Kapitel 1 - Ticket der Freiheit

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Kapitel 1

Ticket  der Freiheit


~Sabrina~

Sabrina lehnte schläfrig an der Scheibe des Autos. Ihre Stirn klebte an dem kühlen Glas. Langsam schloss sie die Augen, ihre Gedanken verblassten und der Schlaf legte sich wie eine angenehm warme, wollige Decke über sie.
Plötzlich klatschte sich etwas Schweres, Warmes über ihren Rücken. Ein übel riechender Atem blies ihr ins Gesicht und lautes Schnarchen dröhnte ihr in den Ohren.
»Mile!«, maulte sie und boxte ihrem grossem Bruder in den Arm.
»Wie? Wo? Was? Au!«, brabbelte Mile und löste sich von seiner Schwester. Er war eingeschlafen und musste dann aus Versehen von seinem Sitz gerutscht und sich auf Sabrina gewälzt haben.
Etwas verlegen rieb er sich den schmerzenden Arm.
»Sorry... Muss wohl eingeschlafen sein...« Mile lächelte und fuhr sich durch das kupferrote Haar. Seine blasse Haut war ein krasser Kontrast zu den dunklen Ledersitzen des Autos. Die grünen Augen blitzten sie schelmisch an.
Er sah ihr so ganz und gar nicht ähnlich.
Das Einzige, das sie gemeinsam hatten, war ihre helle Haut, die sich bei ihm im Sommer jedoch augenblicklich zu einem gesunden Braun färben würde, während sie sich mit ihrer Käsehaut in Schatten flüchten musste, um einem üblen Sonnenbrand zu entgehen. Okay, ihren Nasen war viellicht etwas Ähnlichkeit zuzusprechen, die hatten beide eher breite Flügel und waren stupsig, aber das war auch schon alles. Ansonsten waren sie verschieden wie Tag und Nacht.
Sie hatte die dunkelblonde, störrische Mähne ihrer Mutter geerbt, deren Fransen sich nur mit viel Glück anständig formen liessen. Andernfalls würden sie ihr wirr in die hellblauen, tiefliegenden Augen hängen, über denen sich ihre dünnen, zu ihrer Haarfarbe passenden Brauen meist grimmig zusammenzogen. Wenn sie sich im Spiegel betrachtete, hatte sie immer das Gefühl, einer Eiskönigin entgegen zu blicken.
Mile hingegen war die Fröhlichkeit in Person. Er hatte ein freundliches, schmales Gesicht, prägnante Brauen, scheinbar immer lächelnde Lippen und Iriden in einem lebendigen Waldgrün. Auch von der Statur her konnte sie keine Ähnlichkeiten entdecken. Selbst jetzt, wenn er neben ihr im Auto sass, überragte er sie bei weitem. Er war athletisch, ohne kastig zu wirken. Sie dagegen war klein und schmal, hatte dünne Arme und Beine. Kate, ihre alte Freundin aus dem Waisenhaus, die immer schon etwas mollig gewesen war, hatte sie darum beneidet, was ihr stets schrecklich unwohl gewesen war.
Der Sunnyboy und die Eisprinzessin, so hatten sie die anderen Waisenkinder genannt.
Doch nun war es vorbei! Sie kamen raus aus dem Waisenhaus! Irgendeine „Ms. Tallo" hatte sie ausgewählt. Nun würde ihr richtiges Leben beginnen!
Doch obwohl sie sich es immer gewünscht hatte, eines Tages mit ihrem Bruder in eine Familie aufgenommen zu werden, hatte sie ein mulmiges Gefühl...
»Na Kleine? Schon aufgeregt?«, fragte Mile und riss sie aus ihren Gedanken.
»Aufgeregt? Weiss nicht so recht...«, log sie. Denn aufgeregt war sie. Und zwar sehr. Sie hatte regelrecht Panik! Aber Mile war so fröhlich... Sie wollte es ihm nicht verderben.
»Wie, du weisst nicht? Na, unser neues Leben, Kleine! Das Haus! Jonny hat nach unserem neuen Heim gegoogelt! Es muss riesig sein! Unsere neuen Eltern müssen morz die Knete haben!", zischte er ihr zu und sein Blick huschte nervös zwischen ihr und dem Fahrer, der jedoch konzentriert durch die Dunkelheit raste und den Blick nicht von der Strasse abwandte, hin und her.
Sie verstand nicht, wieso er flüsterte, tat es ihm trotzdem gleich. Mile tat oft Dinge, die andere nicht tun würden und irgendwie war es doch das Richtige, als wisse er genau, was er tat. Wenn sie ihn dann fragte, wieso er so etwas wisse oder wieso er dies tat, hatte er immer nur gesagt: »Ich spiele mit dem Schicksal! Du nicht?«
Aber sie hatte gelernt, auf Miles „Eingebungen" zu vertrauen. Denn ihr Vertrauen hatte niemand. Mit einer einzigen Ausnahme. Mile vertraute sie mehr, als sich selbst...
»Nenn sie nicht „Eltern" und ich bin nicht deine „Kleine"!«, flüsterte sie nachdrücklich.
Mile zuckte die Schultern, lächelte und entgegnete: »Woher hast du nur diesen ständigen Pessimismus? Nicht einmal Mom war so drauf wie du und Mom hat ja nicht mal unseren Nachbarn vertraut!«
Von ihren Eltern zu reden, tat weh.
Sabrina war etwa fünf oder sechs Jahre alt gewesen, als sie verschwunden waren. Sie selbst erinnerte sich kaum an ihre Eltern. Nur ab und zu geisterten kleine Erinnerungsfetzen durch ihren Kopf und stürzten sie in eine Mischung aus Lethargie, Freude, Wehmut und tiefer Trauer.
Nur die zwei Bilder ihrer Eltern, die sie in einem Amulett um den Hals trug, waren der Grund, wieso sie sich überhaupt noch an ihre Gesichter erinnerte.
Doch Miles Kopf war voll von den Erinnerungen. Da er zwei Jahre älter als sie war, konnte er sich an viel mehr erinnern. Und sie beneidete ihn zu tiefst darum.
So zischte sie ihn an: »Ich habe es dir schon tausendmal gesagt! Du sollst nicht von ihnen sprechen. Sie sind tot!«
Mile zuckte zurück. Sie hatte bissiger geklungen, als sie es gewollt hatte.
»'Tschuldige... Ich... Ja, ich bin aufgeregt... Und dann dieses Dorf. Wolfsbach! Wer zum Teufel nennt seine Heimat Wolfsbach?!«, grummelte Sabrina niedergeschlagen.
»Wolfsbach ist eine sehr Mittelalterliche Ortschaft. Wahrscheinlich kommt der Name von da...«, flüsterte Mile und zuckte die Achseln. Er klang etwas reserviert. Er war wohl doch etwas beleidigt.
»Es ist trotzdem ein verdammtes Kaff!«, motzte sie und fühlte sich sogleich besser.
Sie konnte nicht so leichtfertig auf eine gute Zukunft hoffen. Zu oft war sie enttäuscht worden. Sie war nun mal misstrauischer als ihr Bruder.
Was sie sich noch immer nicht erklären konnte, war, wieso Ms. Tallo ausgerechnet sie und ihren Bruder aus dem Waisenhaus gerettet hatte. Geschwister wurden eigentlich meist getrennt, da es oft zu wenig Platz für die Waisen gab. Doch da sie und ihr Bruder noch sehr klein gewesen waren, als ihre Eltern verschwanden, hatte man sie nicht getrennt, was trotzdem grosses Glück war. Ausserdem holten sich die Leute normalerweise immer nur die kleinen Kinder und man konnte Mile und Sabrina nennen, wie man wollte, aber klein waren sie nun wirklich nicht.
Mile würde bald achtzehn werden und damit mündig. Er würde sich eine Wohnung suchen oder in eine WG ziehen. Er hatte ihr versprochen sie mit zu nehmen. Er würde um das Sorgerecht für seine kleine Schwester beten. Ob die Tallos davon begeistert wären? Wohl eher nicht...
Und das Eigenartigste war, dass Sabrina und Mile diese Ms. Tallo noch nie gesehen hatten. Die Nachricht ihrer Adoption war ganz plötzlich gekommen und dann noch mit der Post! So was konnte doch eigentlich gar nicht möglich sein! Eine Woche später hatten sie ihre Koffer gepackt und tschüss Waisenhaus. Nicht einmal ein Sozialarbeiter hatte sich diese Ms. Tallo angesehen. Aber natürlich hatten die Geschwister den Mund gehalten. Wer motzt schon über ein Ticket, weil es alt und ranzig ist, wenn dafür darauf fett das Wort Freiheit prangt?
Und es war trotzdem irgendwie unheimlich und ziemlich mysteriös.
Jedenfalls war Wolfsbach ein kleines, mickriges Dörfchen! Ihr Waisenhaus war in Berlin gewesen! Eine Grossstadt! Wie sollte sie in so einer kleinen Ortschaft klarkommen?
»Nur weil es ein Kaff ist, heisst es noch lange nicht, dass es dort langweilig ist! Was ist, wenn all die Sagen und Legenden, die sich um dieses Dorf ranken, wahr sind?«, fragte Mile und es schlich sich der Schalk in die leuchtend grünen Augen ihres Bruders. Er zog sie auf. Verflucht sei Google! Drei Klicks und schon hatte Mile endlos viele Infos über das geheimnisvolle Dörfchen „Wolfsbach", wo vor hunderten von Jahren die skurrilsten Dinge geschehen waren... anscheinend...
»Du meinst all diese Märchen? Menschen die einfach verschwinden? Wesen, die aus ihren Büchern springen und lebendig werden? Eine Tür in eine andere Welt?«, lachte sie.
Mile liebte Märchen wie diese. Drachen, Ungeheuer, Ritter, Könige und natürlich die schönen Jungfrauen, die es zu retten galt. Doch Sabrina mochte sie nicht. Kinderkram, sagte sie immer, wenn er mit einem dicken Wälzer auf sie zu kam und ihr etwas vorlesen wollte.
Doch so war es nicht und Mile wusste das.
Ihre Mutter hatte ihnen immer vorgelesen. Märchen... Am liebsten Rotkäppchen, der gestiefelte Kater und Schneewittchen...
Sofort unterbrach sie die Flut der Erinnerungen, die sie doch sonst so konsequent aus ihrem Kopf verbannte. Aus irgendeinem Grund wusste sie ausgerechnet das noch. Diese Erinnerung war ihr geblieben. Wie ihre Mutter ihr vorlas. Und es schmerzte...
Augenblicklich wandte Sabrina sich von Mile ab.
Märchen.
Nur in Märchen gab es ein Happy End. Und ihr Leben war nun mal keine Geschichte!
»Werde erwachsen, Mile! Du bist siebzehn. Und irgendwann bist du achtzehn und mündig! Reiss dich zusammen!«, giftete sie ihn an.
Miles Miene wurde düster. Die blitzenden Augen wurden dunkel. Sein Lächeln verschwand.
Sie biss sich auf die Lippe und wandte sich um. Sie hatte ihm wehgetan. Wieso konnte sie nicht so optimistisch sein wie er?
Eisprinzessin.
Kalt und unnahbar.
Wieder legte sie ihren Kopf gegen die Fensterscheibe und genoss die Kälte, die die schlimmen Gedanken einfror und verblassen liess.
Sie machte die Augen, die sie zusammengekniffen hatte wieder auf und zuckte zusammen.
Wolf.
Sie richtete sich blitzartig auf und starrte hinaus.
Doch da war nichts.
Nicht mehr...
Das Auto raste weiter die dunkle, nasse Strasse entlang.
Nur Bäume und Dunkelheit.
Und doch war sie sich sicher!
Sie hatte die Augen eines Wolfs im Dunkeln aufblitzen sehen.
Gelb, fast golden.
Spitze Ohren.
Dunkles Fell.
Wolf!
Eiskalt lief es ihr den Rücken hinunter.
Was hatte Mile von diesen Geschichten um das Dorf erzählt?
Sagen.
Legenden.
Märchen!


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Hey ihr fleissigen Leser da draussen :)

Tadaaaaaaaaaa, das ist das 1. Kapitel.

Nicht besonders lang, aber ein Kapitel ^^

Ich schreibe an diesem Buch schon sehr lange. Als ich dann dieses Jahr an eine weiterführende Schule gekommen bin, traf ich da dieses Mädchen. Voll lustig und voller Talent. Und sie schrieb auch. Auf Wattpad :3

Ich kannte Wattpad zuvor nicht und sie hat es mir gezeigt.

Also hab ich PAFF euch alle ins kalte Wasser geworfen und hier ganze 25 1/2 Kapitel vor die Füsse geworfen.

Ich hoffe, das Wasser wurde schnell warm;P und schmackhaft^^

Hiermit widme ich dieses Kapitel (nachträglich :/) Katsagirl, die hier auf Wattpad ebenfalls (super-mega-apokalyptisch-geil-hamma-krass-cool) schreibt...

P.S: Die Namen meiner Protagonisten (Mile und Sabrina) werden nicht englisch ausgesprochen. Um das zu veranschaulichen: Sabrina reimt sich auf Ballerina oder China. Mile reimt sich auf Diele oder viele.

Liebe Grüsse,
Eure Dreamtravel

Uralte Fassung (1): Twos - Die Prophezeiung von Feuer und EisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt