Bei Meermenschen zu Besuch

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Nalina öffnete die Tür, indem sie die Spitze ihrer Flosse gegen den unteren Teil der Tür drückte. Diese glitt sofort seitlich in die Wand und wir schwammen hinein. Auch drinnen war alles hell erleuchtet, obwohl es draußen immer dunkler wurde. Wir befanden uns in einem Wohnzimmer. Auf dem Boden lagen überall große Kissen, ähnlich, wie im Café, nur um einiges größer. An den Wänden zwischen den glimmenden Algen waren einige schwarze Platten eingelassen. Es gab noch ein paar Pflanzen und zwei Tische. Insgesamt wirkte das Zimmer etwas schlicht, aber trotzdem irgendwie nett.

Wir waren ein bisschen faul und haben noch nicht alles ausgepackt. Auf dem Dachboden stehen noch unendlich viele Kisten mit Zeug herum, das wir besser vor dem Umzug hätten wegschmeißen sollen. Gab Nalina zu und griff mach einem schwarzen Gerät, das auf einem Tisch lag und entfernt an ein Handy erinnerte. Sie drückte darauf herum und die schwarzen Platten an den Wänden schalteten sich an, wie ein Fernseher. Es war, als wäre alles plötzlich viel lebendiger geworden. Die ehemals schwarzen Platten zeigten nun schöne Bilder.

Wow, dass ist ja total technisch. Ist das auch ein Fernseher, oder nur ein digitales Bild?

Dachtest  du, dass wir den ganzen Tag nur auf Felsen sitzen, uns die Haare kämmen und mit unserem lieblichen Gesang Seefahrer in die Irre führen?

Jetzt hatte sie mich, aber wer hätte auch ahnen können, dass alles was Arielle tat nur erstunken und erlogen war?

Naja. Irgendwie schon. Nur das mit Delfinen schwimmen und Ertrinkende retten hast du vergessen. Machen die das nicht so? Zumindest müssten doch gute Meerjungfrauen retten und die Sirenen, wie die Loreley oder so singen die Seeleute in den Tod.

Okay, ich musste zugeben, dass das ein bisschen albern und unwirklich klang. Nalina musste herzlich lachen.

Unsere Technik ist sehr weit ausgeprägt und den Menschen teilweise sogar überlegen. Wir haben es zum Beispiel geschafft die Erdanziehungskraft teilweise außer Kraft zu setzten. So funktioniert es, dass hier nicht alles durch die Gegend fliegt. Sagte Nalina, als sie sich wieder halbwegs von ihrem Lachanfall beruhigt hatte. Wir nutzen eine völlig andere Art von Energie, als der Strom, den Menschen verwenden. Unsere Energie wird nicht von Wasser geleitet und ist, wie eigentlich alles, rein umweltfreundlich hergestellt. Wir verschmutzen unsere Umwelt nicht, sondern leben mit ihr zusammen. Es ist wie eine symbiotische Beziehung, also ein stetiges geben und nehmen. Die Menschen werden hoffentlich auch noch dahinterkommen, dass man lieber nicht gegen die Natur kämpfen sollte.

Ihr Monolog hatte mich beeindruckt. Es war auch immer meine Meinung gewesen, dass man die Umwelt schützen musste. Ich fuhr lieber Bus, als mit dem Auto und hätte meinen Strom zu Hause gerne nur aus erneuerbarer Energie bezogen. Leider teilte mein Vater meine Meinung wie immer nicht. Er sagte immer, dass es den Klimawandel gar nicht gebe und dass nur eine Erfindung der Medien und der „Baumknutscher“ war, wie er die Menschen, die sich für Umweltschutz einsetzten nannte. Vielleicht musste man so denken, wenn man bei einer Ölfirma arbeitete, die unter den Top-10 der schlechtesten Konzerne der Vereinigten Staaten gelandet war, was Umweltschutz betraf. Als er den Greenpeace-Sticker auf meiner Schultasche gesehen hatte, den ich einerseits aus Überzeugung, andererseits aus Provokation aufgeklebt hatte war er ziemlich ausgerastet und hatte mich als den schlimmsten Umweltaktivisten der Welt dargestellt. Dabei war ich bei weitem nicht die Schlimmste. Meine beste Freundin Scarlet und ihre Mutter stellten viele Geräte immer ab und bezahlten viel Geld für Strom aus Windenergie. Außerdem fuhr ihre Mum ein Hybridauto, das alle paar Meilen anhalten und nachtanken musste. Man konnte es halt auch etwas übertreiben, aber ich war sehr froh, dass die Meermenschen sich im Gegensatz zu vielen Menschen umweltfreundlich verhielten.

AQUA - Stimme des Meeres (abgeschlossen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt