Kapitel 11

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Wenn ich jemals so verwirrt war, dann höchstens als ich herausgefunden habe, dass der Weihnachtsmann in Wirklichkeit mein Vater war oder als mir Jane erklärte, dass Wicki  kein Mädchen ist. An eine andere Situation kann ich mich beim besten Willen nicht erinnern, aber DAS übertrifft alles.
Als ich mit meiner Tasche über der Schulter schwerfällig aus der Haustür stolpere, um meinen noch immer ziemlich übermüdeten Körper zur Schule zu schleppen, bleibe ich auf der gegenüberliegenden Straßenseite am Kantstein des Bürgersteigs hängen. Jedoch schiebt sich kurz bevor ich volle Kanne mit Gesicht und Knie auf dem Boden aufschlagen kann von Hinten ein Bein vor meines und ich werde ruckartig an der Schulter wieder auf die Füße gezogen.

Ist es möglich, dass man davon ein Schleudertrauma oder sowas bekommt? Oder bin ich einfach noch zu müde? Naja, jedenfalls muss ich mich ziemlich konzentrieren um wieder halbwegs klare sehen zu können.

"äh...d..danke", murmle ich mit brummendem Schädel und richte meinen Blick auf.

Dean?

MOMENT.
Das ist zu viel für mich. Eben war er doch noch nicht da, oder?
Er rüttelt mich sanft an der Schulter und beugt sich vor um mein Gesicht auf Schürfwunden zu untersuchen. "Alles klar?"
"Ja...äh....ja alles gut. Danke."
Hatte ich das nicht schonmal gesagt?

Als er in meinem Gesicht keine schwerwiegende Verletzung finden kann, wendet er sich wieder ab und beschleunigt seine Schritte.
"Hey, warte mal."
Ich will laufen, beschränke mich allerdings, aus Anst mir letztendlich doch noch die Knochen zu brechen, auf ein relativ hohes Schritttempo. Mir ist immernoch ziemlich schwindelig.

"Also, wegen gestern......das.....Ich war mies drauf....Tut mir leid."
Beschämt schultere ich meine Tasche und wende den Blick auf die tiefgrauen Ziegel unter meinen Füßen.
Er schnaubt.
Ja er......schnaubt einfach
Ehrlich gesagt hätte ich erwartet, dass er sich wieder über mich lustig machen würde, aber die gute Laune von gestern scheint verflogen zu sein.
Er schweigt und ich weiß nicht, was ich sonst noch sagen könnte, also versuche ich erst gar nicht meinen Körper mit Multitasking auf die Probe zu stellen und konzentriere mich ganz aufs Laufen.
Die Stille ist mir wirklich unangenehm.
Ich bin noch nie jemand gewesen der besonders viel redet, aber ich habe es gern, wenn ich Leuten zuhören kann und ich nicht das Gefühl habe ich wäre ihnen irgendwie lästig oder so.

Stille bietet einem die Möglichkeit über seine Worte nachzudenken, sie zwigt einen praktisch dazu und da ich grundsätzlich nicht gerne unbedachtes Zeug von mir gebe, neige ich dazu ständig alles über zu analysieren und mir an jedem klitzekleinem Konflikt die Schuld zu geben.

Schließlich halte ich es einfach nicht mehr aus.

"Ich bin übrigens Mia", weise ich ihn schließlich auf das einzig offentlichtliche hin  und bete, dass er jetzt wenigstens nicht anfängt mich für komplett verrückt zu halten.

"Ich weiß.", murmelt er und ich bin tatsächtlich der Meinung ein Lächeln auf seinem Gesicht aufblitzen zu sehen.

"Wir sind jetzt also Nachbarn ja? Wo kommst du eigentlich her?"

Jetzt fängt er tatsächlich an zu grinsen.

"Du kannst nicht wirklich lange still sein, oder"

"Nein,....also...nein, normalerweise rede ich nicht mal so besonders viel."

Er sieht mich an und zieht dann fragend eine Augenbraue hoch.

"Normalerweise?"

"Ich komme einfach nicht gut mit Stille im allgemeinen zurecht."

"Was ist so schlimm daran? Hast du Angst, du könntest taub werden?"

Er meinte es als Scherz, aber seine Bemerkung löst etwas in mir aus.

"Ich weiß nicht", murmle ich also wahrheitsgemäß,"sie ist mir einfach irgendwie unangenehm."

Er nickt .

Als wir um die Ecke biegen, ist die Bushaltestelle bereits in Sichtweite und wie jeden Morgen sind die wenigen Sitzplätze im Unterstand von den Kindern aus den Grundschulklassen besetzt.
Die restlichen Schüler stehen in kleinen Grüppchen einige Meter entfernt am Straßenrand.
Obwohl ich Nachmittags bisher immer die einzige war, die hier aussteigt, herrscht hier morgens doch relativ viel Betrieb, da viele Busse, den "Umweg" über den Plattenweg im Wald nicht nehmen wollen und ihre Fahrgäste hier umsteigen lassen.

Ich höre, wie Dean sich räuspert.

"Uuund die sind alle......also die fahren alle....."
Meine Antwort ist eher ein Stöhnen als ein vollständiges Wort, denn ich sehe Casper, einen der beliebteren Schüler aus meinem Jahrgang, in meine Richtung schauen und einen Schritt auf uns zumachen.
Caspers Ruf an der Schule war genaugenommen nicht existent. Er war Quaterback des Footballteams und das reichte aus, um ihn zu so etwas wie der wandelnden Schultrophäe zu machen. Die Mädchen prügelten sich geradezu um ihn.
"Äh..Dean ?", ich versuchte mich nicht alzu auffällig zu verhalten und sah im flehend in die Augen, "bitte, könntest du mir vielleicht einen Gefallen tun"
Seine Augenbraue wandert in die Höhe.
"Könntest du so tun, als würden wir ein super wichtiges Gespräch führen?"
Wir waren inzwischen stehen geblieben und ich hatte mich vor ihn geschoben, sodass ich nun mit dem Rücken zu Casper stand.
Er öffnet den Mund kommt aber nicht mehr dazu zu antworten, denn als mir jemand auf die Schulter tippt und ich in Gedanken schon alle möglichen ausreden durchgehe um einem Gespräch mit Casper auszuweichen.
Höre ich jemanden meinen Namen sagen.

Und es ist nicht Casper.

Never Saw HeavenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt