Kapitel 4

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"Naja, aber letztendlich hatte ich doch Glück.", schließe ich. Ich werfe einen  Blick auf die Uhr. Ich habe jetzt circa eine Stunde aus meinem Vampir- Leben erzählt. Eine Stunde für 65 Jahre. "Wow, wie spannend.", sagt Damon sarkastisch. Ich hatte nicht wirklich viele Abenteuer und habe mich vorsichtshalber im Hintergrund gehalten. Allerdings.... "Also eine Sache, solltest du schon noch wissen, Damon. Wieso habt ihr die Gruft geöffnet? Ihr habt die ganze Stadt in Gefahr gebracht und das auch noch für Katherine, die sich die ganze Zeit irgendwo in Europa vergnügt hat.", jetzt will ich meine alte Wut wieder neu entfachen. Vorwürfe waren schon immer der beste Weg. "Du wusstest, dass Katherine nicht in der Gruft war?", fragt Damon scharf. Es war so klar, dass er nur das heraus hören würde. Doch ich antworte ihm nicht. Als ich den Kopf stattdessen wegdrehe, wiederholt er seine Frage, diesmal lauter. "Luna, sag es mir, sofort! Du wusstest das Katherine nicht in der Gruft war?!" Wütend steht Damon auf und baut sich bedrohlich vor mir auf. Ich seufze. "Du hast mir doch von ihr erzählt. Damals, vor meiner..... Verwandlung?" "Ja, aber was hat das jetzt damit zu tun?", fragt er verwirrt. "Naja, du hast sie so faszinierend beschrieben, also habe ich irgendwann angefangen nach ihr zu suchen. Allerdings habe ich sie nie gefunden. Doch durch Zufall sind wir uns vor ungefähr fünf Jahren in Europa begegnet. Ich war eine Zeit lang bei ihr, weil ich dachte, wir würden uns gut verstehen. Aber ich hab mich getäuscht. Sie ist ein Biest, eiskalt und berechnend. Sie ist schrecklich, Damon!" "Es gibt die einfache Art zu leben und die komplizierte.", sagt Damon mit einer Kälte in der Stimme, wie ich sie hasse. "Katherine hat sie einfache gewählt, du und mein kleiner Bruder sie komplizierte. Ihr verstellt euch, seid nicht ihr selbst. Luna, du bist ein Vampir. Ein eiskaltes, berechnendes Wesen. Kein Wunder, dass jemand wie du sich mit ihr nicht versteht." Jetzt ist ein Gespräch mit Damon nicht mehr möglich. Er ist wütend und unendlich stur. Manchmal glaube ich, er wird immer nur wütend, wenn ich in seiner Nähe bin. Eigentlich ist Damon gar nicht so. Er will so ein, weil Katherine so ist. Ich weiß, dass Damon nicht die einfache Art zu leben gewählt hat. Er tut nur so. Auch an ihm gibt es noch menschliches.

Ich beschließe zu gehen, denn es hat keinen Sinn mehr noch zu bleiben. Seufzend stehe ich auf und gehe an ihm vorbei. Er sieht mir nur kurz nach. Dann trete ich durch die Haustür nach draußen. Die Kalte Luft kühlt mich wieder etwas ab. Ich kann nicht böse auf ihn sein, denn leider verstehe ich ihn. Er hat Katherine wirklich geliebt und sie ihn nur ausgenutzt. Eigentlich kann er einem schon fast leidtun.

Was soll ich jetzt tun? Ich sehe mich um. Ich könnte zu Elena gehen. Ich weiß zwar nicht wo sie wohnt, aber das könnte ich ja schnell herausfinden. Nein, ich habe Stefan und Elena heute Morgen schon genug gestört. Ich sollte einfach ein wenig spazieren gehen. Vielleicht durch den Wald. Früher war ich oft dort, an meinem Lieblingsort. Das war bevor ich Mystik Falls den Rücken kehrte. Damals dachte ich es sei für immer. Aber aus irgendeinem Grund habe ich mich von diesem Ort angezogen gefühlt. Ich hatte das Gefühl, dass mich jemand braucht. Nur wer und wofür? Erst nach meiner Ankunft ließ dieses drängende Gefühl nach. Ich werde mir einfach die Antworten suchen und dann wieder verschwinden. Denn lange halte ich es mit Damon in einem Haus sicher nicht aus.

Im Wald suche ich nach meiner Lichtung. Eigentlich müsste ich fast da sein. Früher habe ich mich hier so oft aufgehalten, besonders wenn ich traurig war. Und plötzlich finde ich mich genau auf dem Fleck so vieler meiner Erinnerungen wieder. Erinnerungen vor meiner Verwandlung.

Auf dem großen Stein, in der Mitte der Lichtung, saß ich oft mit meinem damaligen besten Freund Markus. Er kam ebenfalls aus einer wohlhabenden Familie so wie ich. Oder wie Stefan und Damon.

Ich habe meinen Namen immer gehasst. Er war viel zu prunkvoll, viel zu auffällig, nicht gerade perfekt, um irgendwo unterzutauchen. Aber mittlerweile ist jeder tot, der ihn kannte. Weder ich, noch meine Eltern, hatten Geschwister. Meine Mutter und mein Vater starben im noch im selben Monat nach meiner Verwandlung.

Seufzend stehe ich auf und lege den Kopf in den Nacken. Es dämmert bereits wieder und man kann sogar schon die ersten Sterne erkennen. Natürlich nur mit Vampir- Augen. Mein Dasein hat ja auch ein paar positive Seiten.

Ich sollte zurück gehen. Eigentlich müsste Stefan bereits wieder da sein, was bedeuten würde, dass  ich mich glücklicherweise nicht alleine mit Damon befassen muss. Jetzt müsste ich mich nur noch erinnern können, welcher Weg zurück zur Salvatore- Villa führt. Orientierung war noch nie wirklich meine Stärke. Zähneknirschend laufe ich einfach los. Irgendwann werde ich schon einen Weg aus diesem Wald finden.

Nach einer Weile komme ich an eine Straße, der ich eine Weile folge. Vielleicht führt sie mich ja nach Hause. Es fühlt sich komisch an Stefans Haus "zu Hause" zu nennen. Aber ich habe kein richtiges Heim mehr. Dort wo meine Familie früher gewohnt hat, stehen nun eine Menge neuer Häuser. Ein Brand hat alles zerstört und meine gesamte Familie ist in Vergessenheit geraten. Aber vielleicht ist es besser so. keiner wird sich an mich erinnern, selbst wenn noch jemand leben sollte.

Sollte ich links abbiegen? Oder lieber rechts? Ich habe nicht die geringste Ahnung. Wie sehr sich eine Stadt in 70 Jahren nur so schnell verändern kann. ich glaube es ist besser, wenn ich aufgebe und Stefan anrufe. Er kommt bestimmt, um mich abzuholen, denn sonst finde ich wohl nie mehr zurück.

Gerade als ich mein Handy herausholen will, entdecke ich etwas. "Dieses Haus kenne ich doch...", flüstere ich leise. Bilder tauchen kurz vor meinem geistigen Auge auf. Sheilas lachendes Gesicht... Eine rot- weiß karierte Picknickdecke.... Tränen, dir vor mir auf den Boden tropfen.

Unbewusst habe ich mich auf das Haus zubewegt. Es sieht noch genauso aus, wie ich es in Erinnerung gehabt habe. Mit diesem Ort verbinde ich noch mehr Erinnerungen, als mit der Lichtung. Fast lautlos gehe ich über die knarzenden Dielen, bis zum Ende der Veranda. Ich bücke mich und hebe eines der Dielenbretter an. Und auf der Rückseite steht es, wie erwartet: "Sheila & Luna - Beste Freunde für immer." Wir zwei waren,, ich glaube, 12 und haben das mit einer Nadel, als Zeichen unserer Freundschaft, ein geritzt. Wir hatten damals so viel Spaß zusammen. Ich drehe das Brett wieder um und drücke es fest. Ich mag dieses Haus, ich mochte es immer. Es hat etwas geborgenes, etwas geheimnisvolles an sich. Ich gehe zur Haustür. Auf dem Klingelschild steht in verschnörkelten Buchstaben: Bennett. Ob Sheila wohl noch hier wohnt? Vorsichtig streiche ich mit zwei Fingern über das Klingelschild. Selbst wenn sie noch lebt und hier noch wohnt, will sie sicher nichts mehr von mir wissen. Sie ist eine Hexe. Und Hexen hassen Vampire. Um sie zu schützen, war ich nach meiner Verwandlung nur ein letztes Mal noch hier in Mystik Falls. Ich wollte mich verabschieden. Ich war zum Zeitpunkt meiner Verwandlung im Urlaub in Italien. Dort traf ich Damon und das Schicksal nahm seinen Lauf...

Plötzlich öffnet sich die Haustür. Ich weiche ein paar Schritte zurück. Das Mädchen kommt mir bekannt vor. Geschichte! Ja, sie ist in meinem Geschichtskurs. "Oh, Hallo. Kann ich dir vielleicht helfen?", fragt sie. " Ja, ich... Also mein Name ist..." "Luna!", fällt sie mir ins Wort. "Und du bist Stefans Schwester, richtig?" "Ja", antworte ich leicht verwirrt. "Woher weißt du das?" "Du bist neu. Jeder redet über dich. Ich bin übrigens Bonnie. Was machst du hier?" "Oh, ich dachte nur... Ach, ist nicht so wichtig." Als ich mich umdrehen will, hält mich Bonnie am Handgelenk zurück. Ihr Geschichtsausdruck kommt mir nur allzu bekannt vor. "Bonnie, was ist los?", frage ich. "Du kanntest Grams? Als sie noch jung war? Wie alt bist du?", fragt sie traurig und ängstlich zugleich. "Stefan sagte, du wüsstest, was er ist. Ich bin 16.", ich mache eine Pause und seufze. "Seit 1938."  "Du also auch. Und Damon hat dich verwandelt.", sagt sie voller Abscheu und lässt mein Handgelenk los. Also ein weiterer Damon- Fan. "Luna?", höre ich plötzlich eine Stimme hinter mir. Es ist Stefan. "Soll ich dich mitnehmen?", fragt er. "Das wäre nett. Moment noch.", rufe ich. Zu Bonnie gewannt füge ich leise hinzu: "Sieh bei Gelegenheit al unter dem letzten Dielenbrett ganz rechts nach." Ich drehe mich um und gehe auf Stefans Auto zu. "Erzähl, was hat Damon getan?", will Stefan seufzend wissen. "Nichts. Ich hab ihm Vorwürfe wegen der Gruft gemacht und von meiner Begegnung mit Katherine erzählt. Er ist wieder wütend auf mich. Wie eigentlich immer." Dazu sagt Stefan nichts mehr. Schweigend fahren wir zurück zur Villa. 

Tagebuch eines Vampirs- Die Vergangenheit  [Wird überarbeitet]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt