Kapitel 45 - Von Herrschern mit dem Flammenhass und Helden kleiner Klingen

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Kapitel 45

Von Herrschern mit dem Flammenhass und Helden kleiner Klingen


~Sabrina~

Sie betrachtete ihn.
Oh, wie friedlich er doch wirkte. Kein Blut, kein Mord, keine Schuld. Nichts, was ihn verfolgen konnte, denn er hatte keine Alpträume. Das kam selten vor, doch heute hatte er wohl Glück.
Ein Lächeln umspielte seine Lippen.
Vorsichtig trat sie näher an ihn heran. Vorsichtig legte sie einen Finger auf seine Stirn. Vorsichtig. Ganz vorsichtig, denn sie wollte ihn nicht wecken.
Bilder fluteten ihren Geist.
Handelsschiffe, gross und mächtig. Ein Hafen. Der Boden war aus runden Pflastersteinen. Es roch nach Salz. Möwen kreisten am Himmel. Die Sonne ging unter und färbte Meer und Horizont rot. Aus einer Kneipe dröhnten Lacher und Rufe. Der Geruch nach Met und Rum drang herüber.
Im Traum drehte sie sich um und lief zu einem Steg, an dem kein Schiff anlag. Jemand stand dort, an einen Pfosten lehnend und betrachtete den Sonnenuntergang.
Es war ein Mädchen mit rotem Haar. Arielle...
Blitzartig riss Sabrina ihre Hand zurück und die Traumbilder des Piraten verschwanden.
Hook... Er träumte also von ihr... Von dem Mädchen, seiner Schwester, seiner ersten grossen Liebe...
Wie eine Schlange wand sich die Eifersucht in ihr Herz und grub ihre spitzen Eckzähne in den pulsierenden Muskel. Und es schmerzte, zu wissen, dass Falk sie noch immer nicht hatte loslassen können. Er liebte sie noch immer...
Und Sabrina hasste sich dafür, eifersüchtig zu sein. Und sie hasste sich dafür, zuzulassen, dass die Wut in ihr aufkeimte. Wut auf die tote Meerjungfrau. Wut auf den Piraten, der sie nicht loslassen konnte...
Aber... Arielle war tot. Tot!
War es nicht grausam von ihr, wütend zu sein? Hook hatte dieses Mädchen geliebt. Er lebte nun schon so lange und hatte sie noch immer nicht vergessen... Durfte sie ihn etwa verurteilen, nur weil er sie noch immer nicht loslassen konnte? Schliesslich liebte er sie ja ganz ohne Zweifel... Sie hatte es in seinen Gedanken gesehen...
Sabrina presste die Lippen zusammen und verdrängte die schlechten Gedanken und Gefühle. Sie wollte jetzt nicht über diese... Tote nachdenken.
So holte sie aus und liess ihm den Schwall kaltes Wasser, das sie in einem Krug mitgebracht hatte, ins Gesicht pflatschen.
Hook prustete und bäumte sich auf. Während er noch blinzelnd versuchte, seine Augen an das Tageslicht zu gewöhnen, tastete er mit der Hand nach seinem Haken. Dabei verzog er das Gesicht vor Schmerz. Musste wohl der Kater sein. Geschah ihm recht!
»Wer? Was? Bei Klyuss!«, fluchte er verwirrt. Schliesslich hatte er seinen Haken auf dem Nachttisch zu fassen bekommen und schraubte ihn sich an den Armstumpf. Erst dann kam er darauf, sich die Augen zu reiben und so das Wasser aus den dichten Wimpern zu wischen.
Dann sah er Sabrina an.
»Oh, du bist es. Du hast mich ziemlich erschreckt... Wieso... Du hast mir Wasser über den Kopf gelehrt?«
Sabrina blinzelte. Sie hatte die Fassung verloren, denn erst jetzt fiel ihr auf, dass Hook kein Oberteil trug. So starrte sie seine Brust an...
»Sabrina?«, fragte der Pirat und hob eine Augenbraue.
