Kapitel 11

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TATIANA

Es war das Geräusch, das Hufe auf moosbedecktem Boden erzeugen, wenn sie sich ganz schnell bewegen.
Woher weiß ich das eigentlich?
Keine Ahnung... Streng genommen weißt du auch nicht wirklich ob es stimmt oder nicht...
Mir schwante bereits böses bevor drei Reiter, die mir so vorkamen als würden sie aus den Schatten kommen, und nichts als Schatten sein, in rasender Geschwindigkeit auf den Pfad donnerten und uns den Weg versperrten.
Die zwei blieben stehen, nach einer so harten Bremsung, dass ich mir dachte, die Pferde würden das unmöglich schaffen, doch der dritte drehte blitzschnell und steuerte geradewegs auf Morgan zu, der ganz vorne ritt.
Wow, Alter, da können welche krass reiten...
Wie gestört bin ich eigentlich, ich müsste Angst haben!
Später wurde mir bewusst, dass ich zu dem Zeitpunkt eigentlich gar keine Angst verspürte...
Einfach nur ein Kribbeln in meiner rechten Hand...
Hmmm... Das klingt leicht fragwürdig...
Tja, grade ist mein Leben eben fragwürdig.
Bevor ich weiterhin zu der Situation durchaus nicht passende Gedanken denken konnte, brachen plötzlich zwei weitere Schatten seitlich zu uns aus dem Wald, und in dem Moment wo ich realisierte, dass der eine sich mit einem gehobenem Schwert geradewegs auf Milan und Claire zuritt, flammte eine unbändige Wut, genährt von der Besorgnis, die sich jetzt beschlossen hatte in mir niederzulassen, in meinem Inneren auf.

Ich wollte Feuermähne gedanklich Bescheid geben, sich auf den Weg zu ihnen zu machen, obwohl ich nicht wirklich wusste was ich tun sollte. Ich verspürte einfach einen heftigen Drang irgendwas zu tun, sie zu beschützen oder was auch immer.
Ich wurde jedoch abgelenkt, und zwar durch den letzten Reiter. In dem Bruchteil einer Sekunde spürte ich seinen merkwürdigen kalten Atem in meinem Nacken, und ohne mir Zeit zu lassen irgendwelche Gedanken zu denken, schlug ich feste zu, ohne mich umzudrehen. Der überraschte Ruf, der hinter mir erklang, erzählte mir, dass er damit wohl nicht gerechnet hatte, und aus irgendeinem Grund machte mich dies nur noch wütender; es ließ aber auch einem anderen Gefühl Platz, ein Gefühl des Stolzes, der Zufriedenheit.

Take that, Schatten. Du wirst jetzt dein blaues Wunder erleben.

Und in dem Moment fühlte sie sich so Bad Ass wie noch nie zuvor, sagte irgendeine andere Stimme in meinem Kopf und führte einen kleinen Jubeltanz auf.

Ich verzog mein Gesicht zu einem teuflischen Grinsen als ich mich auf dem Pferderücken aufrichtete, und sich Feuermähne instinktiv umdrehte, sodass ich meinem Gegner gegenüberstand.

Plötzlich tauchte ein Bild in meinem Kopf auf, von einem Messer in einer Tasche, und ich wusste sofort was mir Feuermähne sagen wollte. Blitzschnell zog ich es heraus und blockierte mit ihm ein Schlag vom Schwert meines Gegners. Er war stark, der schwarze Reiter, doch ich legte all meine Kraft und meine Wut in den Schwung, und somit machte ich seinem Plan dieses Mal ein Ende.
Bevor er sich erholen konnte, erhob ich mein Messer und stach es in das, was bei normalen Menschen ein Gesicht hätte sein sollen. Obwohl es für mich alles nur schwarz und gleich aussah, schien es zu schmerzen, und sein Schrei war wie Musik in meinen Ohren.
Ich fühlte mich frei, und es kam mir so vor, als hätte ich niemals was anderes gemacht als mit diesem Messer zu kämpfen.
Dann aber erst realisierte ich was ich hier eigentlich tat: ich stach einem Menschen (naja, oder eben fast-Menschen) ein Messer ins Gesicht. Ich stach einem Menschen ein Messer ins Gesicht.
Augenblicklich verschwand mein Grinsen und das berauschende Gefühl. Wie paralysiert zog ich das Messer heraus und schaute die mir angeekelt die klebrige, schwarze Flüssigkeit an. Es ging mir auf, dass das Messerblatt rötlich golden schimmerte, es schien eine Art wohlbekannte Macht oder Kraft auszustrahlen...
"Tatiana!!!"
Ich hob langsam den Kopf als ich Morgans Stimme hörte, nur um zu sehen wie dieser sich mitsamt Pferd vor mich schmiss und mit irgendeiner Art Waffe meinen Feind vernichtete. Und in letzter Sekunde, wirklich. Erst jetzt merkte ich wie nah ich daran gewesen war umgebracht zu werden. Umgebracht zu werden. Ein Shakespeare Zitat tauchte in meinem Kopf auf.

Der grause Scherge Tod

Verhaftet schleunig


Stille war eingekehrt. Als ich mich umsah entdeckte ich fünf leblose Körper am Boden und zwei Pferde.
Es fühlte sich so an, als wäre ich in einer Blase, oder unter Wasser, ich fühlte mich träge und die Stimme Morgans und jetzt auch Milans und Claires drangen nur schwach zu mir hindurch.
Ich merkte gar nicht, dass mir leise Tränen über die Wangen liefen.
Das Messer hat geschimmert...
Es hat geschimmert...
"Tania!!! Gehts dir nicht gut?" Die helle, besorgte Stimme hörte ich zwar, aber ich fühlte mich nicht imstande sie zu beantworten. Meine eigenen Gedanken füllten mein Hirn völlig aus, sie hallten wieder, schienen mir zu erzählen wie dumm ich war, dass ich diesen Zusammenhang nicht vorher hätte ausrechnen können. Sie schienen immer wieder zu versuchen, die Wahrheit zu unterstreichen, sodass ich sie endlich verstehen würde.
Das Messer hat geschimmert... Aber nicht nur das Messer... Du warst die eigentliche Lichtquelle... Deine Eifer, Entschlossenheit, Freude am Kämpfen hat dich zum Leuchten gebracht! Wie sollte es sonst möglich sein, dass ein kleines Messer den Schlag eines Schwertes blockieren kann? Das ist nicht möglich, verstehst du das? Das. ist. nicht. möglich. Es war Magie!

Das Wort hallte in meinem leeren Kopf.

Das Messer hat geschimmert...geleuchtet.... Deshalb hat sich die Kraft, die vom Messer ausging, bekannt angefühlt... Du hast geschimmert... Schimmer.... Magie... Messer... Du hast einem Menschen ein Messer ins Gesicht gestochen... Und hast dich dabei wohl gefühlt!
Ohne das ich es wusste, liefen mir Tränen übers Gesicht, völlig lautlos, als äußeres Zeichen für meine inneren Qualen. Dann aber fühlte es sich so an, als würde meine Blase platzen, als eine kleine, kühle Hand mir über die Wange strich.
Alles hörte auf, sich so fern anzufühlen, und schlagartig begann ich zu schluchzen. Ich schlang die Arme um meine Knie, und merkte erst jetzt, dass ich irgendwie vom Pferderücken auf den Boden befördert worden war. Neben mir saß Claire, und sie sah so besorgt und hilflos aus, dass ich versuchte, durch meine Tränen aufmunternd zu lächeln. Ich bin mir sicher, dass es mir nicht gelang, ich schnitt höchstwahrscheinlich nur eine Grimasse. Sie schien allerdings zu verstehen was ich wollte, schüttelte aber bloß den Kopf und umarmte mich von der Seite. Ich weinte weiterhin vor mich hin.
Schließlich ließ sich etwas schweres neben mir nieder. Ich fand nicht die Kraft nachzugucken, wer es war, aber ich war mir ziemlich sicher, dass es Milan war. Morgan kam mir zu autoritär vor, als dass er so etwas tun würde. 
Milan schlang einen großen Arm um meinen Rücken, und ich lehnte erschöpft meinen Kopf an seiner Schulter. Ich war ihnen alle dankbar dafür, dass sie nichts sagten.
Und so schlief ich ein, erschöpft von einem eigentlich sehr kurzen Tag, an dem ich allerdings schon zum ersten mal in meinem Leben mit einem Messer gekämpft, geleuchtet und fast umgebracht worden bin, mit meinem Kopf an Milans Schulter und Claires auf meinem Schoß. 

Fate Of The Blue Eyes -DeutschWo Geschichten leben. Entdecke jetzt