Ein schwarzer Mantel umhüllt meinen Körper, meine Seele und meine Gedanken. Ich wünsche mir, ich könne diesen Teil überspringen und einfach sterben. Wieso ist sterben so schwer? Sterben erfordert unheimlichen Mut und eine gewisse Selbstlosigkeit, die ich einfach nicht besitze. Ich schwelge noch immer in dieser Schwärze und höre ein leises Pipen. Manchmal nehme ich Geräusche wahr, Stimmen und Gesprächsfetzen aber vielleicht bilde ich es mir auch nur ein. Manchmal denke ich, dass ich bereits gestorben bin und dies eine Art Zwischenwelt darstellen soll, doch in anderen Momenten spüre ich meinen Herzschlag. Er ist fordernd, beständig und stark, als würde mein Herz nicht aufgeben wollen, nicht so wie ich es bereits getan habe. Mein Herz ist noch nicht breit dazu den Kampf aufzugeben, den wir bereits verloren haben. Ich wünschte es würde aufhören zu pumpen und endlich kapitulieren. Eigentlich gibt es keine Hoffnung mehr..
Immer wieder tauche ich ins Leere, schwimme in Trostlosigkeit, spüre weder meinen Körper noch kann ich klare Gedanken fassen. Doch dann ist da plötzliches dieses Licht, es wird heller und greller und ich hoffe inständig, dass die Zeit gekommen ist nun los zu lassen. "Gott sei Dank, er wird wach!", höre ich eine Stimme, die ich nicht identifizieren kann. Weit gefehlt.
Mein Kopf dreht sich automatisch zum Gesprächs-wirr-war, welches aus der hitzigen Diskussion zweier Menschen besteht. Mein Blick bleibt verschleiert, dennoch kann ich nach genauem hinhören die Stimme meiner Mutter erkennen. Ich verstehe kein Wort, höre Wörter und Stimmen aber verstehe nichts. Kein einziges Wort dringt in mein Bewusstsein und ich schaue mich weiterhin im Zimmer um. Langsam legt sich der Nebel vor meinen Augen und ich erkenne nun das Zimmer in dem ich liege. Es sieht genauso trostlos aus, wie ich mich fühle.Ich sehe weiße Wände, grelles Licht und spüre Schläuche und das nervige fiepende Geräusch des Elektrokardiogrammes.
"Lassen Sie ihm ein wenig Zeit alles zu verarbeiten und gehen Sie nach Hause. Er wird mit Sicherheit in die beste Psychiatrische Klinik eingewiesen, die wir kennen. Diese ist nicht weit von Ihnen entfernt aber Miss, er braucht nun ein wenig Zeit um sich zu erholen." "Aber-" "Nein", unterbricht der Arzt sie wieder "Der Junge hat genug gelitten, mir hätte damals schon bewusst werden sollen, dass etwas nicht ganz in Ordnung ist."
Was ist hier los? Ich würde so gerne etwas dazu sagen, denn schließlich bestimmen die beiden gerade über meine Zukunft, jedoch fühlt sich mein Mund an wie Schmirgelpapier. Ich will keine Hilfe, ich will sterben. Ich werde mir nicht helfen lassen, ich bin doch nicht labil. Ich habe einfach keine Lust mehr auf diese Welt und ich hasse Schlangen und diese Welt ist überschüttet mit diesen Viechern. Ein leises 'Ehy' ist das einzige, was ich äußern möchte um deren Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Jedoch hört sich dies eher an wie ein betäubtes Brummen und die gewissen Aufmerksamkeit erziele ich trotzdem nicht. Meine Mutter versucht weiterhin mit dem Arzt zu diskutieren und mir bleibt nichts anderes übrig, als dem Gespräch zu folgen.
"Ich bin seine Mutter! Ich habe das Recht zu bestimmen, ob mein Sohn eingewiesen wird oder nicht!", sagt meine Mutter gereizt und ich verziehe mein Gesicht. Sonst kümmert sie sich auch nicht um mein Wohlergehen. Mein Körper fühlt sich wie taub an, ich fühle nichts und es fühlt sich seltsam an. Keine Schmerzen, keine verworrenen Gedankengänge einfach nur stille Leere. In Wirklichkeit bringt mich das Gefühl nichts zu fühlen regelrecht um. Keinerlei Emotionen kann ich nachempfinden und ich bin mir nicht sicher, ob ich dies als positiv oder eher als negativ einstufen soll. Fühlt sich so sterben an? Meine Augenlider werden immer schwerer und das Gespräch von meiner Mutter und dem Chefarzt rutschen immer weiter fort, als wären sie in einem anderen Raum. Wie in Watte gepackt dämmer ich wieder ein, ohne es richtig zu realisieren.
"Wir verlieren ihn", ruft jemand. "Holt den Defibrillator, schnell!", antwortet eine andere Stimme. "Das muss schneller gehen! Schließen sie es an!"....."Auf drei, dann schalten sie es bitte an. Auf mein Kommando!"..."1....2.....3" Etwas kribbelt meinen Brustkorb. "Erneuter Versuch! Auf drei!...1....2....3...!"
Ich werde aus der schwärze gezogen, in der ich mich so wohl fühle. Es fühlte sich an wie schweben. Jetzt zieht es in meiner Brust, ich huste und versuche nach Luft zu schnappen. Es fühlt sich richtig beschissen an. Eine Schwester reicht mir ein Glas Wasser, damit mein Husten nachlässt. Ich trinke gierig das klare Wasser und gebe ihr das Glas zurück. "Was ist verdammt nochmal passiert? Wer zum Teufel hat die Morphium Dosis erhöht? Ich habe doch ausdrücklich befohlen, dass jemand ein Auge auf das Zimmer des Jungen wirft. Er selbst kann es schlecht gewesen sein!", somit verlor der Arzt in meinen Augen all seine Professionalität. Sein beißender Ton zaubert mir eine unschöne Gänsehaut, obwohl ich überhaupt nicht schuldig bin. Meine Atmung versuche ich noch immer zu regulieren und schaue mit schweren Augenlidern durch die Gegend. Immer noch die selben weißen Wände aber keine Schläuche mehr. Eine Krankenschwester führt gerade den Defibrillator aus dem Zimmer. Alles geschieht in einer unglaublichen Geschwindigkeit und doch so langsam. Der Nebel versperrt erneut meine Sicht und ich sinke, falle, schwebe..ich weiß es nicht.
"Doktor er wird wach!", ständig höre ich überall Stimmen. Aber sie schaffen es nie mein Bewusstsein vollständig zu erreichen. Manchmal legt sich der Nebel und ich höre alles klar und deutlich, doch nach kurzer Zeit drängt er sich stärker zwischen mich und der Realität. Jemand rüttelt an meinem Arm und ich hebe ihn leicht zur Antwort. Meine Augen sind so schwer, es ist alles dunkel und ich möchte gerne bleiben. Bleiben im Nichts. Erneutes schütteln und rütteln.
"Hmpf", antworte ich. Ich möchte doch nur weiter schlafen, dort bleiben. Du kannst nicht ewig hier bleiben Tony. Ich weiß, ich weiß. Langsam öffne ich meine Augen und sehe eine Krankenschwester. Alles ist nun klar. Das weiße sterile Bett in dem ich liege, die weißen sterilen Wände, die mich anschauen und der weiße Tisch mit dem weißen Stuhl, auf dem meine Mutter mich gespannt beobachtet. In dem Moment springt sie auf und schlingt ihre Arme um meinen Körper und ich halte sie.
"Du bist so dünn geworden", flüstere ich. Was ist nur passiert? "Wie lange..", ich brauche den Satz nicht zu beenden, denn mein Mutter springt mit "Zwei Monate.. zwei Monate ...Gott, ich dachte du würdest aufwachen, doch du bist immer wieder eingeschlafen und bist nicht mehr wach geworden.. Jedes mal.." ein.
Wow, ich hätte mit Stunden gerechnet aber doch nicht mit Monaten. "Ich möchte sterben.", sage ich ihr und sie zieht tief die Luft ein. "Nur über meine Leiche! Ich sitze jeden Tag an diesem Bett nur, um am nächsten Tag wieder hier zu landen und zu warten. Ich warte und warte und jetzt bist du wach und sagst mir, dass du sterben möchtest? Tony.." "Nein nicht Tony, ich kann mit dem Schmerz nicht mehr umgehen. Ich kann nicht mehr.. ich würde so gerne..lass mich bitte.!", flehe ich sie an doch sie antwortet mit einem zögerlichen Kopfschütteln. Sie sieht so alt aus.
Dunkle Schatten schmücken ihre Augen und ihre Wangenknochen wirken eingefallen. Sie zieht weiterhin diese unverschämt hässlichen Oversize- Pullover an und trotzdem erkennt man, dass sie dünn geworden ist. Viel zu dünn. Ihr Schlüsselbein sticht einem förmlich ins Auge und ihre Finger sind lang und dürr. Sie wirkt noch viel zierlicher, zerbrechlicher.. Die Haare sehen filzig aus. Verwildert, das trifft es. Abgemagert und verwildert.
"Was hat er mit dir angestellt?", frage ich gerade heraus. "Nichts..er..er wurde eingesperrt. Ich..ich habe mich von ihm getrennt Tony.. ich habe es für dich getan.", flüstert sie heiser und ihre Augen füllen sich mit Tränen. "Tony.. du musst leben hörst du! Du kannst es schaffen! Ich habe bereits mit dem Arzt gesprochen und wir schicken dich in die Klinik. Es wird dir besser gehen hörst du! Du bekommst die beste Therapie, die man bekommen kann! Ich verspreche es dir Tony. Du wirst vergessen!" Ich antworte nicht.
Niemals werde ich vergessen. Niemals werde ich den Schmerz vergessen, geschweige die Tränen. Ich werde das Zimmer mit der gelben Tapete nicht vergessen und ich werde das Gefühl von Leder auf der Haut nicht vergessen können. Ich werde niemals vergessen, dass ich nie eine richtige Kindheit hatte. Niemals werde ich vergessen, was in mir zerbrochen ist.. Ich bin gebrochen, so gebrochen und ich bade..bade so sehr in Selbstmitleid, dass es schon weh tut. Ich möchte in keine Klinik. Es wird nie wieder gut und erst recht nicht besser. Ich kann so nicht weiter leben und vergessen kann ich erst recht nicht. Ich wünschte ich könnte die Schläge vergessen, wünschte ich könnte den Schmerz verdrängen, wünschte ich könnte die Bilder löschen. Wünsche...Vergessen.. Ich wünschte ich wäre niemals geboren..
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Hurry, I'm fallin'.
Teen Fiction"Manchmal spielt dir die Welt einen Streich. Ich weiß noch immer nicht ob mich die Welt hasst oder ob ich ihr scheiß egal bin. Doch das ist okay, sie hat mich geprägt.", sagte ich und schwieg. "Ich frage mich wann du so alt geworden bist", schmunzel...