»Ahm... Ääh... Ja?«, stammelte sie und riss sich los.
Falk sah sie fragend an.
»Ah, stimmt!«, meinte Sabrina, als sie sich erinnerte, wieso sie hier war. Sie trat auf Falk zu, setzte sich neben ihn, beugte sich dann vor, legte ihre Hand auf seine Brust und drückte ihn zurück in sein Kissen.
Er grinste sie an. »Gleich so?«, murmelte er. Er klang wie eine schnurrende Katze. Wie eine gefährliche, schnurrende Katze...
»Freu dich nicht zu früh«, antwortete sie zuckersüss, während sie die Kälte durch ihren Körper schiessen liess. Gleich darauf zuckte der Pirat zusammen, denn ihre Hand begann bläulich zu leuchten und die Luft um sich eisig werden zu lassen.
»Du, Pirat, bist wohl zu lange an der Sonne gewesen...«
Hook krampfte und biss die Zähne zusammen. Jedes seiner Haare stand ihm zu Berge, so kalt wurde ihm. »Von was redest du?«
»Hast du dich so volllaufen lassen, dass du heute nicht einmal mehr weisst, was du gestern angerichtet hast?« Nun war sie wirklich wütend!
»Daher das Hämmern in meinem Schädel... Warte, ich erinnere mich! Ich war mit deinem Bruder in einer Kneipe!«, rief er und strahlte.
Sabrina presste ihre Hand noch fester auf seine Brust. Sie spürte Muskeln und einen kräftigen Herzschlag, der ein wenig schnell war...
»Aua! Hey, das tut weh!«, fluchte Hook.
»Soll es auch. Du bist nämlich nicht nur mit Mile in eine Kneipe gegangen, du hast ihn volllaufen lassen!«, zischte sie wütend, doch Falk dachte nicht im Traum daran, sich zu entschuldigen. Nein, er trieb es noch auf die Spitze als er sagte: »Was kann ich dafür, dass er sich anders nicht flachlegen lässt!«
Sie kniff die Augen zusammen und liess noch mehr Frost in ihre Hand fliessen. »Weisst du eigentlich, was du angerichtet hast?«
Er zuckte mit schmerzverzerrtem Gesicht die Schultern.
»Dann pass jetzt gut auf!
Irgendwann am Abend ist eine der Rathauswachen aufgetaucht und hat behauptet, zwei Obdachlose würden vor der Tür stehen. Der eine hätte sich als „Captain Schnulze" ausgegeben, der andre wäre nicht mehr ansprechbar gewesen. Sie würden nach mir verlangen.
Als ich dann zur Türe gekommen bin, war schon der halbe kleine Rat dort versammelt.
Du, Captain Schnulze, hast es gerade geschafft, Mile wieder von seiner Ohnmacht zu wecken. Daraufhin hat er versucht, dir eine reinzuhauen. Aber weil Mile nichtmehr stehen konnte, ist er umgekippt und hat Dornröschen angekotzt! Danach haben wir ihn ins Bett gebracht. Als er endlich eingeschlafen war, hat es eine weitere Stunde gedauert, Dornröschen, die total hysterisch war, wieder zu beruhigen!
Und du erst, Captain Schnulze! Du hast geschwankt und lauter wirres Zeug gequasselt. Erst hast du erzählt, in Nimmerland gäbe es fliegende Walfische und dann hast du behauptet, Tarzan sei homosexuell.
Aber das Sahnehäubchen kommt erst noch. Du bist mir irgendwann um den Hals gefallen und hast mich geküsst. Du hast gerochen, als hättest du in dem Alk gebadet! Ich hab versucht, dich von mir zu stossen, aber dann hast du mich zu Boden gerissen. Zum Glück war eine der Wachen so geistreich, dich von mir runter zu zerren, bevor ich dich in ein Stück Tiefkühlfleisch verwandeln konnte. Himmel, ich war so wütend auf dich!
Dann haben dich die Wachen zu deinem Schiff gebracht. Und jetzt sind wir hier und du stinkst echt immer noch nach dem Gesöff!«
Mit jedem Wort wurde sie wütender. Eine dünne Schicht Frost lag nun schon auf der Piratenbrust, doch trotzdem grinste Hook.
»Was kann ich dafür? Alles was ich gesagt habe, ist wahr! Und nur um mich zu verteidigen: Ich rieche nur so nach dem Zeug, weil dein Bruder es sich über den Kopf geleert hatte. Und ich habe ihn schliesslich trage müssen«, erklärte er. Wie konnte er nur so ein Vollidiot sein, einen Kater haben und trotzdem so umwerfend aussehen? Typisch Vollhonk!
Sabrina sah ihn böse an und fragte: »Was hast du eigentlich mit ihm gemacht? Wieso musstest du ihn tragen? Er sah echt übel aus. Er hatte eine riesige, blaue Beule an der Stirn.«
»Ich... Ah, das wird dir, denke ich, nicht gefallen...«
Sie legte den Kopf schief. Er sollte weiterreden!
Er räusperte sich und begann dann umständlich: »Ich... Nun... Weisst du noch? Ich wollte doch mit deinem Bruder reden... Wegen...«
»Nein! Das hast du aber nicht wirklich, oder? Du hast... Du hast meinen Bruder abgefüllt, um seine Unzurechnungsfähigkeit auszunutzen, damit du ihm erzählen konntest, dass wir... Was miteinander laufen haben?!«
Vor lauter Schreck vergass sie, die Kälte aufrecht zu erhalten.
Hook bemerkte ihren Fehler jedoch umso schneller, setzte sich auf, packte sie an der Taille und warf sie blitzschnell auf den Rücken. Dann kniete er auch schon über ihr. Ihre Handgelenke hielt er mit Haken und Hand fest.
Sabrina keifte und fluchte, konnte sich jedoch nicht befreien.
»Du wirst jetzt sofort von mir runter steigen!«
Genüsslich beugte er sich vor, bis sie Nase an Nasen einander in die Augen starrten. Das Blickduell von Eis und Ozean hatte begonnen...
»Wer hat mich vorhin tiefgefrieren wollen?«, säuselte er.
Sein Atem streifte ihre Lippen. Verboten nahe schwebte sein Mund vor dem ihren. So war es nun ihr Herz, das schneller schlug.
»Wieso hast du es ihm gesagt, Falk? Denkst du, er wird es nun akzeptieren? Du hast ihn abgefüllt wie irgendein Mädchen, das einsam an der Bar sitzt, darauf wartend, dass sie jemand anspricht und dann mit ihr ins Bett hüpft. Himmel, Falk, er wird dich hassen
»Bevor ich ihm gesagt hatte, wer mein Mädchen ist, hatte er mich beglückwünscht!«
»Denkst du, das wird etwas ändern?«
»Keine Ahnung, du?«
Sabrina drehte den Kopf zur Seite. »Kannst du bitte von mir runter gehen?«
Er nickte und setzte sich neben sie.
Dann folgten Minuten, gefüllt mit der Sprach der Stille, die ihren ganz eigenen Klang hatte. Der Pirat nutzte die Ruhe für seine tonlose Entschuldigung und Sabrina liess in der Stille ihre Wut verrauchen.
Nach einer Weile flüsterte der Pirat: »Weisst du, was dein Bruder noch gesagt hatte?«
Sabrina sah ihn an.
»Da hatte er noch nichts von uns gewusst. Ich hatte ihm nur erzählt, dass es da jemanden gäbe. Er sagte, Achtung, ich zitiere: Ihr werdet das Schifflein schon schaukeln...«
Erst gluckste Sabrina, dann begann sie zu kichern und lachte schliesslich laut auf. Falk fiel in ihr Gelächter ein und zusammen sassen sie dann auf dem Bett und prusteten, was das Zeug hielt...

Uralte Fassung (1): Twos - Die Prophezeiung von Feuer und EisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt