Kapitel 13

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TATIANA

Schon seit zwei Tagen waren wir unterwegs, und ich hatte mich jetzt so einigermaßen vom Kampf erholt. Allerdings ritt ich noch immer bei Milan mit. Ich hatte schon mehrmals versucht ihm zu erklären, dass ich wirklich wieder alleine reiten konnte, doch er weigerte sich es zu verstehen. Sturkopf!

Er schien noch immer ziemlich besorgt um mich zu sein, was ich zugegebenermaßen schon süß fand...

Es war eigentlich gar nicht so schlimm so lange am Stück zu reiten wie ich erstmal dachte, wenigstens nicht, wenn man sich den ganzen Tag dann mit Milan unterhalten konnte. 

Inzwischen kam ich ziemlich gut mit dem ganzen Magie-kram zurecht, es schien so, als wäre manches Wissen endlich mal zu meinem Gehirn durchgedrungen, und ich habe das Meiste auch so einigermaßen bearbeitet und akzeptiert. Selbst mit der Tatsache, dass ich einen anderen  Menschen (oder eben Menschen-ähnlichen Lebewesen) fast erdolcht hätte und es mir dazu noch Spaß gemacht hätte, kam ich klar, worauf ich zugeben musste, dass ich ziemlich Stolz war.

Die Sonne ging langsam unter, und tauchte die Landschaft in ein unwirkliches, wunderschönes goldenes Licht. Obwohl wir in einer anderen Welt waren, war wirklich fast alles wie Zuhause; bloß schien es so, als ob es hier nur endlose Natur gab. Dies gefiel mir sehr, und auch Claire schien sich hier wohlzufühlen. Ich war mir sicher, sie dachte nicht mehr wirklich an die Tatsachen, dass wir auf der Flucht vor einer Truppe Schatten waren, die zur Aufgabe hatten uns zu vernichten, dass sie angeblich das neue Orakel war, dass sie Dixynon vor einem Krieg retten soll, und dass wir überhaupt keinen blassen Schimmer hatten, wohin uns unsere Begleiter eigentlich brachten. Weder Morgan noch Milan wollten uns auch nur einen winzigen Hinweis geben, wo das Ziel unserer Reise lag. Vielleicht war das auch besser so. Wenn wir geradewegs in eine schreckliche Burg voller Folterkammern gebracht wurden, und ich dies wüsste, würde ich grade wahrscheinlich nicht die Ruhe und den Sonnenuntergang genießen können.

"Wunderschön, stimmt's?" flüsterte plötzlich eine tiefe Stimme in mein Ohr und ein wohliger Schauer jagte über meinen Rücken. Ich konnte die Wärme, die von Milan ausging förmlich spüren, er saß so dicht hinter mir... Mein Herz schlug ein wenig schneller, als ich mich umdrehte und direkt in seine haselnussbraunen Augen, die weniger als zwei Zentimeter von meinen entfernt waren, sah.

"Ja, es scheint hier alles noch ein wenig schöner zu sein als Zuhause," flüsterte ich zurück. Dann drehte ich mich wieder um und betrachtete die zarten Farben, in die der Himmel getaucht wurde. Während ich zusah wichen sie langsam der tiefblauen Farbe des Himmels und ließen Platz für den schönsten Sternenhimmel den ich jemals gesehen hatte. Was wahrscheinlich damit zusammen hing, dass ich bisher in einer Großstadt gelebt hatte, wo die vielen grellen Lichtern der Werbeplakaten und Shops die echten Naturwunder fast völlig übertönten.

In dem Moment realisierte ich, dass ich seit Anfang dieser Reise mein Zuhause nicht wirklich vermisst hatte. Nicht mal meine Eltern... Gott, ich war ja so eine schlechte Tochter! Jeder normale Mensch würde an dieser Stelle, unter einem Sternenhimmel, mit den Gedanken bei den Eltern, weit weg von Zuhause, herzerweichend weinen und darum betteln wieder zurückzukommen. Doch wo dieses Thema mir in den Sinn gekommen war, ging mir auf, dass weder Claire noch ich etwas derartiges getan hatten.

Ich sah rüber zu unserem kleinen Orakel. Sie ritt vor Morgan auf dem Pferd und sie war inzwischen eingeschlafen wie es schien. In dem Moment sah sie so unglaublich friedlich aus; sie plagte heute Nacht anscheinend keine Alpträume und das gönnte ich ihr von vollstem Herzen. Sie musste schon viel zu viel durchmachen für ein so kleines Mädchen. Ich musste lächeln. Sie war mir so schnell ans Herz gewachsen, und am liebsten wollte ich sie vor allem Bösen beschützen.

Meine Miene verfinsterte sich. Ich musste unwillkürlich an die Schatten denken. Morgans Reaktion nachdem sie aufgetaucht waren ließ keine Zweifel, wer eigentlich das Ziel dieser Gruppe Mörder war. Und ich konnte es einfach nicht zulassen, dass die gruseligen Wesen meine Claire in die Finger bekamen. Was ja dann wohl hieß, dass ich über meinen Schatten springen, meine Angst überwinden und mich in Kampfkunst unterrichten lassen musste, denn der gute Wille half mir ja nicht besonders viel in einem Kampf, wenn ich Angst hatte, den Monstern mein Messer in die Fresse zu stechen. Ich meine, ich könnte ja schlecht zu den Schatten hinreiten, wenn er Claire umbringen will und sagen:

"Mein lieber Schatten, würden Sie bitte so überaus freundlich sein, und sich von Claire fernhalten. Ich bin Ihnen ja dafür so dankbar, das glauben Sie gar nicht. Schönen Tag noch, Mister Auftragskiller!"

Versteht ihr was ich meine?

Also musste ich wohl kämpfen lernen. Und am Besten noch gleich dazu wie ich meine Angst bekämpfen konnte. Und ich brauchte wohl auch ein Paar Erklärungen von unseren beiden Herren Kidnapper.

Ich drehte mich auf dem Pferd um, (ich bin ziemlich stolz drauf, ich meine, ich kann mich drehen ohne runterzufallen!) und fragte Milan:

"Sag mal, kannst du mir eigentlich...."

da musste ich gähnen,

"..beibringen wie man..."

Ich bin so müde...

"...ordentlich..."

Da war ich auch schon eingeschlafen. An Milan gelehnt und nur von einem Arm davon abgehalten vom Pferd zu kullern und ziemlich unschön wieder aufzuwachen.

Fate Of The Blue Eyes -DeutschWo Geschichten leben. Entdecke jetzt