Epilog

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Epilog

Das schmutzig grünliche Licht in der Bahn flackerte, die Schienen ratterten, an den beschmierten Fenstern zog die Nacht vorbei.
Der Wagon hatte nur einen Passagier, wer sonst würde auch zu so später Stunde so weit nach draussen fahren? Nur er, dieser Mann, der ganz alleine, völlig versunken in die Zeitung, die er gerade las, durch die Nacht reiste. Erst als eine kaum verständliche Stimme die Ankunft an der nächsten Station voraussagte, hob er den Kopf. Der Reisende stand auf und hielt sich an den von der Decke hängenden Griffen fest, als die Bremsen quietschten und der Zug ruckartig zum Stehen kam.
Er stieg aus, warf einem Obdachlosen, der sich mit einer Flasche Vodka aus seinem Elend zu trinken versucht hatte, ein paar Lek zu und verliess den schäbigen Bahnhof.
Es war eine warme Nacht und der Reisende knüpfte seinen Mantels auf. Seine Stiefel scharrten über den staubigen Boden, eine aufgeschreckte Katze fauchte ihn an und rannte über die verlassene Strasse, aus einem nahen Haus drangen die wüsten Beschimpfungen einer gescheiterten Ehe. Dieser Stadtteil Tiranas war kein Ort, wo man sich gern aufhielt... Doch all dies brachte den Mann nicht von seinem Weg ab, den er stur, den Kopf eingezogen im Kragen des Mantels, beschritt. So lief er eine ganze Weile durch die warme, albanische Frühlingsnacht, bis er in eine enge Sackgasse einbog, sich hastig nach allen Seiten umblickte und dann über einen hohen Zaun kletterte.
Er landete auf dem schmalen Weg eines zerfallenen Hauses, das ihm seine Leere aus schwarzen Fenstern entgegengähnte. Er schlich um das Gebäude herum, bis er über die Kante in den Garten spähen konnte. Ein Lächeln stahl sich auf sein Gesicht, als er erkannte, dass er am richtigen Ort war.
Mitten in dem überwucherten Garten in einem Krater aus Schrott stand ein Wohnwagen. In der Dunkelheit war es nicht gut zu erkennen, doch der Anhänger war über und über mit Malereien und Mosaiken bedeckt. Dumpf drang Musik aus seinem Inneren. Im hinteren Teil des Fahrzeuges war es dunkel, doch hinter den Fenstern des vorderen brannte noch Licht.
Der Reisende wagte sich aus seiner Deckung, hechtete erstaunlich weit über die Schrottberge, rollte sich lautlos ab, richtete sich auf, hob elegant seinen Zylinder, der ihm dabei vom Kopf gefallen war, vom Boden auf, wischte sich den Staub von den Knien und baute sich vor der Tür des Wohnwagens auf. Er hob die Hand und klopfte.
Im Inneren kratzte die Nadel eines Grammophons unsanft über die Platte und liess die Musik verstummen. Die Lichter erloschen.
Der Mann seufzte tief und klopfte erneut. Und noch einmal.
»Hau ab!«, zischte es von drinnen, dann wurde es wieder still.
»Ich bin es. Mach auf!« Der Reisende sah ungeduldig auf seine Uhr. »Komm schon, das hat doch keinen Zweck! Mach schon auf...«
Erst gab es eine Weile kein Lebenszeichen mehr von den Bewohnern des Anhängers. Schliesslich erklang ein Scharren, dann ein Kratzen und mit einem metallischen Klicken sprang die Tür auf.
Etwas misstrauisch stieg der Mann die Stufen zum Eingang hoch und streckte vorsichtig den Kopf hinein.
»Wenn ich dich umbringen wollte, hätte ich das längst getan, Topper!«, fauchte eine Frauenstimme aus den Schatten.
Das schien den Hutmacher zwar nicht wirklich zu beruhigen, doch er trat trotzdem ein und schloss die Tür hinter sich zu.
Drinnen war es stickig, aber angenehm kühl. Ein paar schäbige Möbel waren möglichst Platzsparend an die Wände genagelt. Überall hingen Tücher, Perlenketten und Talismane von der Decke, sodass er den Zylinder abziehen musste, um damit nichts runterzureissen. Verlegen räusperte er sich und streckte zur Begrüssung die Hand in die Schatten. »Ich habe lange nach euch gesucht.«
Die Frau in der Dunkelheit schlug seinen Arm beiseite. »Dass du uns findest können solltest, war auch nicht Teil des Deals.«
Jeremy Topper schnaubte. »So nennst du das also? Einen Deal?«
Aus der Dunkelheit war ein spöttisches Lachen zu hören. »Ach hör schon auf mit deinen Moralpredigten. Du weisst ganz genau, wie gefährlich es für uns ist, wenn du hier aufkreuzt.«
Er nickte und schwieg einen Moment.
Aus den Schatten erklang wieder ein Scharren, dann entflammte ein Streichholz und entzündete seinerseits den Docht einer Kerze. Das Licht fiel auf das Gesicht einer jungen Frau Mitte 30, das eigentlich sehr hübsch gewesen wäre, hätten ihre finsteren Züge nicht irgendwann grimmige Falten in ihre Haut gegraben. »Was willst du hier, Jeremy?«
Der Hutmacher straffte die Schultern. »Es ist an der Zeit, dass wir die Fehler der Vergangenheit berichtigen.«
»Welche Fehler?« Auf einmal blitzte ein Messer im Kerzenlicht und Jeremy entging knapp einem tödlichen Hieb.
»Ich bin nicht hier, um irgendjemandem etwas zu tun!«, erklärte er hastig und schnappte sich vorsichtshalber ein gerahmtes Bild von einer Wand, um es im Notfall als Schild oder Waffe einsetzen zu können.
»Ach? Und was dann?« Die Frau hielt das Messer noch immer fest umklammert.
»Es wurde eine Prophezeiung ausgesprochen«, fuhr er hastig fort, ohne die Klinge aus den Augen zu lassen.
»Was geht uns das an? Wir sind kein Teil mehr davon!«
Der Hutmacher schluckte und hängte das Bild zurück. »Vielleicht ja doch... Lass es mich dir zeigen...« Langsam, um sie nicht zu verschrecken, steckte er eine Hand in seinen Hut, zog nach kurzem Suchen einen abgegriffenen Zettel heraus und reichte ihn der Frau. Die dunklen Augen überflogen die Zeilen eilig.
»Unfug! Das könnte alles Mögliche bedeuten!«
Jeremy Topper schüttelte den Kopf. »Du hattest mir versprochen, dass wenn die Zeit käme, in der ich sie brauchen würde, du mir nicht im Weg ständest.« Ein gemeines Lächeln umspielte seine Lippen. »So war der Deal.«
Die Frau zischte wie eine Schlange. »Warum hältst du sie nicht einfach aus dem Ganzen raus? Sie weiss von nichts und es ist besser so. Du wirst sie nur ins Verderben treiben, genau wie ihre Mutter!«
»Wage es nicht, mir das anzuhängen, Risha! Ausserdem ist es deine Schuld, dass sie von nichts weiss, wenn du ihr nichts erzählt hast.« Nachdenklich steckte er sich einen Fingerhut in den Mund und kaute kurz darauf herum, dann spuckte er ihn aus. »Zeig sie mir!«
»Sie schläft.«
»Zeig sie mir!«
Rishas Gesicht wurde zu einer hässlichen Fratze. Trotzdem drehte sie sich um und leitete ihn, mit ihrem Kerzenleuchter vorrausgehend, in den hinteren Teil des Wohnwagens. »Hinter der Schiebetür«, brummte sie und liess Jeremy Topper vorbei.
So leise wie er konnte, zog er an der Tür und spähte durch den Spalt in den engen Raum dahinter. Dort war es eng und der Staub tanzte im Mondlicht. Ein Bett und ein Nachttisch, auf dem ein paar Taschenbücher mit eingeknicktem Rücken lagen, füllten den Raum. Auf dem Boden waren Klamotten, Schulbücher und ein Rucksack verstreut. Abgesehen von einem grossen Traumfänger, der mit Glasscherben, Muscheln und bunten Federn bestückt war, war er gänzlich schmucklos.
In dem Bett räkelte sich jemand.
Auf leisen Sohlen schob sich der Hutmacher in das Zimmer und schlich vorsichtig ans Bett, wo er sich hinkniete und die Schlafende betrachtete. Eine junge Frau, nicht älter als 19 Jahre. Sie war gross, schlank und hatte feine Züge. Ihre Haut besass die Farbe jener, die die Sonne nicht scheuten.
Jeremy ignorierte Rishas warnendes Zischen, als er die Hand ausstreckte. Er konnte nicht anders, er musste dieses Haar berühren, das bunt war wie die Federn eines Paradiesvogels. An den Spitzen grün wie frisches Gras, dann türkise wie die heissen Quellen Geysirias und am Ansatz blau wie der Abendhimmel.
Das Mädchen schrak hoch und ehe er es sich versah, hatte auch sie ein Messer in der Hand, dessen Spitze an dem weichen Fleisch unter seinem Kinn verharrte. Die schönen, dunklen Augen zeigten keine Angst, nur Entschlossenheit. Augen wie die ihres Vaters.
»Guten Abend.« Jeremy lächelte, als wäre die Klinge ein Strauss Blumen. »Du bist also Ori...«


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Lieber Leser

Wenn du noch nicht genug von Twos hast, findest du den Prolog der 2. Fassung nun ready to read in »Twos – Ein Märchen von Sommer und Winter« auf meinem Profil.
Reinschauen!

Wer hingegen lieber etwas gefühlsduseliges gequatsche von mir hören will, der blättert zum nächsten Kapitel weiter ;P

So und nun wird diskutiert!
Habt ihr das erwartet? Wer kann mir sagen, wer Ori ist? Na? Wer?
Was glaubt ihr, hat Jeremy mit Risha und Ori vor und was hat die Prophezeiung damit zu tun? Lasst es mich wissen ;)

So und jetzt los. Lest den neuen, wunderschönen Prolog der zweiten Fassung oder lest meine emotionale Explosion in den Authornotes!

Danke fürs Lesen, beehren Sie Twos bald wieder.
Eure Mara

Uralte Fassung (1): Twos - Die Prophezeiung von Feuer und EisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt