Kapitel 8

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Es ist jeden Tag das Gleiche.
Ich wache auf, dusche, ziehe mich an, frühstücke und steige in den überfüllten Schulbus.
Im Sommer trainiert das Athletikteam unserer Schule schon vor der ersten Stunde im Park oder im Schwimmbad, weshalb in der Regel semtliche Fenster offen stehen und es alle vermeiden sich direkt zwischen die verschwitzten Sportler zu setzen, die es nicht mehr geschafft, haben sich zu duschen.
In der Schule angekommen strömen dann alle in ihre Klassenräume, um sich anschließend in kleinen Grüppchen an den Fenstern und Türen zu positionieren.

Fühlt sich an als wäre ich nie weg gewesen.

Jane lässt sich neben mir auf ihren Stuhl fallen. Ihre langen, dunkelbraunen Haare hat sie sich zu einem Knoten nach oben gewickelt, was mich daran erinnert, dass ich dringend mal wieder etwas mit meinen Haaren machen sollte. Irgendwie trage ich sie immer nur offen.

"Hey, wie war...", sie gähnt,"...wie waren deine Ferien?"

Ich kenne Jane schon seitdem ich noch ganz klein war. Unsere Mütter haben sich während ihrer Schwangerschaft kennengelernt und sich danach immer mal wieder getroffen, weswegen es eigentlich ausgeschlossen war, dass wir keine Freunde werden, aber das ist auch gut so.
Jane ist die beste Freundin die ich mir je wünschen könnte.

"Hey, Guten morgen. War super. Schöne Grüße soll ich ausrichten."

"Danke. Grüße zurück. Sag mal hast du schon von den neuen gehört, die herziehen sollen?"

Ich schüttle den Kopf.
Wenn sie schon so direkt damit anfängt, muss es sie wirklich beschäftigen.

Sie säuftst und stützt dann grinsend den Kopf auf ihre ineinander verschränkten Finger.
"Ich hab sie selbst auch noch nicht gesehen, aber Levy hat erzählt, dass die beiden älteren Geschwister beide in unseren Jahrgang kommen. Ein Junge und ein Mädchen. Es gibt wohl auch noch eine jüngere Schwester, aber die geht noch in den Kindergarten."

Einige Mädchen drehen neugierig ihre Köpfe in unsere Richtung, um sie gleich darauf wieder zusammen zu stecken und anzufangen zu tuscheln.

"Frischfleisch!", säusle ich und grinse Jane herausvordernd an.
"Ich wette, dass es keine zwei Stunden dauert bis Levy die beiden erwischt."
"1 1/2 Stunden!", erwiedert sie und steht auf um Levy, zu begrüßen, der mit einem Stapel Bücher unter den schmalen Armen, wie aufs Stichwort, gerade den Raum betritt.

Er ist schon immer einer der ruhigeren, aber dafür umso klügeren Schüler gewesen, was er im Büro der Schülerzeitung auch voll und ganz auslebt. Nicht das kleinste Gerücht bleibt von ihm verschont und so etwas seltenes wie ein Umzug, sorgt bei ihm für so etwas wie einen dauerhaften Koffein-Schub.

Jane streckt sich, um ihm eine der haselnussbraunen Strähnen aus der Stirn zu streichen.
"Sie sind länger geworden", denke ich noch als sich die Tür ein weiteres Mal öffnet und Mr. Godbald mit hastigen Schritten den Raum betritt.
Die dünne Brille wirkt auf seiner eher knochigen Nase viel zu zerbrechlich und sein Kopf glüht in einem leuchtenden Erdbeer-rot.
Er sieht aus als wäre er gerade einen Marathon gelaufen.

Die Tür ist gerade dabei ins Schloss zu fallen, aber im letzten Moment schiebt sich ein Fuß in die schmale Öffnung und die Tür wird erneut geöffnet.
Herein kommt ein großer, schlanker Junge in einem weißen, grob geschnittenem T-shirt und einer Hose, die ihm in etwa bis zu den Knöcheln reicht. Wäre er nur einen Zentimeter größer, würde er beinahe schlacksig aussehen.
Langsam macht er ein paar Schritte auf das Pult zu, kramt dann einen zerknitterten Zettel aus seiner Hosentasche und reicht ihm unserem Geschichtslehrer.

"Äh..ja..ja stimmt.."
Benommen steht er auf und legt dem Typen mit den kastanienbraunen Haaren eine Hand auf die Schulter.
"Magst du dich vielleicht selbst vorstellen?"
Der Junge sieht auf und lässt seinen Blick durch die Klasse schweifen.
Plötzlich spiegelt sich in seiner Miene ein Anflug von Verwirrung wieder und eisblaue Augen starren mich, wie in Trance an.

Ich erstarre.
Für einen Moment glaube ich meine Kinnlade würde herrunterklappen, aber stattdessen presse ich meine Lippen zu einer dünnen Linie zusammen um nicht laut aufzuatmen.

Ohne ihn je gesehen zu haben, weiß ich sofort, dass dieser Typ da Dean Johnson ist.

Never Saw HeavenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt