24 Wochen

1K 146 28
                                    

Ich hätte wissen müssen, dass es nicht so leicht sein wird, ihn davon zu überzeugen. Da denkt man, man kennt einen Herz-Mensch und in Wahrheit ist er ganz anders als erwartet. Vielleicht sollte ich mich freuen. So macht es wenigstens noch Spaß. Er hat zumindest nicht abgelehnt, das ist ein Anfang.

Ich weiß nicht einmal genau, wieso er solche Zweifel hat. Alles, was ich ihm vorschlug, war ein Kuss.

»Das bricht meinen Fluch«, hatte ich erklärt und geknurrt. Lästige Angewohnheit von mir.

»Ein Kuss? Ein einfacher Kuss löst doch keine Flüche«, hatte er erwidert. Skeptisch. Wo ist sein Glauben? Er nimmt es einfach hin, dass ich verflucht wurde, aber dass ein Kuss es aufheben kann, daran zweifelt er?

»Die Prophezeiung lautet: 'Und ist die letzte Stund' vergangen, am 7670ten Tag, so ist der Zauber von Dauer und unumkehrbar. Es sei denn, ein Kuss aus Tugend und Zuneigung erlöst die Maid aus ihrem Fluch'.«

»Das denkst du dir gerade aus.« Wieder hatte er gelacht. Nur am Lachen, der Kerl. Vielleicht ist er als Baby versehentlich einmal zu oft auf den Boden geknallt. »Das reimt sich nicht.«

»Prophezeiungen reimen sich doch auch nicht, Dödel. Du musst echt noch viel lernen.« Ich hatte meinen Umhang fester um mich geschlungen und war im Wohnzimmer auf und ab gelaufen. Um Adam zu ängstigen auch auf vier Tatzen. So war es ohnehin für meinen Rücken angenehmer.

»Bring es mir bei.«



»Guten Morgen«, sagt er und kommt einfach in mein Haus. Wie abgemacht. Denn das ist jetzt unser Deal. Er kommt zweimal wöchentlich vorbei, um mich kennen zu lernen. Und um überhaupt zu lernen. Vom Zaubermeister habe ich noch alte Bücher hier, die er durchwälzen will. So bekommen wir beide, was wir wollen.

»Du hast noch 24 Wochen«, ist seine Erklärung dazu. »Was sind schon 24 Wochen, wenn du 20 Jahre ausgehalten hast?«

Was ist schon ein Glas Wasser, wenn man ein Jahrzehnt in der Wüste lebte.

Tale as old as timeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt