XIV

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„... und dann: Bam, Bam, Bam! So ein krasses Passspiel von Wilkins und Garner und plötzlich kommt Finnieston aus dem Nichts angeschossen und BOOM! Versenkt er den Ball im Tor." Mit Händen und Füßen erzählt mein Vater begeistert von Fußballspiel seiner Lieblingsmannschaft: Chelsea gegen Manchester. Sirius sitzt mit einem großen Fragezeichen im Gesicht auf dem Sofa und sieht ihm zu, während ich mich über die Versuche meines Vaters Finniestons Fallrückzieher nachzustellen kaputt lache.
„Was ist ein Garner?", fragt er mich leise.
„Ein Fußballspieler", kichere ich und er nickt verstehend.
„Und ein Fallrückzieher?" Wortlos zeige ich auf meinen Vater, der so begeistert erzählt, dass er gar nicht gemerkt hat, dass wir ihm kurz nicht zugehört haben.
„Und dann stand er aber in Abseits, ich hab mich so geärgert!"
„Was ist ein Abseits?", fragt Sirius wieder verwirrt.
„Irgendsoeine Regel. Ich kapier sie selber nicht", antworte ich leise, doch mein Vater hat es gehört.
„Aber ich hab es dir doch schon oft genug erklärt, Rosie. Also, das ist so: wenn..." Während mein Vater Sirius die Abseitsregel erklärt, schleiche ich mich aus dem Wohnzimmer und gehe ich die Küche. Dort stelle ich mich an das Fenster, an dem ich auch in der Nacht stand, in der Sirius kam, und denke über die letzte Woche nach, die Sirius jetzt schon hier verbringt.
Er versteht sich zum Glück prächtig mit meinen Eltern. Meine Mutter verwöhnt ihn, wo es nur geht und behandelt ihn wie ihren eigenen Sohn.
Mein Vater war ganz begeistert von Quidditch, als Sirius es ihm erklärt hat, doch um Gegenzug, musste Sirius mit ihm Fußball schauen.
Sirius war aber mehr von Fernseher als von Spiel begeistert und ich musste ihm danach ausführlich erklären, wie das Ding funktioniert.
Sirius und ich kommen erstaunlich gut miteinander aus und hier Zuhause, ohne viele fremde Menschen um mich herum, bin ich auch etwas selbstbewusster, als in Hogwarts.
Lächelnd wende ich mich vom Fenster ab und hole mir einen Stuhl, um Schokolade aus dem obersten Regal zu holen.
„Krieg ich auch was?", höre ich plötzlich jemanden und vor Schreck falle ich fast vom Stuhl runter. Sirius grinst und hält mich an der Taille fest.
„Erschreck mich doch nicht so", sage ich gespielt böse, kann mir ein kleines Lächelnd aber nicht verkneifen. Er lacht nur leise. Ich springe vom Stuhl herunter und schiebe ihn an seinen ursprünglichen Platz.
„Hier." Ich breche die Schokolade in Stücke und lege sie ihn die Mitte. Wir nehmen uns jeder ein Stück und schweigen und an.
„Dein Vater ist sehr nett", durchbricht Sirius irgendwann die Stille.
„Hm", mache ich nur und füge noch hinzu:„Manchmal ist er sehr... temperamentvoll. Besonders wenn es um Chelsea geht." Wir grinsen und dann herrscht wieder Stille.
„Warst du eigentlich schonmal verliebt?", fragt Sirius plötzlich und ich sehe überrascht auf. Wie kommt er denn jetzt darauf?
„Also so richtig, mein ich", fügt er noch hinzu,„mit Herzklopfen, Kribbeln im Bauch und den ganzen Schrott." Kurz überlege ich, ob ich ihm davon erzählen soll. Warum eigentlich nicht? Es schadet doch nichts. Und mittlerweile vertraue ich ihm soweit, dass ich glaube, dass er es nicht rum erzählt.
„Da gab es einen Jungen", beginne ich und lächele bei dem Gedanken an ihn.
„Er hieß Pablo Jaramago und sein Englisch war grauenhaft. Mit einem starken spanischen Akzent. Ich habe trotzdem das meiste verstanden. Wir habend uns in den Sommerferien zwischen dem fünften und dem sechsten Schuljahr auf Gran Canaria kennengelernt."
„Das waren ja letzte Sommerferien", stellt Sirius überrascht fest und ich nicke.
„Er war unglaublich. Gut aussehend, charmant, zuvor kommend, höflich. Wie ein perfekter Typ aus einer kitschigen Liebesgeschichte."
„Oh, Rosie fängt an zu schwärmen.", feixt Sirius. Ich lächele nur müde.
„Er war ein Muggle. Und ich konnte nie ehrlich zu ihm sein. Wir waren sechs Wochen lang auf Gran Canaria. Mir zuliebe. Weil ich bei ihm sein wollte." Ich zucke resigniert mit den Schultern.
„Jetzt sind die Sommerferien lange vorbei. Wir haben den Kontakt verloren. Ich werde ihn wahrscheinlich nie wieder sehen." Kurz bilde ich mir ein, ein kleines Lächeln über Sirius Gesicht huschen zu sehen, doch dann ist es wieder vorbei und er guckt ernst.
„Das ist... Schade", sagt er schließlich,„warst du bei ihm auch so, wie du hier bist? So selbstbewusst?" Kurz überlege ich, dann schüttele ich langsam den Kopf.
„Nein. Ich war quasi wie in der Schule. Ein bisschen mehr habe ich schon gesagt. Aber er hat die meiste Zeit geredet. Meistens davon, was er mit mir alles unternehmen möchte. Dazu wird es nie kommen." Ein bitterer Zug schleicht sich in meinen Ton und ich lächele, um meine Trauer zu überspielen.
„Und du? Warst du mal verliebt? Mit dem ganzen Schrott?" Ich sehe kurz wie er die Augenbrauen runzelt, als würde ihm dieses Thema gar nicht gefallen, dann glättet sich seine Stirn wieder und er fängt an zu erzählen.
„Sie hieß Talia Morrison und wohnte in einem Mugglehaus, neben unserem. Sie war Mugglegeborene Hexe und ging auf Beuxbaton. Das ist die Zaubererschule in Frankreich. Ihre Mütter ist Französin. Sie war... Unbeschreiblich. Ich war vierzehn und leicht zu beeindrucken. Sie hat immer so gelacht, als wäre die Welt aus rosa Zuckerwatte und es gäbe keine Gefahr auf Krieg oder als hätte sie keine Teenieprobleme, die doch sonst jedes Mädchen mit vierzehn hat. Und sie hatte Grübchen. Auf jeder Wange eins. Und ihre Augen habe so blau gestrahlt, dass man wenn man hineinsah, das Gefühl hatte, man würde in einen Ozean sehen." Ich wusste ja gar nicht, dass er so romantisch sein kann. Während er spricht, spüre ich einen winzigen Stich im Bauch. Eifersucht? Bestimmt nur Hunger.
„Was ist aus euch geworden?", frage ich vorsichtig, da es ein empfindliches Thema zu sein scheint. Er lacht kurz bitter.
„Ich hab's verbockt. Wollte damals schon, mit vierzehn, James beweisen, dass ich jede kriege. Ich hab auf irgendeiner Muggle-Party, auf die ich mich mit gefälschten Ausweis geschlichen hab, mit so nem Mädel geknutscht. Ich weiß nicht mal mehr ihren Namen. Talia hat es gesehen, ihr Cousin war der Türsteher, also er sie auch da. Und sie hat entsprechend gehandelt. Ich konnte noch so viel betteln und auf den Knien rutschen. Es hat nichts gebracht. Sie war unerbittlich. Ich hab ihr sogar Blumen geschenkt." Kurz muss ich grinsen bei der Vorstellung, wie Sirius mit Blumen in der Hand ein Mädchen anfleht bei ihm zu bleiben. Dann werde ich wieder ernst.
