Die Veränderung

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Viel zu früh weckte mich das unausstehliche Piepsen meines Weckers. Geübt streckte ich eine Hand unter der Bettdecke hervor und schaltete ihn aus. Gerade als ich mich noch mal umdrehen wollte, um weiterzuschlafen fiel mir ein, dass ich ja auf einer Mission war. Schnell stand ich auf und wankte zum Lichtschalter, in der Hoffnung, dass ich so ein bisschen wacher werden würde. Mit zusammengekniffenen Augen blinzelte ich bei dem hellen Licht meiner Zimmerlampe. Ich dimmte es, bis ich die Augen halbwegs offen halten konnte und schnappte mir dann meine Kleidung.

Gerade als ich fertig war fiel mir ein, dass ich besser einen Bikini unterziehen sollte, weil ich ja auch im Hafenbecken nachsehen musste. Ich schauderte schon jetzt bei dem Gedanken an das eiskalte, dunkle und schmutzige Hafenwasser.

Ich erinnerte mich, dass ich mal eine Unterwassertaschenlampe gehabt hatte und suchte meine ganze Kommode durch. Nach zehn Minuten wurde ich endlich fündig und warf die Lampe in meine Schultasche.

Dann zog ich mich wieder an, aber diesmal trug ich meinen Bikini (cremfarben und mit goldenen Bändchen).

Ich ging zu meinem großen Wandspiegel und begann mit einer Bürste meine langen, dunkelroten Haare zu entwirren. Wie jeden Morgen waren sie völlig verknotet. Normalerweise brauchte ich mindestens hundert Bürstenstriche um sie in Form zu bringen, doch als ich erst bei zweiunddreißig war hörte ich meinen Vater die Treppe runtergehen.

Ich wusste, dass er in höchstens fünf Minuten zur Arbeit aufbrechen würde. Er musste sich nur noch schnell zwei große Becher Kaffee machen. Er nahm sie immer mit ins Auto um Zeit zu sparen. Mein Vater trank seinen Kaffee schwarz ohne Milch oder Zucker. Ich fand das furchtbar bitter, aber er meinte immer ihm gefiele das Aroma. Vielleicht machte schwarzer Kaffee aber auch einfach schneller wach.

Ich beschloss meine Haare einfach so zu lassen, wie sie waren und steckte mir mein neues/altes Handy in die Hosentasche. Dann nahm ich meine Tasche und meinen Ordner und ging zur Tür.

In diesem Augenblick hörte ich wie die Haustür geöffnet wurde und sich kurz darauf wieder schloss. Ich hielt inne, bis ich hörte wie der alte VW meines Vaters knatternd wie ein Traktor aus der Garage fuhr.

Ich schlich die Treppe runter, obwohl ich wusste, dass es albern war, weil ja sowieso niemand im Haus war. Trotzdem fühlte ich mich wie ein Indianer auf dem Kriegspfad.

Ich sah auf meine wasserfeste Armbanduhr. Es war 6:12 Uhr, als ich das Haus verließ. Morgens fuhr der Bus zum Strand immer um viertel nach und um viertel vor. Ich musste mich also beeilen um es noch rechtzeitig zu schaffen. Vollgepackt mit meinen Schulsachen rannte ich los. Der Busfahrer war sehr nett und wartete, als er mich auf sich zu rennen sah.

Keuchend stieg ich ein und der Bus fuhr ab. Die fünfundzwanzig Minuten Fahrt wollten einfach nicht vergehen und ich hatte meine schwarzen Monster Beats vergessen, deshalb konnte ich keine Musik hören. Unruhig rutschte ich auf dem Polster umher und schoss förmlich aus dem Bus, als dieser am Hafen hielt.

Sofort begann ich zu suchen. Auf dem Boden an der Haltestelle lagen nur ein paar ausgetretene Zigarettenkippen. Deshalb machte ich mich langsam auf den Weg zum Steg. Zu dieser unchristlichen Zeit waren noch keine Touristen unterwegs. Ich traf nur eine junge Frau, die ihren Jack Russel Terrier spazieren führte.

Unentwegt starrte ich auf den Boden, aber nirgendwo war mein Armband zu sehen.

Ich lief bis zum Ende des Steges und legte dort meine Sachen auf den Boden. Ich wünschte, dass man durch das Wasser auf den Grund sehen könnte, aber hier war es so verschmutzt, dass man nur eine Handbreit in die Tiefe gucken konnte. Das Wasser musste hier etwa sechs Meter tief sein, schätzte ich, damit die Boote hier liegen durften. Sechs Meter. Das war selbst für eine geübte Schwimmerin wie mich eine ganze Menge und das auch noch in diesem ekeligen Wasser, von dem ich definitiv nicht wissen wollte, was da alles so drin war.

AQUA - Stimme des Meeres (abgeschlossen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt