20 Wochen

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Ich kann Adam nicht mehr auf dieselbe Art betrachten. Seitdem er mich beim Spielen getroffen hat und sang, ist er nicht mehr nur eine Spielfigur auf einem Schachbrett. Er ist mehr als das. Er kommt jeden Tag vorbei, manchmal länger, manchmal kürzer. Nicht jedes Mal spiele ich, aber die meiste Zeit. Noch nie ist eine Woche so schnell vergangen.

»Woher kennst du eigentlich Cinderella?«, fragt er mich an einem sonnigen Tag und schält einen Apfel. Das Vitaminreichste an der Frucht schmeißt er weg. Wie passend.

»Denkst du, ich lebe hinter dem Mond?« Ich verdrehe die Augen. »Ich bin 1975 geboren, Dumpfbacke. Verflucht wurde ich 1995. Ich habe sogar die blöde Disney-Version von mir im Kino betrachten können, bevor all das weg war.«

Der Magier, der mir das hier antat, war ein riesiger Walt Disney Fan. Hat ihn sogar getroffen, wie er mir verriet. Angeber. Klar dass er mir das hier antun musste.

»Das heißt, du bist jetzt ... 41.« Adams Stimme zittert. Vor Lachen, muss ich feststellen. »Kein Wunder, dass du so altklug bist.«

Ich brülle, doch das bringt ihn nur noch mehr zum Lachen. Und irgendwie ist es ja auch witzig. In einem anderen Leben wäre ich jetzt wirklich 41. Immer noch umwerfend gutaussehend, versteht sich. Ich würde in einer Villa leben, Kinder haben, einen Ehemann. Ich hätte eine Vergangenheit und eine Zukunft. Hoffnungen. Wünsche. Träume, die real werden könnten.

Lange Zeit sagt niemand von uns etwas. Adam isst seinen Apfel und entsorgt den Müll. Ich erwarte nicht, dass er zurückkommt, doch genau das tut er. Er ist bereits seit einigen Stunden hier, was mich verwundert.

»Was bereust du am meisten in deinem Leben?«

Mit dieser Frage überrascht er mich. Denn die Antwort ist ja wohl offensichtlich. Hat der Kerl keine Augen im Kopf? Rennt er aus diesem Grund nicht mehr weg?

Ich bleibe vor ihm stehen und versuche mich nicht allzu groß zu machen. Es ist nicht mehr witzig, wenn ich weiß, dass es ihm nicht das Fürchten lehrt. »Zugelassen zu haben, dass ich in dieses Monster verwandelt wurde.«

»Du bist kein Monster.«

Nun. Diese Antwort überrascht mich sogar noch mehr als seine Frage. Allmählich glaube ich wirklich, dass er blind ist. Grauer Starr oder etwas in der Richtung. Befällt bestimmt auch Jünglinge. Und Jäger.

Adam dreht seinen Körper in meine Richtung und dann ... streckt er seine Hand aus. Berührt meinen Arm. Streicht über mein Fell. Bis er in meinem Gesicht ankommt. Ich kann den Blick nicht von seinen Augen abwenden. Keine Angst ist darin. Keine Abscheu. Keinerlei negative Gefühle überhaupt. Es ist schon so lange her, dass mich jemand berührt hat.

»Du bist kein Monster«, wiederholt er leise und streicht mir weiter über die Wange. Ich bin kurz davor zu schnurren. Wo ist mein Temperament, wenn ich es mal brauche? »Du siehst vielleicht aus wie eines, aber in dir drin bist du noch immer ein Mensch.«

»Und wieso küsst du mich dann nicht? Das ist alles, was ich brauche, um wieder ich zu sein.«

Er seufzt. Lässt die Hand sinken. »So bin ich einfach nicht.«

Ich hätte wissen müssen, dass der Zaubermeister ein Betrüger ist. Dass seine Prophezeiung ein Hinterhalt ist, um mir Hoffnung zu geben. Das meint er also mit Verdammung. Adam bringt mir nicht meine Erlösung, er bringt mir nur Leid. Er gibt mir Hoffnung und zerstört sie ja doch nur wieder. In Wahrheit ist er das Monster, nicht ich.

Tale as old as timeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt