Kapitel 5

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TATIANA

Bevor Morgan dazu kam, mir meinen Wunsch zu erfüllen, geschah etwas ziemlich unerwartetes. Claire fiel in Ohnmacht.
Im einen Augenblick saß sie einfach mit einem verwirrten Gesichtsausdruck da, im nächsten sackte ihr kleiner Körper auf meinem Schoß in sich zusammen. Irgendwie bereute ich es jetzt, nie einen Erste-Hilfe-Krus gemacht zu haben, denn ich hatte keinen blassen Schimmer was ich tun könnte. 
Nach ihren Gesichter zu verurteilen wussten auch Milan und Morgan nicht was grade geschah. Dies machte mich nur noch ängstlicher. Trotz allem waren sie bisher die gewesen, die...sagen wir mal,  Dinge wussten. Über diese angebliche andere Welt, in der wir uns angeblicherweise befanden und über die seltsamen Sachen die Milan mit dem Holz machen konnte. Dass sie über der Tatsache, warum  Claire in Ohnmacht gefallen war, anscheinend auch nichts wussten, war...beunruhigend.
Ein Schrei schnitt plötzlich durch die Luft. Ich erschrak und fuhr zusammen,  versuchte die Person, die geschrieen haben mochte, ausfindig zu machen. Zu meiner Überraschung, aber auch zu meiner Sorge, stammte dieser Schrei von Claire. Und nun drangen andere Stimmen aus ihrem Mund, Stimmen die ganz und gar nicht zu einem kleinen Mädchen passten. Dunkles, böses Gelächter und hiernach mehr Schreie und Bitten um Gnade kamen aus ihrem Mund. Ihre Stimme wechselte von einem groben Baryton zu der Stimme eines jungen Mannes und ihr Gesichtsausdruck von schmerzverzerrt zu hämisch grinsend.
Wie erstarrt schaute ich die Gestalt auf meinem Schoß an, unfähig irgendwas zu tun.
Entsetzt entdeckte ich wie blutige Wunden an ihrem Körper auftauchten, immer neue. Sie weinte, und sie brüllte und sie schrie.  Dann aber verschwanden die Wunden, um durch schwarzer Farbe, die sich wie Tinte auf ihrer Haut ausbreitete, ersetzt zu werden. Sie lachte böse.
Die Wunden kamen aber gleich wieder und sie bat mit zitternder Stimme um Gnade. Sie bettelte, flehte und weinte, doch es half ihr nichts. Neue Wunden kamen zu die, die sie schon hatte.
Dann schrie sie wieder, herzerweichend. Und diesmal mischte sich ein zweiter Schrei ein. Ich stellte halb wundernd fest, dass er von mir kam.
Dann war es vorbei. Claire schlug sie Augen auf und da verschwanden schon alle Wunden. Mit zitternder Hand berührte ich ihr Arm wo grade eben ein tiefer, stark blutender Schnitt verschwunden war. Es war nichts mehr zu sehen, doch Claire zuckte kurz zusammen als ich ihre Haut berührte.
Als ich ihr in die Augen schaute, sah ich in deren dunkelblauen Tiefen noch einmal Bilder, diesmal von einem Raum voller Folterinstrumente. Als ich eine Person, einen Jungen, sah, dem grade ein neuer Schnitt versetzt wurde, hallten die Schreie noch immer in meinem Kopf wieder.
Sie wandte den Blich ab und ich holte tief Luft.
"...gar nicht gut," hörte ich Morgans tiefe stimme plötzlich sagen.
"Was war das grade eben," platzte es aus mir heraus, doch der große Krieger achtete nicht auf mich.
Stattdessen ging er in die Hocke und fragte Claire mit ungewöhnlich weicher Stimme: "An wie viel erinnerst du dich?"
Erstmal antwortete sie nicht.
Dann sagte sie zögernd: "Es waren so starke Gefühle. Ich spürte sie ganz deutlich, als wären sie... als wären sie... meine eigenen. Es waren Angst und Kummer... und Hass und Schmerz... und Freude. Aber...sie waren fast zu stark. Es war so, als...als ob sie irgendwie nicht in meinem Kopf Platz hatten. Schon ganz am Anfang bekam ich grässliche Kopfschmerzen. Dann sah ich diese unheimliche Folterkammer und da lag wer... es war ein J-Junge mit grauen Haaren und nacktem Oberkörper und eine andere Person, sie war groß und mit schwarzen Haaren, mit einem Messer in der Hand. Die Bilder verstärkten die Gefühle noch mehr, und es tat so weh. Es war als ob ich zur selben Zeit i beide Personen wäre, ich fühlte einerseits den Schmerz, wenn der große Mann eine neue Wunde machte und a-andererseits seine unheimliche Freude, jedesmal, wenn sein Opfer schrie. Ich kann es irgendwie nicht so wirklich erklären."
Ich war völlig geschockt und außer mir. Dass ein so kleines Mädchen, vielleicht mal sieben Jahre alt, so was sehen musste!
"Ich glaube, wir brauchen jetzt sogar noch dringender eine Erklärung für all das hier," sagte ich und überraschenderweise gelang es mir relativ gut meine Stimme ruhig klingen zu lassen.
Morgan seufzte und fuhr sich mit der Hand einmal durch die dunkelgrauen Haare.
"Es wird langsam dunkel. Wir sollten erstmal ein Lagerfeuer machen. Dann kann ich euch alles erklären. Milan, hol du doch mal Holz."
Milan machte keine Anstalten zu gehen. Stattdessen setzte er sich hin und legte die Hände auf die Erde. Ich guckte gespannt zu, als plötzlich in Sekundenschnelle eine große Eiche aufwuchs. Aber, als ob das nicht beeindruckend genug wäre, begann sich dieser Baum ganz von selbst in Stücke zu trennen, jedes Stück genau gerade und schön. Als sich genug Holz für ein Lagerfeuer auf dem Boden gesammelt hatte, ließ Milan ganz einfach den Rest mit dem Boden verschmelzen. Ich saß da und konnte den Mund einfach nicht wieder zumachen.
"Was guckst du da so blöd rum, gleich fallen dir ja die Augen aus dem Kopf," sagte er amüsiert und langsam merkte ich, dass Milan mich mit einem Grinsen musterte.
Ich musste ohne es zu wollen daran denken, wie gut er eigentlich beim Grinsen aussah.
Innerlich gab ich mir eine Ohrfeige.
Reiß dich zusammen, Mädchen, du bist nicht hier um über zufällige Jungs, die du nicht mal kennst, zu sabbern, sondern... Ja, keine Ahnung, du wirst ja bestimmt gleich rausfinden, wieso du überhaupt hier bist. Also, hör auf so zu starren, als ob du noch nie nen Jungen gesehen hättest.
"Ich merk ja schon, du findest meine kleinen Tricks sehr beeindruckend, da kann ich dir ja auch keine Vorwürfe machen, hast ja in der anderen Welt gelebt hast, aber trotzdem, ich hab ja noch viel coolere Sachen, die ich dir zeigen könnte." Er zwinkerte mir zu.
Mit einem selbstzufriedenem Lachen schnipste er, und die ganzen Holzstücke stapelten sich von selbst.
"Zünd du doch mal an, Morgan."
"Hier bin ich Befehlshaber, und nicht du, du Satansbraten, aber lassen wir es gut sein. Wir wollen unsere Mädchen nicht ermüden, denen steht ja noch einiges bevor," meinte der Krieger und zündete mit ein paar Streichhölzern das Feuer an.
Gottseidank, wir sind zwar in einer anderen Welt gelandet, aber es gibt letztlich trotzdem Streichhölzer. Gut, es ist ja schon gruselig genug, was dieser Milan, der übrigens verdammt sü...ach, auch egal, mit dem Holz konnte, da muss Morgan nicht unbedingt das Lagerfeuer mit einem Schnipsen anzuzünden.
"Na, dann hört mal gut zu, denn jetzt kommt eine  lange Geschichte..."

Dieses Kapitel ist Fire_Girl13 gewidmet, weil sie mein Buch als erste überhaupt gelesen hat, weil sie so oft gevotet und kommentiert hat.
Also, dank an dich❤️

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