Kapitel 7

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"So, das war die letzte."
Mein Vater steht, die Hände in die Hüften gestemmt vor unserem Auto und betrachtet stolz sein Werk.
Unser Kofferraum ist bis in den hintersten Winkel mit Taschen und Rucksäcken vollgestopft.
Der Schwimmring von Rory, aus dem man aus irgendeinem komischen Grund nicht die Luft rauslassen kann, nimmt allerdings auch nicht gerade wenig Platz weg.
"Schätzchen, warst du nochmal auf Toilette?"
Mein kleiner Bruder nickt nur.
Rory hat die halbe Nacht nicht geschlafen, weil er kurz vorm zu Bett gehen eine Spinne in seinem Regal entdeckt hatte. Als er dann meine Mom geholt hatte, damit sie sie nach draußen setzt, war sie weg und er der festen Überzeugung, dass sie sofort in seinen Mund krabbeln würde, wenn er sich jetzt hinlege.

"Mom, ich bin mir nicht sicher ob er dich verstanden hat."
Sie hört mich schon gar nicht mehr.
Mit einem Stapel Brotdosen in der einen und ein paar Bechern in der anderen Hand hat sie auch genug damit zu tun, irgendwie die Tür zu unserem Auto auf zu bekommen und sich in den Waagen zu setzen.
"Können wir dann?"
"Einen Moment noch!"

Das war Solvei.

Mit ein paar großen Schritten überquert sie die Straße und umarmt mich kurz.
"Schade, dass du schon fahren musst...bis morgen hätte ich noch Zeit gehabt."
Sie lächelt mich an und tritt dann wieder einige Schritte zurück.
"Wir schreiben dann, ja?"
Ich nicke.
"Ja, wir schreiben dann."
Ich steige ins Auto und kurble das Fenster herunter.
"Und du erzählst mir alles über die neue Wohnung!", rufe ich ihr noch zu und sehe ihr nach bis sie nur noch ein kleiner Punkt am Ende der Straße ist.
Wie automatisch wandert mein Blick nach oben.
Zu dem Fenster.
Die dunkelblauen, fast schwarzen Vorrhänge sind zugezogen, aber für einen kurzen Augeblick kann ich eine blasse Hand erkennen, die nach dem Griff der Jalousie greift, um auch sie herunter zu ziehen.

Ich weiß nicht wer die Schaukel in meine alte Traurweide gehängt hat.
Solange ich denken kann, habe ich nie einen Tag erlebt an dem das kleine blaue Brettchen fehlte. Die Schaniere an den Ästen quitschen jedes Mal, wenn ich mich hinsetze und die Seile geben unter meinem Gewicht immer ein wenig nach. Ich liebe diesen Ort.
Die Weide steht, von unzähligen Wildblumen und langen Grashalmen umgeben, auf einer Wiese, nicht weit von unserem Haus entfernt.
Direkt zwischem dem Wald, auf der einen Seite und einem morschen Hochsitz, der allerdings so mit Efeu und anderem Kletterpflanzen bewachsen ist, dass man ihn kaum noch erkennen kann,auf der anderen.
Ich klettere auf die Astgabel einige Meter über mir und löse das Brett, welches eine Mulde im Stamm vor dem Regen schützt. Ich krame eine Picknickdecke heraus und lasse mich wieder auf den Boden plumpsen.
Der Himmel ist in einen zarten Fliederton getaucht, der knapp über dem Horizont in ein leuchtendes Orange übergeht.
Es wird langsam wieder dunkel.
Wir sind den ganzen Tag unterwegs gewesen.
Säuftzend schließe ich die Augen und atme die schwühle, nach Gras und Erde riechende Luft ein. Es ist fast so, als könnte die Zeit, wenn ich nur fest genug daran glaube, stehen bleiben.

Never Saw HeavenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt