Der Auftrag

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Mit großen Schritten eilte ich über den gepflasterten Weg zu der Agentur und stieß die schwere Glastür auf. Ich spürte das Blut in meinen Wangen pochen, hörte meinen unregelmäßigen Atem und hoffte, dass ich nicht wie eine Tomate aussah.

Ich zückte im Fahrstuhl kurz meinen Taschenspiegel um mein Aussehen zu überprüfen. Als Model war es unverzeihlich, sich seiner Agentur ungepflegt zu zeigen; besonders als Model meines Standes.

Ich fuhr mir mit den Fingern kurz durch die Haare und legte etwas Lippenstift nach. Ich presste meine Lippen zusammen und verteilte die dunkle Farbe. Hinterher begutachtete ich mich ein letztes Mal, steckte den Spiegel dann aber zufrieden ein, strich mein Kleid glatt und stieg aus.

Mir offenbarte sich ein langer Flur. Zielsicher steuerte ich den letzten Raum an und trat ein.

Amanda saß bereits an dem großen und mit diversen Papieren bedeckten Schreibtisch und begrüßte mich mit einem kurzen Lächeln. Gleichdarauf hielt sie einige Blätter hoch.

„Steh nicht ewig in der Tür herum, sondern beweg deinen gut bezahlten Po hierher und schau dir das an. In zwanzig Minuten kommt der Kunde und möchte über die Ergebnisse informiert werden." Bedeutend sah sie auf ihre Uhr und klopfte auf meinen Stuhl.

Ich spürte ihren prüfenden Blick auf mir ruhen, während ich ergeben seufzte, mit klappernden Absätzen das Zimmer durchquerte und ihr gegenüber Platz nahm.

Ich warf Amanda einen kurzen Blick zu, wartete, ob sie noch etwas sagen wollte und wandte mich, als sie erneut einen demonstrativen Blick auf ihre Uhr warf, den Unterlagen zu.

Nachdem ich sie studiert hatte, legte ich sie zufrieden beiseite und musterte meine Agentin. Ein erfreutes Kribbeln hatte sich während des Lesens in meinem Körper ausgebreitet.

Ich öffnete meinen Mund, leckte mir kurz über die Lippen und sagte langsam: „Sollte es in meinen Zeitplan passen, würde ich sehr gerne laufen. Die Bezahlung ist gut und außerdem ... -." Ich konnte mein breites Lächeln nicht länger zurückhalten und stieß ein: „ist es Haute Couture" hervor. Mit Freude erinnerte ich mich an die Male zurück, an denen ich bereits in diamantbesetzten Kleiden gelaufen bin.

Haute Couture zählte definitiv zu meinen schönsten Erinnerungen.

„Ich weiß, Hermine", sie nickte bestätigend und ließ ihren Blick erneut über die Unterlagen schweifen. Dann sah sie mich zwinkernd an „Zeitlich sollte es kein Problem sein."

Ihre Worte lösten einen Schwall Dopamin in mir aus. „Ich freue mich so!" Ich kicherte leicht und lehnte mich entspannt zurück. Besonnen betrachtete ich meine manikürten Fingernägel und fragte mich sofort, was für ein Kleid ich wohl tragen würde, als ein lautes Klopfen die Stille durchschnitt.

„Herein", sagte Amanda kühl. Das Lächeln verschwand von ihren Lippen, sie überschlug ihre Beine und verschränkte die Arme.

Ich wandte mich interessiert um, doch noch in derselben Sekunde schien mein Herz stehenzubleiben. Elegant gekleidet trat der blonde Mann ein und warf erst Amanda und dann mir ein freundliches Lächeln zu.

„Mister Malfoy", begrüßte Amanda ihn und erhob sie. Der Klang seines Namens versetzte mir einen Stich. Mit energischen Schritten steuerte sie auf ihn zu, schüttelte ihm die Hand und dirigierte ihn zu dem Stuhl, am anderen Ende des Tisches. „Sie kommen genau richtig, wir haben gerade unsere Entscheidung getroffen."

„Ich hoffe doch sehr, dass sie zu unseren Gunsten ausgefallen ist", lachte Draco und ich registrierte, dass seine Stimme die letzten Jahre tiefer geworden ist. „Es wäre eine Bereicherung für unsere Firma, wenn ein so authentisches und erfolgreiches Model wie Copeland für uns laufen würde. Wir haben ja bereits gestern Bekanntschaft gemacht." Damit drehte er sich mir zu und reichte mir seine Hand, welche ich zögernd ergriff. Die Berührung seiner Hand rief eine Gänsehaut hervor. Schnell entriss ich sie ihm wieder und versteckte meine nackten Unterarme unter der Tischkante. „Ich hoffe, dass es sich positiv auf Ihre Entscheidung ausgewirkt hat." Er lachte und entblößte dabei eine Reihe blitzender Zähne.

Ich fühlte mich wie unter Strom. Kein Muskel in meinem Körper wollte so arbeiten, wie er arbeiten sollte. Mein Atem ging flach und ich spürte, wie meine Hände feucht wurden. Ich zwang mich zu einem Lächeln und richtete meinen Blick auf meine Hände.

„In der Tat, Mister Malfoy", sagte Amanda schnell, nachdem ich keine Anstalten machte zu antworten. „Miss Copeland würde sehr gerne für Ihre Show laufen."

„Das freut uns", antwortete Draco und ich konnte es nicht verhindern und sah unter meinen Wimpern zu ihm auf. Sein Blick wechselte zwischen Amanda und mir. Er wirkte sachlich und professionell, und nicht, als ob er in mir gerade seine ehemalige Mitschülerin entdeckt hatte. Ein erleichtertes Seufzen entwich meinem Mund und ließ mich etwas Mut fassen, doch die Angst saß mir immer noch im Nacken. Ich konnte kaum Schlucken.

Schnell befeuchtete ich meine Lippen und öffnete meinen Mund, hoffte, dass ich die Worte richtig artikuliert hervor bringen konnte. „Vielen Dank, Mister Malfoy, es wäre mir eine Freude." Ich räusperte mich kurz.

„Nein, Miss Copeland, die Freude ist ganz meinerseits. Ihr Präsenz ist eine große Ehre für unsere Firma, wir hoffen, dass wir sie nicht enttäuschen werden." Er zwinkerte mir kurz zu. Unwohl rutschte ich auf meinem Platz hin und her und mied seinen Blick. Ich konnte ihm nicht ins Gesicht sehen. Der leichte Bart und die markanten Gesichtszüge löschten nicht die Erinnerung an die jugendlichen Züge aus, die sich in mein Gehirn eingebrannt hatten. Die Tiefe seiner Stimme ließ mich die Beleidigungen nicht vergessen, die aus ein und demselben Mund kamen.

Ich wünschte, ich könnte meine Entscheidung rückgängig machen.

„Die genauen Daten wird mein Sekretär Ihnen im Laufe des Tages zukommen lassen." Er erhob sich, doch noch konnte ich mich nicht entspannen. Nervös zwirbelte ich an dem Saum meines Kleides, in welchem ich mich auf einmal nackt fühlte.

Seine Blicke brannten sich in meine Haut an und ich fragte mich, ob er mich doch durchschaut hatte. Mit meiner linken Hand tippte ich ununterbrochen auf meinem Knie, weil das der einzige Untergrund war, der keine Geräusche verursachte.

„In Ordnung." Amanda erhob sich und bedeutete mir ebenfalls mich zu erheben.

Widerwillig reichte ich ihm meine Hand. Wie das Mal zuvor, schienen tausende Stromstöße durch meinen Körper zu fahren. Ich fühlte mich erbärmlich.

„Auf Wiedersehen, Miss Copeland." Er nickte mir kurz zu und wurde von Amanda hinausbegleitet.

Ich ließ mich währenddessen zurück auf den Stuhl fallen und starrte auf die weißen Vorhänge. Mein Kopf schien leer. Kein Gedanke war zu fassen und doch rasten sie, ließen mir keine ruhige Sekunde.

Bildfetzen blitzen aus dem Dunst auf.

Draco auf dem Besen, Harry hinter ihm.

Draco, als er das erste Mal, dass Wort Schlammblut gegen mich verwendet hatte.

Draco bei der Quidditchweltmeisterschaft und seine mysteriösen Sätze, die einer Warnung gleichkamen.

Und schließlich Draco im Manson. Seine Tante über mir, doch alles was ich sehen konnte, war der blonde, zu Tode geängstigte Junge, der seinen Blick ebenfalls nicht von mir nehmen konnte.

„Himmel, Hermine, was war denn los?" Ich fuhr zusammen. Amanda schlug die Tür zu und blieb mit verschränkten Armen im Türrahmen stehen. Erschöpft fuhr ich mir durch die Haare und zuckte resigniert mit den Schultern.

„Ich weiß es nicht ... mir geht es einfach nicht so gut. Melde dich, wenn du die Daten hast." Damit stand ich auf, ließ Amanda schwer seufzend in ihrem Büro zurück und machte mich tief in Gedanken versunken zurück in meine Wohnung.

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