Unter Freunden

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„Ich kann es immer noch nicht glauben, dass du für Toujours pur läufst", rief Eleanor aufgeregt und fiel mir erneut um den Hals. „Nicht, dass du es nicht verdient hättest, aber glaub mir, andere würden dafür morden."

Ich kicherte verhalten und streckte meine müden Beine aus. Vor einigen Tagen hatte Amanda angerufen und mir die Daten weitergegeben. In gerade einmal einer Woche würde ich Laufen. Mein Herz raste bei dem Gedanken an ein mögliches Wiedertreffen mit Draco.

„Ich kann es auch nicht glauben", flüsterte ich und platzierte meinen Kopf auf Eleanors Schoß. Ich schloss meine Augen und massierte mir vorsichtig die Schläfen. Ihre Hand fuhr mir sanft über den Arm. In den letzten Tagen konnte ich nicht gut schlafen. Mit Sorge beobachtete ich, wie sich die dünne Haut unter meinen Augen bläulich färbte und meine Haare strähnig und ungepflegt aussahen.

„Also, womit wollen wir beginnen?", fragte Eleanor. Ich seufzte und öffnete meine Augen. Ihre braunen Locken fielen ihr locker ins Gesicht. Sie trug keine Schminke und sah trotzdem wie ein Engel aus. Ich hatte sie schon immer für ihre makellose blasse Haut beneidet. Nachdenklich wanderte ihr Blick durch meine Wohnung.

„Mit den Haaren", sagte ich und riss mich zusammen. Ich hoffte, dass mich die bleierne Müdigkeit, mich auch heute Nacht heimsuchen würde, wenn ich mich wieder einmal schwitzend im Bett umher wälzte und doch keine Ruhe fand.

Ich erhob mich und zog meine Freundin hinter mir ins Bad. Es war zu unserm Ritual gewordenen einen allwöchtlichen Schönheitsabend zu vollziehen.

Die notwendigen Produkte standen bereits aufgereiht nebeneinander und bildeten eine beachtliche Schlange.

„Setz dich", rief mir Eleanor zu, während sie nach dem Shampoo griff und mir gleichzeitig einen Stuhl vor das breite Waschbecken schob.

Ich fühlte eine merkwürdige Entspannung über mich hereinfallen, als sie begann, meine Haare zu nässen und anschließend mit gleichmäßigen Bewegungen die Lotion zu verteilte. Ein zufriedenes Seufzen entfuhr mir. Eleanor lachte leise und wusch den Scham nach einigen Minuten wieder ab, danach knetete sie eine Haarmaske aus Olivenöl in meine Spitzen und wickelte meine tropfenden Haare in einem Handtuch zu einem Turban, danach wiederholte ich die Prozedur bei ihr.

Lachend musterten wir uns, als wir beide das weiße Handtuch um unseren Kopf geschlungen hatten und begannen mit einer intensiven Gesichtsreinigung.

Meine Haut brannte von den unterschiedlichen Düften und Inhaltstoffen, doch ich biss meine Zähne zusammen und machte weiter.

Eleanor sang fröhlich ein Lied, doch ich fühlte mich nicht danach, mit einzustimmen.

-

Nachdem wir fertig waren, lagen wir mit einer selbstangefertigten Beruhigungsmaske auf meinem Sofa. Ich hatte meine Beine ausgestreckt und begutachtete das Pflaster, welches eine schmale, durch die Rasur verursachte Schnittwunde verdeckte. Trotz der geringen Größe, hatte ich Angst, am Freitag nicht laufen zu können.

Die Angst war so stark, dass ich kein Bisschen von den angefertigten Häppchen hinunterbekam. Eleanor musterte mich sorgenvoll und legte ihren Arm um meine Schulter.

„Das wird schon, Cope" Warm lächelte sie mich an. Ich nickte schwach, konnte den Kloß in meinem Hals jedoch nicht hinunterschlucken. Mir war bewusst, dass meine Angst unbegründete war; es hatte schließlich nur ganz leicht geblutet. Andererseits verstand ich mich selbst nicht; verstand nicht, wieso ich bei dem Gedanken, nicht laufen zu können, plötzlich Herzklopfen bekam.

„Aber jetzt iss doch endlich was, nicht das du mir noch von den Knochen fällst, du bist die letzten Wochen so dünn geworden." Sie reichte mir den Teller mit den Teigstücken und dem Gemüse herüber und hielt ihn mir unter die Nase.