„Und wo ist sie heute?" Sirius Augen verdunkeln sich und Trauer blitzt in ihnen auf.
„Zwei Wochen nach meinem kleinen Unfall, ist ihre Mutter gestorben. Wurde umgebracht. Von Todessern. Niemand weiß warum. Talia wurde schlagartig und mit ganzer Heftigkeit klar, dass je Welt nicht so schön und gut ist, wie sie immer dachte. Sie hat mit einem Schlag das Schlimmste abbekommen, was ihr passieren konnte. Und das hat sie nicht ausgehalten. Ein paar Tage nach dem Mord hat sie sich mit einem Verlängerungskabel am Baum neben den Grab ihrer Mütter aufgehängt." Den letzten Satz flüstert er nur noch. Ich sehe den Schmerz in seinen Augen.
„Das erklärt deine ganzen Betthäschen. Du bist immer noch nicht über sie hinweg", bemerke ich leise.
„Scheint so", sagt er rau und lacht einmal freudlos auf,„es ist zwei Jahre her und ich schaff's immer noch nicht sie zu vergessen. Armselig."
„Nicht armselig", widerspreche ich,„bewundernswert. Deine Liebe zu ihr war so stark, das du sie nicht einfach so vergessen kannst." Kurz herrscht Stille, jeder hängt seinen eigenen Gedanken nach.
„Mein Gott, klang das grad kitschig", sage ich irgendwann und er lacht. Diesmal ist es ein ehrliches Lachen, das auch seine Augen erreicht.
„Aber Rosie: Was in der Küche passiert, bleibt in der Küche", ermahnt er mich grinsend und hält mir die Hand hin.
„Abgemacht", lächele ich und schlage ein.
Für ein paar Sekunden gerecht Schweigen. Ewig lange Sekunden. Sie ziehen sich dahin, wie Kaugummi.
„Morgen soll es heftig regnen", bemerkt Sirius irgendwann. Das Wetter ist immer ein guter Weg, der unangenehmen Stille aus dem Weg zu gehen.
„Ja", sage ich,„ich mag Regen."
„Wirklich? Ich überhaupt nicht. Es ist alles so nass und kalt."
„Aber nur im Winter und Frühling. Im Sommer und Anfang Herbst ist er noch schön warm. Wie eine Dusche. Und die Luft danach riecht so frisch. Als hätte sie jemand mit Seifenwasser eingerieben. Aber die Seife riecht nach Bäumen und Gras." Sirius lächelt.
„Du sagst seltsame Dinge, wenn du selbstbewusst bist", sagt er.
„Ich weiß."
„Irgendwie süß." Schlagartig spüre ich, wie das Blut in meine Wangen schießt. Hat er mich gerade süß gennant? Auch ihm scheint das unangenehm zu sein, denn seine Wangen nehmen einen leichten Rosaton ab und er steht auf.
„Sorry, das klang jetzt dumm. Ich geh dann mal." Ich nicke und er geht hastig aus der Küche.

Als er außer Sichtweite ist, vergrabe ich mein Gesicht in den Händen. Der Freund meiner besten Freundin hat mich süß genannt. Da sollte nicht so sein. Das darf nicht so sein. Ich darf es nicht zulassen. Und er eigentlich auch nicht.
Aber das ist Sirius Black. Wahrscheinlich sagt er das in der Schule jeden Tag zu irgendwelchen Mädchen. Ich sollte mir nicht so viel drauf einbilden, geschweige denn darüber nachdenken. Es ist doch nichts besonderes. Das mit ihm und Liza, das ist was besonderes. Sie sind jetzt schon fast zwei Monate zusammen. Das ist die längste Beziehung, die beide jemals hatten. Und sie scheint ihn wirklich zu mögen, wenn nicht sogar zu lieben. Wir sind seit unserer Kindheit befreundet und ich kenne ihren Blick, wenn sie einen Jungen ansieht, der ihr gefällt.
Aber bei Sirius ist es anders. Sie schaut ihn nicht an wie ein... Dessert. Oder ein Sex-Objekt. Sie schaut ihn an, als wäre er etwas wirklich wertvolles. Etwas, das nicht nur zum Spaß da ist und das man nicht einfach so gehen lässt.
Und allein dieser Blick reicht als Grund, dass ich mich nicht dazwischen drängen sollte. Liza hat es verdient, mit jemandem glücklich zu sein, das darf ich ihr nicht wegnehmen.
Rosie, wo denkst du hin?!, schimpfe ich mich innerlich aus.
Als ob du jemals eine Chance bei ihm hättest. Als ob er sich auch nur ansatzweise für dich interessieren würde. Schau dich doch an. Und dann Liza. Ein großer Unterschied. Wenn er die Wahl hätte, wen würde er dann wählen, hm? Natürlich Liza. Welcher normal denkender Junge würde das nicht tun? Spinn dir keine Unsinn zusammen. Du wirst nie wieder einen Freund haben, weil du nie was sagst und dich immer zurückhältst und keiner dich bemerkt und du-
„Halt die Klappe", sage ich laut zu meiner inneren Stimme und sie verstummt.
„Meinst du mich?", fragt mein Vater, der gerade reinkommt.
„Nein", sage ich patzig und flüchte aus der Küche ins Badezimmer.
Dort stelle ich mich vor den Spiegel. Ein relativ blasses und dünnes Mädchen mit braunen, glanzlosen Haaren und dunkelblauen Augen blickt mir entgegen.
Missmutig zupfe ich an einer Haarsträhne herum und greife nach der Bürste.
Nachdem ich mich gekämmt habe, mache ich mir einen mehr oder weniger ordentlichen Pferdeschwanz. Sieht natürlich scheiße aus.
„Sieht gut aus." Erschrocken drehe ich mich um.
„Solltest du öfter so tragen", sagt meine Mutter und lächelt,„gibt's einen Anlass?" Seufzend lasse ich meine Haare wieder offen fallen.
„Ich weiß nicht, ich-" Ich breche den Satz ab.
„Nein. Nein, gibt es nicht. War einfach nur so", seufze ich schließlich und wende mich wieder dem Spiegel zu.
„Och Schätzchen", sagt meine Mutter und nimmt mich in den Arm. Mütter haben diese Eigenschaft sofort zu merken, wenn etwas nicht stimmt. Und plötzlich breche ich in Tränen aus.
„Liza ist so perfekt und beliebt. Und sie hat sich so verändert. Alle finden Sie toll. Und ich bin nur die kleine, unsichtbare, blöde Rose ohne Freunde, die nie etwas sagt. Keiner kennt mich. Sie denken alle, ich wäre neu in die Schule gekommen. Jedes Jahr. Weil sie mich vergessen, obwohl sie mich gerade noch angesehen haben. Ich bin ein Nichts in der Schule", schluchze ich in ihre Halsbeuge.
„Du bist kein Nichts, Rose. Du bist ein starkes, selbstständiges, intelligentes, unabhängiges Mädchen. Ich bin stolz auf dich, egal, was deine Mitschüler sagen. Du kannst dich nicht mit Liza vergleichen. Jeder Mensch ist verschieden und hat seine Stärken und Schwächen. Glaub mir, auch Liza ist nicht perfekt."
„Meinst du?" Ich hebe mein verheultes Gesicht und löse mich aus der Umarmung.
„Ganz sicher. Und jetzt geh schlafen, morgen ist ein neuer Tag. Da sieht alles ganz anders aus."

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Zweitausend Wörter! Ich bin stolz auf mich!
Was sagt ihr zu Sirius Geschichte? Und zu Rose's Minderwertigkeitskomplexen? Eigentlich nerven mich ja diese Mädchen die immer rum heulen, dass sie ach so hässlich und scheiße wären, aber Rose ist in der Pubertät, da gehört sowas halt dazu. Glaub ich.
Irgendwie mag ich den letzten Absatz nicht...
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Über einen Kommentar würde ich mich riesig freuen!

Marie <3

Dreimal Klischee zum Mitnehmen, bitteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt