Tagelang bleibe ich am Klavier sitzen. Einer der wenigen Vorteile davon, hier eingesperrt zu sein, ist dass Tage und Nächte für mich nicht von Bedeutung sind. Ab und an stehe ich auf, um die verstrichene Zeit in meine Kalender einzutragen. Wir wollen ja nicht die Frist verpassen. Wenn Adam überhaupt vorhat, diese einzuhalten. Vielleicht spielt er nur mit mir. Da wäre er auch nicht der erste Junge.
Anders als Adam habe ich schon Erfahrungen gesammelt. Einige. Zu viel, würden manche behaupten. Aber was ist verkehrt daran, sich auszuprobieren? Und jung zu sein. Ich bin nicht mit jedem Kandidaten ins Bett, eigentlich habe ich noch nie mit jemanden geschlafen. Nicht einmal gemeinsam im Bett. Geküsst habe ich. Viel und gerne. Und daran ist nichts verkehrt, solange keine Gefühle verletzt werden.
»Du spielst wunderschön.«
Ich drehe mich blitzschnell um. Zu Adam, der mit verschränkten Armen hinter mir steht und mir dabei über die Schultern sieht. Was vermutlich nicht einfach ist. Mit meinen enormen Schultern.
»Ich kenne das Lied irgendwoher«, murmelt er und kommt näher an mich heran, setzt sich neben mich auf den Hocker und ich rutsche sprachlos beiseite. Ich schließe die Augen. Ich kann nicht anders. Wie von selbst fliegen meine Krallen über die Tasten. Am Anfang war es umständlich, zu spielen. Eine Umgewöhnung, weil ich nicht meine einzelnen Finger benutzen kann – schwer, wenn man gar keine Finger mehr hat – sondern meine Krallen. Mit der Zeit gewöhnt man sich jedoch an alles.
»A dream is a wish your heart makes – When you're fast asleep – In dreams you lose your heartaches – Whatever you wish for, you keep«, fängt Adam an zu singen. Und das schief und schräg und nicht passend.
Unnötig zu sagen, dass ich selten etwas schöneres gehört habe. Vermutlich würde selbst Ilene Woods vor Neid erblassen, wenn sie hören könnte, wie Adam singt. Voller Herzblut und ... Herzschmerz. Fast so, wie ich spiele.
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Tale as old as time
Fanfiction»Und wo ist deine verwelkende Rose? Deine sprechenden Hausangestellten?«, fragt er lachend und kurz überlege ich, ihm den Kopf abzureißen. Die Kraft dafür hätte ich, nur, wer erlöst mich dann von meinem Schicksal? »Bitte«, sage ich und schnalze mit...