Ich hatte das Gefühl, mein Magen würde sich umdrehen, doch unter dem prüfenden Blick meiner Freundin griff ich nach einem kleinen Sandwich und biss ein fingerbreites Stück ab. Widerwillig kaute ich darauf herum. Der Teig schien in meinem Mund aufzugehen, wie ein Stück Hefe im Backofen. Angeekelt ließ ich das Sandwich sinken. Glücklicherweise hatte Eleanor ihre Augen geschlossen, sodass ich den Großteil abbrechen und vorsichtig unter das Sofa schieben konnte.

Ich ließ sie dabei nicht aus den Augen, hielt meinen Atem an, aus Angst, dass sie meine Absicht bemerkte; doch sie tat es nicht.

Auch wenn es mir widerstrebte, schob ich mir den letzten Bissen in den Mund und schluckte ihn fast augenblicklich herunter. Er kratzte in meiner Kehle und der bloße Gedanken an den großzügig aufgelegten Käse ließ mich würgen. Erschrocken riss Eleanor ihre Augen auf.

„Ist alles in Ordnung?"

Mit verzogenem Gesicht schluckte ich die Krümel hinunter und nickte. „Das letzte Stück ist mir bloß im Hals stecken geblieben."

Erleichtert lächelte sie, legte sich jedoch nicht wieder zurück, sondern starrte in den dunklen Nachthimmel. Das Licht hatten wir gedimmt und nur noch vereinzelte Kerzen erleuchteten den Raum. Sie sah nachdenklich aus. Ich griff nach ihrer Hand und drückte sie leicht. „Was ist los?"

„Ach, eigentlich ist nichts", sie machte eine kurze Pause und schien Kraft zu sammeln. „Aber vor ein paar Tagen kam ein Angebot aus Amerika. Humphrey hat ... sie haben mir einen Vertrag angeboten, aber ..."

Mein Aufkeuchen unterbrach sie. Ich schlug mir mir meine Hände vor den Mund, im nächsten Augenblick schlang ich meine Arme jedoch um ihren zarten Köper und flüsterte: „Das ist ja unglaublich."

Traurige lachte sie und sagte: „Aber dafür müsste ich nach Amerika ziehen. Für ein ganzes Jahr."

Mein Herz zuckte zusammen, doch ich versuchte mir nicht anmerken zu lassen und hielt sie weiter fest im Arm. Es war eine unglaubliche Chance, die sich für sie ergab und ich wusste, dass sie es auch wusste, aber dass ich das Einzige war, dass sie vom Unterschreiben abhielt.

„Das ist ein einmaliges Angebot", sagte ich ehrfürchtig und sah ihr ermutigend in die Augen. „Und außerdem, was ist schon ein Jahr? Das geht schneller vorbei, als du Zwinkern kannst."

„Aber ...", begann sie, doch ich erstickten ihren Einwurf im Keim „Eleanor, du würdest mir das Gleiche raten. Und außerdem ist doch nicht so, dass wir uns in diesem Jahr gar nicht sehen werden. Natürlich würde ich dich besuchen." Ich nahm sie noch einmal in den Arm und drückte ihre einen Kuss auf die Wange. „Unterschreib diesen Vertrag", murmelte ich gegen ihr Ohr und spürte, wie sie erschöpft mit den Schultern zuckte.

„Ich habe Angst, dass sich zwischen uns etwas ändert, wenn ich erst einmal weg bin", gab sie leise zu und ich spürte ihren Schultern beben.

Bestürzt sah ich sie an. „Wie kommst du denn auf so eine Idee? Warum sollte sich zwischen uns etwas ändern? Es wird alles so bleiben, wie es ist, dass verspreche ich dir!"

Ich hielt sie eine Armlänge von mir entfernt. Vereinzelt klebte noch eine dünne Spur der Maske auf ihrem Gesicht. Es war ein groteskes Bild. Einzelne Tränen liefen ihre Wangen hinunter, doch sie schien sich wieder zu beruhigen und schniefte leicht.

„Soll ich es wirklich machen?", fragte sie schwach und sah mich mit ihren großen Augen an. Ich nickte und schenkte ihr einen warmen Blick.

„Das ist die Chance deines Lebens, Eleanor."

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