keinerlei Kampferfahrung oder sonst etwas was gerade nützlich sein könnte. Meine Augen sind immer noch auf den Agenten gerichtet, der stocksteif hinter dem Pult steht.
„Keiner kann mich aufhalten", flüstert mir Loki ins Ohr. Erschrocken drehe ich mich zu ihm um. Wie bereits die anderen Male ziehen mich seine leuchtend grünen Augen erneut in den Bann. Warum nur kann ich diesem Mann einfach nicht widerstehen? Langsam beugt er sich zu mir runter und küsst mich zum ersten Mal seit gestern Mittag. Ohne es zu wollen erwidern meine Lippen den Kuss. So sanft wie seine Lippen sind, könnte man meinen er sei die Unschuld in Person, doch das ist er ganz und gar nicht.
„Du kannst dich mir nicht entziehen, nicht seit gestern", flüstert er in den Kuss hinein und stoppt. Er sieht mir in die Augen und legt mir seine Hand auf die Wange. Gott, das fühlt sich so richtig an. Wieso muss es nur falsch sein? Loki lässt von mir ab und geht zum Agent, der immer noch hinter dem Pult steht und auf Befehle wartet.
„Bring mir mein Zepter", befiehlt Loki. Der Mann geht wieder ohne mich anzusehen an mir vorbei.
„Wenn wir weg sind, werde ich deinen Arm verarzten lassen."
„Weg?", frage ich verwirrt. Ich gehe ganz bestimmt nirgendwo mit ihm hin.
„Von hier aus kann ich keine Armee leiten, dafür müssen wir wo anders hin", sagt er mit angestrengtem Blick auf die Tür.
„Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich dir folgen werde?"
„Dieses Gespräch hatten wir schon." Er kommt mir ganz nah, bis nur noch wenige Zentimeter zwischen uns liegen. „Du gehörst mir Zoe und wo auch immer ich hingehe gehst du auch hin", sagt er mit ernster Stimme. Er ist sich so selbstsicher, dass es mich schon fast einschüchtert. Seine Lippen legen sich langsam auf meine Stirn und hinterlassen einen sanften Kuss.
„Sir, ihr Zepter", unterbricht uns der Agent von gerade eben. Er reicht Loki einen langen Stab mit einem blau-leuchtendem etwas als Spitze.
„Ist der Tesseract an Board?", fragt Loki und stellt sich neben mich.
„Ja, alles ist bereit", antwortet der Agent nickend. Lokis Blick richtet sich auf einmal blitzschnell zur die Tür. Ein Grinsen huscht ihm auf die Lippen. Mit lauten Schritten stürmt ein jemand in den Raum. Thor!
„Nein!" schreit er aus unerfindlichem Grund und rennt auf die Zelle von Loki zu. Ungläubig starre ich zu Loki, der auf einmal in seiner Zelle steht. Wie ist das möglich er steht doch direkt neben mir? Thor rennt auf Loki zu und versucht ihn zurückzustoßen, doch er fällt durch ihn hindurch. Ein Hologramm? Die Tür zur Zelle verschließt sich wieder. Schnell richtet Thor sich wieder auf und sieht hin und her. Loki steht selbstgefällig vor der Scheibe und lacht schälmisch.
„Ob du jemals nicht darauf reinfällst?", fragt er ihn mit verschränkten Armen hinter dem Rücken. Vor lauter Wut wirft Thor seinen Hammer gegen die Scheibe. Prompt entriegelt sich eine Sicherung des Käfigs. Nick hatte mir schon mal davon erzählt. Die Zelle war eigentlich für Dr. Banner gedacht, denn wenn er versucht hätte auszubrechen würde die Zelle in den Abgrund fallen. Sofort hört Thor auf und geht einen Schritt zurück. Loki hingegen lacht.
„Die Menschen halten uns für unsterblich, prüfen wir das doch nach", spottet Loki und bewegt sich auf das Pult zu. Bevor er die Chance hat einen Knopf zu betätigen unterbricht ihn ein Schlaggeräusch. Ich sehe zur Tür und entdecke Phil, der mit einer großen Waffe zu Loki sieht. Gott sei Dank, endlich jemand den ich kenne.
„Treten Sie zurück, bitte", sagt er zu Loki, welcher sich sofort entfernt und einen Schritt zurück tritt.
„Zoe, komm her", befiehlt mir Phil.
„Das wird sie nicht", zischt Loki wütend Phil entgegen und nimmt meine Hand. Er zieht mich ein Stück hinter sich, sodass er sich beschützend vor mir aufbauen kann. Lokis Blick liegt allein auf Phils Waffe.
„Gefällt Ihnen das? Wir haben den Prototype entwickelt, nachdem Sie den Destroyer geschickt hatten. Nicht mal ich weiß, was der kann. Wollen Sie es herausfinden?", fragt Phil und entladet die Waffe. Wie aus dem nichts taucht Loki plötzlich hinter Phil auf und rammt ihm sein Zepter in den Rücken.
„Nein!", schreie ich mit Thor synchron, der vor Wut gegen die Scheibe schlägt. Was hat er getan! Wie konnte er nur? Sofort laufe ich zu Phil, der mit seiner Waffe zu Boden fällt.
„Was hast du getan?", schreie ich Loki entgegen. Er ignoriert mich und geht zurück zum Pult. Tränen über Tränen kullern aus meinen Augen.
„Lauf weg", flüstert Phil und sieht mich schwer atmend an.
„Ich lasse dich nicht allein." Plötzlich fällt hinter mir die Zelle, in der Thor steht,
in die Tiefe. Ich dachte, nachdem ich von seinen Opern hörte könnte mich nichts mehr schocken, doch dass er seinen eigenen Bruder in den Tod stürzen lässt ist widerwärtig.
„ Sie werden verlieren", sagt Phil mit letzter Kraft.
„ Ist dem so?" Loki schreitet auf uns zu, bleibt aber nach ein paar Schritten stehen.
„Es liegt in Ihrer Natur", antwortet ihm Phil.
„Eure Helden sind überall verstreut, eure schwebende Festung fällt vom Himmel. Worin genau besteht mein Nachteil?", fragt Loki belustigt.
„Es mangelt Ihnen an Überzeugung." Phil wird von Wort zu Wort schwächer.
„Ich glaube nicht-", beginnt Loki und kommt näher, doch er wird auf einmal von einem Schuss aus Phils Waffe durch die Wand geschleudert. Mit offenstehendem Mund sehe ich zurück zu Phil.
„Das kann das Ding also", sagt er mit einem kleinen Lächeln.
„Bleib ruhig sitzet, ich werde eine Arzt holen." Schnell stehe ich auf, doch weiter als zwei Schritte komme ich nicht. Lokis Arm schlingt sich um meine Taille und zehrt mich von der Tür weg.
„Wir müssen gehen", sagt er mir ins Ohr.
„Nein, lass mich los!", schreie ich und strample mit den Füßen. Es ist vollkommen zwecklos, denn Loki ist zwanzig Mal stärker als ich. Immer weiter zieht er mich von Phil weg. Er schleift mich durch das Loch, das dank Phil in der Wand ist, raus und zieht mich weiter durch die Gänge des Hellicarriers.
„Loki, lass mich los!", schrei ich weiter. Mit meinen Füßen versuche ich ihn zu treten, doch das bewirkt rein gar nicht. Als wäre ich eine Feder zieht er mich weiter durch die Gänge, bis wir an Deck kommen.
„Loki!", schreie ich ein letztes Mal wütend. Er nimmt seinen Arm von meiner Taille und lässt mich los. Sofort drehe ich mich zu Loki um und schlage ihm mit flacher Hand ins Gesicht. Sein Kopf wird nach links gedreht, während seine Wange errötet.
„Wie konntest du das nur tun?!", schreie ich.
„Er hätte uns beinahe getötet", zischt Loki sauer.
„Phil hätte niemals abgedrückt, er wollte dir nur drohen!" Niemals hätte Phil mich in Gefahr gebracht. Ich stand direkt hinter Loki, da hätte er ganz gewiss nicht geschossen.
„Er hätte es lassen sollen", erwidert er darauf. Mein Haar wird durch starken Wind nach vorne geweht. Ich drehe mich um und sehe einen Jet vor mir, der die Laderampe herunterlässt. Lokis Hand schließt sich um meine Arm und schubst mich voran. Ich weiß, dass es nichts bringen würde, wenn ich versuchen würde abzuhauen, weshalb ich es gleich sein lasse. Nachdem wir im Jet sind schließt sich die Laderampe wieder. Loki setzt sich auf einer der Bänke an den Seiten. Da ich seine Nähe gerade nicht ertragen kann setze ich mich auf die Bank gegenüber von ihm.
„Du wirst nicht ewig sauer sein können", sagt er und durchlöchert mich mit seinen Blicken. Ich reagiere nicht auf seine Aussage. Ich will im Moment nicht mit ihm reden, da kann er so viel sagen wie er will. Wenn Phil seinetwegen tot ist, dann Gnade ihm Gott. Ich kann meine Gefühle für ihn vielleicht nicht abstellen, aber trotzdem kann ich hass für ihn empfinden.
„Irgendwann wirst du mit mir sprechen müssen." Seine Stimme klingt nicht mehr siegessicher wie vorhin, sondern ernst und ein klein wenig verletzt. Dass ich ihn verachte hat er also endlich gemerkt. Solange er sich nicht entschuldigt, oder zu mindestens etwas Reue zeigt, werde ich nicht mehr mit ihm sprechen. Ich hoffe nur, dass er nichts tut wobei ich den Mund aufmachen muss.

Die letzte Sirene - The AvengersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt