11 - Vom Saufen und Verstecken

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Es ist unglaublich laut. Ich habe das Gefühl, dass mein Trommelfell gleich platzt. Jemand muss einen Stillezauber auf die Tür gelegt haben, denn im Korridor war es totenstill. Umso lauter kommt es mir jetzt vor. Die Musik ist von irgendeiner Rock oder Popband, die ich nicht kenne. Sie ist so laut, dass ich den Bass im Boden vibrieren spüre und die Luft ist stickig und heiß. Es stinkt nach Schweiß und Alkohol. Die Schüler schreien und springen auf und ab. Ganz Hogwarts scheint sich hier versammelt zu haben, doch ich weiß, dass James niemals zulassen würde, dass die ganzen Slytherin rein kommen.

Ich sehe, dass Marlenes Lippen sich bewegen, doch es kommt kein Ton bei mir an. Sie sieht ein bisschen aus, wie ein Fisch, schießt es mir durch den Kopf.

„Was hast du gesagt?", schreie ich und sie lacht.

„Wollen wir uns... trinken... olen?", höre ich fetzenweise. Ich nicke und zeige mit dem Finger auf die kleine Bar, die am anderen Ende des magisch vergrößertem Raum steht. Gemeinsam schieben wir uns durch die Menge und lösen ein kleines Durcheinander aus. Plötzlich bleibe ich wie angewurzelt stehen. Sirius steht mitten zwischen den Leuten und flirtet heftig mit einem Mädchen. Blond, oberflächlich, zu stark geschminkt, dumm, denke ich sofort. Er legt seine Hände um ihre Taille und mir wird übel. Ich bin kurz davor zu ihm zu maschieren und ihm gehörig die Meinung zu geigen, da dreht er seinen Kopf zu mir und sieht mir direkt in die Augen. Für einen Moment bleibt die Welt stehen. Zum ersten Mal seit wir uns kennen fällt mir auf, wie schön seine Augen sind. Er verzieht seinen Mund zu einem spöttischen Lächeln, das so typisch für ihn ist, und zieht die Blondine provokant näher an sich heran. Ein Stich fährt durch mein Herz. Ich dachte, er liebt mich. Richtig. Nicht nur so launenhaft. Erst als Marlene mich am Arm berührt, wende ich mich ruckartig um und verschwinde mit ihr im Schutz der Menge.

Eine Stunde später ist es 23.57 und ich torkele „leicht" angetrunken durch die Menge und versuche mich vor Daniel zu verstecken. Nachdem ich bereits einige Gläser Feuerwhiskey intus hatte, habe ich ihn mit seinem Bruder gesehen. Natürlich nüchtern. Der makellose Daniel würde sich niemals betrinken. Als er mich ebenfalls entdeckt hat, kam er schnell auf mich u. Doch nach dem kleinen Drama mit Sirius, fühlte ich mich nicht bereit mit meinem Freund (oder Ex-Freund?) zu reden, geschweige denn mich zu entschuldigen, also stehe ich jetzt hier und ducke mich hinter ein sehr großes Mädchen aus Hufflepuff.

„Bissu nich n bissl su alt für ver- verst- verstecken spielen?", lallt plötzlich jemand dicht an meinem Ohr und ich wirbele herum. Sirius steht vor mir mit einer leeren Rumflasche in der Hand.

„Isch bin nie su alt für irgenwas", kläre ich ihn auf, meine Eifersucht und unseren kleinen Streit vergessend. Er lacht und dreht die Rumflasche auf den Kopf. Ein einzelner Tropfen fällt heraus und landet auf dem Boden.

„Nix mehr drin", erklärt er überflüssigerweise und ich nicke traurig. Ein paar Sekunden stehen wir nur voreinander rum und sehen der Rumflasche beim tropfen zu. Plötzlich fangen die Schüler an zu zählen und wir stimmen lautstark mit ein.

„Zehn, neun, acht, sieben, sechs, fünf, vier, drei, zwei, eins..." Und während die anderen sich in die Arme fallen, ihr Whiskeyglas auf Ex leeren oder „1978!" schreien, ziehe ich Sirius zu mir und lege meine Lippen auf seine. Alles steht still. Sirius steht stocksteif in meinen Armen und für einen Moment fürchte ich, er würde mich wegstoßen, doch dann zieht er mich näher an sich und erwidert den Kuss so stürmisch, dass ich kurz überrascht zurückweiche. Ich weiß nicht wie lange wir dort so stehen. Ich weiß nur, dass wir uns irgendwann lösen, die Schüler um uns beifällig johlen und ich direkt in Daniels enttäuschtes Gesicht sehe. Mit schlechtem Gewissen befreie ich mich aus Sirius Armen, der wie apathisch in der Gegend herum steht und bedeute Daniel, kurz mit mir vor die Tür zu gehen. Er stimmt mit einem knappen Nicken zu und lehnt sich draußen mit verschränkten Armen an die Wand.

„Es tut mir so leid, ich weiß nich, was mich dazu getrieben hat. Ich kann das wieder gut machen, ganz bestimmt. Oh Gott, was denkst du jetzt nur von mir? Ich mach so was echt normalerweise nich, ich war- bin nur betrunken und-", plappere ich, immer noch nicht ganz nüchtern. Sein Gesicht wirkt müde und erschöpft.

„Joline", unterbricht er meinen Redefluss und ich breche ab und sehe ihn abwartend an.

„Wirst du glücklich mit ihm?", fragt er einfach nur und überrascht von dieser Frage sehe ich ihn mit aufgerissenen Augen an und sage nichts. Warum ist er so gelassen? Wieso rastet er nicht aus und betitelt mich als Flittchen? Warum muss er es mir so schwer machen? Das ist ungerecht!

„Was?", bringe ich schließlich heraus.

„Wenn er dich glücklich macht, dann ist es okay. Du kannst mit ihm zusammen sein. Ich will nicht klammern oder dir im Wege stehen." Verdammt. Er ist zu verständnisvoll. Warum ist er so? Will er mein schlechtes Gewissen noch weiter entfachen? Ist das seine Strategie?

„Ich...", stottere ich. Macht Sirius mich überhaupt glücklich? Das ist eine verdammt gute Frage.

„Okay", sagt Daniel, als wäre das eine Antwort gewesen, „okay." Mit hängenden Schultern wendet er sich um und geht.

„Daniel, warte", rufe ich noch halbherzig, doch er ist schon um die Ecke gebogen und lässt mich alleine und verwirrt im Korridor stehen. Das ist doch scheiße!

Die Tür öffnet sich und Sirius tritt heraus.

„Allesoke?", nuschelt er und umfasst von hinten meine Taille.

„Hm", mache ich nur.

„Joline?", fragt er irgendwann, nachdem wir eine Weile schweigend im Korridor standen und auf die Stelle gestarrt haben, an der Daniel verschwunden ist.

„Ja?"

„Sin wir jetzt zusammen?" Ich seufze. Will ich das überhaupt? Ich fühle mich wohl bei Sirius, keine Frage. Ich will nicht, dass er mit anderen Mädchen zusammen ist. Aber ist das schon verliebt sein?

„Wills du das denn?", frage ich statt einer Antwort. Sirius lacht leicht.

„Überflüssige Frage, denk ich mal." Ich muss leicht lächeln. Wenn ich ihn jetzt abweise, dann ist das endgültig. Dann wird das nie was mit uns. Jetzt oder nie. Und wenn ich zusage, kann ich immer noch Schluss machen. Was habe ich zu verlieren?

„Okay", sage ich. Hinter mir bewegt Sirius sich überrascht.

„Jetzt echt?"

„Hätt ich es sonst gesagt?" Und ohne dass ich es kontrollieren kann fange ich an, idiotisch zu grinsen und drehe mich zu meinem neuen Freund um.

„Und was is mit Daniel?"

„Der hat gesagt, es is okay." Sirius grinst jetzt auch und so stehen wir beide dämlich grinsend im Korridor voreinander und vergessen den Krieg, die Gerüchte, unseren Streit. Und als Sirius mich küsst, scheint es, als gäbe es keine Probleme. Als wäre unser Leben einfach. Und als gäbe es keinen dunklen Zauberer, der darauf aus ist, uns zu töten.

Dreimal Klischee zum Mitnehmen, bitteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt