Kapitel 10

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"Und dann ist er einfach gegangen?"
Entrüsstet springt Claire von meinem Sitzsack auf und fährt sich mit der freien Hand durch die Haare. In der anderen hält sie meinen pinken Igelball, mit dem sie sich ununterbrochen die Stirn, ihre Schläfen und den Nacken massiert.
"Das kann er doch nicht machen. Ich verstehe das nicht."
Wir sind das Szenario jetzt bestimmt schon fünf Mal durchgegangen und nochimmer kann meine Freundin einfach nicht begreifen, dass es auf dieser Welt auch aufmerksame Typen gibt, die mehr mitbekommen als die Ergebnisse irgendeines Footballspiels oder das Erscheinungsdatum der neuen Playstation.
"Hör zu Clairy, der Typ hat meinen Namen aufgeschnappt. Er ist doch geradeerst hergezogen, da ist es doch gut möglich, dass er mit irgendjemandem die Namen aus der Klasse durchgegangen ist, oder dass er das bei einem Gespräch mitbekommen hat."
Einen Moment schweigt sie, aber dann ist sie wieder voll bei der Sache.
"DAS GLAUBE ICH EINFACH NICHT. DAS KANN EINFACH NICHT WAHR SEIN."
Ich verdrehe die Augen. Ich hab das ganze eigentlich sowiso nur beiläufig erwähnt. Hätte ich gewusst das sie so eine große Sache daraus macht, hätte ich ihr vermutlich gar nicht davon erzählt.
"Mia, ich weiß du willst es nicht wahrhaben, aber.."
Ich schalte mein Radio auf volle Lautstärke.
"WAAAAS?", schreie ich und muss anfangen zu lachen.
Sie sieht aus als würde sie mir gleich einen Kuli in den Oberschenkel rammen.
Aus meinen Boxen dröhnt mitlerweile WHAMs "Wake me up before you go-go"
Und ich kriege mich nicht mehr ein vor Lachen.
"Dein Gesicht..", pruste ich und wische mir eine Träne aus dem Augenwinkel.
Sie wirft ein Kissen nach mir. Die Taktik hab ich mir von Toni abgeschaut. Es funktioniert besser als ich dachte, denn Chlair kann schließlich auch nicht mehr anders als voller Inbrunst dieses musikalische Meisterwerk mitzuträllern.

Irgendwann ist das Lied vorbei und es kommt irgendsoein gruseliges Heavy-Metal-Geschrei. Ich sprinte zu meiner Anlage und stelle die Lautstärke wieder herunter, bevor uns die Trommelfelder platzen.

"Aber jetzt im Ernst Mia, das ist schon irgendwie komisch, dass der Kerl sich ausgerechnet deinen Namen gemerkt hat. Ganz ehrlich, Namen merken wäre jetzt nicht unbedingt das Erste, an das ich denken würde, wenn ich gerade umgezogen bin."
Ich bewundere sie wirklich für ihre Hartneckigkeit, aber in diesem Moment könnte ich auch gut darauf verzichten.
Sie war schon immer so. Als wir noch klein waren, war sie ständig mit mir und Jane zusammen. Wir waren unzertrennlich....bis ihre Mutter einen besseren Job in einer anderen Stadt bekam und sie uns verlassen musste.
Seitdem sehe ich sie nicht mehr besonders oft, aber unsere wenigen Treffen werden dadurch nur umso schöner.
"Du hast ja Recht, aber was stört mich das? Vonmiraus darf er sich so viele Namen merken wie er will."
Ich schlendere zu meinem Fenster und stelle es auf Kipp, dabei fällt mein Blick auf den blauen Möbelwagen. Das Teil kommt mir bekannt vor. Hatte Solvei nicht....NEIN NEIN NEIN...schlag es dir aus dem Kopf. Hastig drehe ich mich wieder um und richte meinen Blick auf Chlair.

"Hunger?"

Never Saw HeavenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt