Morgen bin ich traurig...Morgen! Heute nicht. Heute werde ich glücklich sein. Jeden Tag, er könnte sonst so schwierig zu bewältigen sein, werde ich sagen: Morgen bin ich traurig aber heute nicht!
Ich finde das sind weise Worte für einen zwölfjährigen. Wie verkorkst muss die Welt wohl sein, wenn sich ein zwölfjähriger diese Worte jeden Tag selbst zuflüstern muss, um den Tag zu überstehen? Jeden Tag die selben Wort, jeden Tag die selbe Leier, aber es wurde nie besser.
Ich zögere meinen Heimweg hinaus und wünsche mir innig nicht anzukommen. Manchmal habe ich diese Phasen. Manchmal ? Okay ich habe oft meine Phasen. So nannte meine Mutter es. Aber es sind schon lange keine Phasen mehr. Phasen dauern keine sechs Jahre an. Sie sagt, es seien die Hormone und das ich in der Pubertät sei und das es normal sei. Sie hat doch keine Ahnung, sie ahnt nicht im geringsten was in meinem Gehirn stattfindet. Es wird jeden Tag schwerer zu überleben, denn genau das tue ich. Ich überlebe. Es gibt einen großen Unterschied zwischen Leben und überleben. Eigentlich existiere ich nur noch. Lebendig zu sein, am Leben zu sein, ist etwas viel tiefgreifenderes und herrlicheres als biochemische Reaktionen. Die Organe funktionieren aber was bringen mir Organe mit so einer Lebenseinstellung?
Nun stehe ich hier vor unserem großen Mehrfamilienhaus und fürchte mich vor dem eintreten. Sollte man sich nicht Daheim wohl fühlen ? Wieso fühle ich mich nicht so ? Wieso verspüre ich Angst und Wut ? Als ich langsam und mit schweren Herzen die Tür öffne, hoffe ich, dass ich einfach in mein Zimmer verschwinden kann und mich alle in Ruhe lassen. Leise schiebe ich den Schlüssel in das Schloss und drehe diesen mit einem leichten knacken um. Schnell husche ich hindurch und ziehe meine Schuhe aus. Dann versuche ich leise und so unauffällig wie möglich die Treppe hinauf in mein Zimmer zu wandern. "ANTONIO!", schreit mein Stiefvater vom Wohnzimmer aus. Mist. Wie hat der mich bitte gehört?
"ANTONIO", schreit er erneut, "Bewege deinen faulen Hintern sofort in das Wohnzimmer. Was fällt dir ein ?"
"Antonio, blabla, was fällt dir ein, bla", äffe ich ihm nach.
"Hast du mich gerade nachgeäfft ?" Welche Frequenzen kommen bei dem an? Wahrscheinlich nimmt der sogar die Schreie der Fledermäuse wahr, die fünf Meilen entfernt durch die Nacht fliegen. "Nein Sir.", lüge ich und trete in unser Wohnzimmer ein. Es gleicht einem Schlachtfeld, denn überall liegen leere Bier- und Whiskey Flaschen. Drei zum Anschlag gefüllte Aschenbecher liegen vor ihm auf dem weißen Couchtisch. Die Vorhänge sind verrutscht und mehrere Gläser sowie Teller stapeln sich an mehreren Ecken.
"Wo ist deine Mutter?", fragt er mich. Ich kann seine Fahne bis hier hin riechen.
"Weiß ich nicht. Ich bin gerade erst von der Schule gekommen?"
Ich lasse die Aussagen in seiner Anwesenheit immer zu sehr nach einer Frage klingen... aus Furcht, weil'BAM' . Die erste Flasche kracht gegen die schwarzweiß tapezierte Wand und ich zucke kaum merklich zusammen. Habt ihr jemals eine Whiskey Flasche gegen den Kopf bekommen ? Ich kann euch sagen, das damit nicht zu scherzen ist. Ich lag damals mit einer Gehirnerschütterung drei Tage lang im Krankenhaus. Damals fragte mich der Arzt, was ich denn angestellt hätte und meine Mutter sagte tatsächlich, dass ich die Treppe sehr ungeniert herunter fiel und mir den Kopf an der Kante gestoßen hätte. Nach all den Jahren verteidigte sie ihn auch noch. Ich habe sie nie verstanden, ich verstehe selbst heute nicht warum sie bei ihm bleibt. Er trinkt, raucht und schläft den ganzen Tag. Ich weiß nicht einmal wie meine Mutter es schafft mit so einem sich den Haushalt zu teilen. Damals wünschte ich mir einen Bruder oder eine Schwester, damit ich nicht alleine durch die Hölle gehen muss.
& die Leute sagen, dass Einzelkinder es gut hätten.
Im Endeffekt bin ich froh, dass meine Mutter nur mich als Sohn hat, denn ich wünsche niemandem diesen Höllentrip.
DU LIEST GERADE
Hurry, I'm fallin'.
Teen Fiction"Manchmal spielt dir die Welt einen Streich. Ich weiß noch immer nicht ob mich die Welt hasst oder ob ich ihr scheiß egal bin. Doch das ist okay, sie hat mich geprägt.", sagte ich und schwieg. "Ich frage mich wann du so alt geworden bist", schmunzel...