Kapitel 7

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CLAIRE

Ich lag mit dem Kopf auf Tatianas Bauch und sah mir die Sterne an. Es war ein bisschen einschüchternd das Weltall zu betrachten,  ich fühlte mich so klein und verloren. Alles sah hier so aus wie Zuhause; oder eben fast, aber es war alles trotzdem so anders.
Ich war froh, dass ich Tatiana bei mir hatte. Ihr Geruch nach Waldbeeren und ihr Herzschlag, den ich hören konnte, beruhigten mich. Und dazu konnte ich auch spüren, dass sie nur nachdenklich war, und keine Angst hatte, dass sie Morgan vertraute und seine Geschichte akzeptiert hatte, und das half mir auch ein bisschen.
Aber ich konnte seine Geschichte nicht so wirklich glauben.

Ich soll ein  "Orakel" sein? Wie soll das bitteschön gehen? Ich bin erst acht! Und es macht mir alles Angst. Meine Kräfte...oder was auch immer es ist, sie sind stark und ich kann sie nicht kontrollieren. Ich bin mir sicher ich kann das auch nicht lernen. Es sind nicht meine Kräfte, sondern sie haben einen eigenen Willen, sie schlagen ein wie ein Blitz und übernehmen mich. Ich kann nichts dagegen tun! Aber...vielleicht ist ja auch meine Gespür für die Gefühle und Stimmungen anderer Leute ein Teil davon... Ach, ich weiß es nicht.


Ich merkte auf jeden Fall, dass Morgan ehrlich war, und damit musste ich mich wohl zufrieden geben.
Ich war jetzt richtig müde und ich merkte wie meine Augen langsam zu glitten und ich in einen bösen Traum fiel.

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Ich war unzufrieden. Sehr unzufrieden. Und auch wütend. Alles wegen dieser Nachricht. Ich sah ins Dunkle hinaus und musste böse grinsen, weil ich wusste, dass sich in diesem Nebel eine riesige Armee versteckte; eine Armee die unter meinem Kommando steht.
Ich musste aber wieder daran denken, dass meine ganzen Pläne zerstört werden könnten, bloß wegen ihr!
Ich regte mich unheimlich auf und schlug meine große schwarze Faust so hart in die Wand, dass ein gigantisches Loch zum Vorschein kam. Dies machte mich nur noch wütender und ich brüllte einem Diener zu, dass er jetzt gefälligst seinen fetten Arsch bewegen sollte und erstens die Wand wieder heil machen und zweitens  Bescheid geben sollte, dass dieses kleine Ding endlich vernichtet werden sollte. Er machte sich erschrocken auf dem Weg, und ich genoss meine Autorität und die Art wie ich anderen Angst machen konnte. Doch irgendwo in meinem Innern erinnerte eine kleine Stimme mich wieder daran wer ich früher war, und was ich grade tat. Verdammt, warum, warum, konnte ich bloß nicht diese lästige Sachen Erinnerung, Gewissen und Vergangenheit ausrotten?!
Schon wieder machte ich die Wand kaputt, das heißt, noch mehr kaputt als sie es eh schon war und trampelte aufgebracht in mein Gemach. Hier wühlte ich in einer Kiste rum, bis ich schließlich das fand, wonach ich suchte: ein altes Foto. Ohne es auch nur anzuschauen zündete ich es an. Ich lachte, doch ich wusste, ich tat es nur, um meine Angst und mein schlechtes Gewissen zu überspielen...

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Ich hörte noch immer mein Lachen, als ich merkte wie sich etwas unter mir sich bewegte. Ohne auch nur die Augen zu öffnen, lag ich vollkommen still, bis ich schließlich hochfuhr und meine Hände um den Hals von meinem Feind legte und kräftig zudrückte. Als ich jedoch die Augen aufmachte und währenddessen noch hämisch grinste, sah ich nicht meine wirklichen Hände, riesig und schwarz, sondern kleine, helle Hände, die den Hals von Tatiana umschlangen... Warte, was??? Mein Grinsen verschwand als ich merkte, dass ich ihr den Hals grade wirklich zudrückte, und ließ sie sofort los.  Ich glitt von ihr runter und realisierte endlich, dass ich dachte, mein Traum wäre Wirklichkeit... Denn es war ein Traum gewesen, oder...?
Mann, ich hätte sie fast umgebracht! Ich hätte Tatiana wirklich fast umgebracht! Es war so schrecklich, sie war ja das Einzige was ich hatte, das letzte das noch vertraut war. Das war doch nicht ich! Ich hätte sie nicht wirklich umgebracht... Oder doch?
Ohne es zu wissen war ich von ihr runtergeglitten und leise kullerten Tränen meine Wangen runter. Ich schluchzte, und bekam erst mal einen riesigen Schock, als ich Morgans Gesicht sah, das mich besorgt musterte.
"... Was ist los? Es wird alles gut." Seine Stimme klang ruhig, jedoch spürte ich, dass er besorgt war.
"Ich...ich...hätte sie fast..." Ich flüsterte es nur so vor mich hin, doch Morgan und auch Tatiana schien es gehört zu haben. Sie nahm mich in den Arm, und obwohl ich es nicht wollte, denn ich hatte Angst ich würde sowas wieder tun, hatte ich keine Kraft mich zu wehren. Ich sah sie ängstlich an, und sie hatte lila und blaue Abdrücke von meinen Händen. Um den Hals.
Und ich musste schon wieder weinen.
"Pscht... Ich weiß, du hast es nicht mit Absicht getan," flüsterte mich Tatiana ins Ohr. Und ich war ihr so unendlich dankbar, dass sie das verstand. Sie war auch überzeugt davon, das spürte ich.
Morgan sagte nun: "Hast du was geträumt?"
Ich konnte nur Nicken und obwohl ich mich so erschöpft fühlte, und eigentlich keine Lust dazu hatte, erzählte ich ihnen davon. Von meinem Traum. Ich wollte, dass sie auch verstehen würden, ich habe das nicht mit Absicht gemacht. Nicht wirklich.
Morgan saß nach meiner Geschichte und sah nachdenklich vor sich hin.
Milan musste natürlich auch noch spaßen und sagte: "Du bist ja ein Fiesling! Hätte ich jetzt wirklich nicht von dir erwartet." Er grinste auch noch breit.
Ich wurde sofort wütend, das hätte er nicht sagen sollen! Ich wollte grade was richtig gemeines erwidern, jedoch kam mir Tatiana zuvor.
Es sagte schmack und somit hinterließ sie einen roten Abdruck auf seiner Wange. Er sah sie fassungslos an, doch sie bereute es gar nicht. Wie immer, ich spürte es.
Morgan machte den Mund auf und zog die Augenbrauen zusammen, sagte dann aber trotzdem nichts. Er brummte bloß.
Ich war erstaunt, denn der Abdruck verschwand unheimlich schnell, doch Milan sah Tatiana nur einmal empört und dann eiskalt an und drehte sich dann um. Er schmolz einfach so mit dem Wald zusammen und wir konnten ihn bald nicht mehr sehen.
"Denkst du, ich bin zu weit gegangen?" fragte nun Tatiana.
Morgan aber meinte nur: "Er kommt zurück." und somit ließ er sie verunsichert.
Plötzlich tat mir Milan leid und ich stellte mich hin.
"Ich geh ihn suchen."
Morgan wollte irgendwas einwenden, aber  ich sah ihm einfach nur entschlossen in die Augen und er machte den Mund zu und ließ mich gehen. 
Komisch, was meine Augen für eine Wirkung auf Menschen hat.
Ich ging los, um Milan zu suchen.

Fate Of The Blue Eyes -DeutschWo Geschichten leben. Entdecke jetzt