Wieder auf dem Damm?

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Der nächste Morgen zog in einem monotonen Grau an mir vorbei.

Ich bettete mein Gesicht auf meinen Knien und starrte auf einen Apfel, welcher zu meinen Füßen lag und eine einzelne Bissstelle aufwies. Seufzend stieß ich ihn mit meinem Fuß an und sah zu, wie er über die Kante des Sofas fiel und aus meinem Blickfeld verschwand.

Meine Augen waren noch immer schwer. Ich konnte nicht sagen, wann ich das letzte Mal eine Nacht durchgeschlafen hatte, ohne von Alpträumen oder stundenlangem Herumwälzen gequält zu werden.

Es gab Augenblicke, da fühlte ich mich wie eine Leiche, welche in meinem Körper lebte.

Ich stieß einen Schwall Luft aus und erhob mich schwerfällig. Meine Glieder trugen mich in meine Küche; ich bediente die vertraute Kaffeemaschine und lehnte mich wartend gegen den Kühlschrank.

Ich wusste, dass es so nicht weitergehen konnte. Ich hatte Verpflichtungen, welchen ich nachgehen musste. Ich konnte mich nicht in meiner Wohnung verbarrikadieren und warten, bis sich mein Gemüt wieder beruhigt hatte. Ich war eine öffentliche Person und es war meine Entscheidung gewesen. Meine Entscheidung, die damit zusammenhängenden Folgen und Lasten zu tragen.

Es ist mein Wille, sagte ich mir erneut, der stark war, nicht mein Körper. Und wenn ich daran glaubte, dass alles gut werden würde, dann würde es auch gut werden.

Ich schloss meine Augen, atmete einmal tief durch, griff nach meinem Kaffee und stürzte das Heißgetränk in wenigen Schlucken hinunter, die Hitze dabei kaum wahrnehmend.

Ich versuchte mein Gehirn mit schönen Erinnerungen zu füllen und stimmte eine fröhliche Melodie an,; doch ich musste bald einsehen, dass es dafür noch zu früh war; die hohen Töne schmerzten in meinen empfindlichen Ohren.

Nichtsdestotrotz schlug ich meinen Weg zum Badezimmer ein, drehte das Radio etwas auf, entledigte mich meiner Schlafkleidung, welche ich nun bereits seit mehreren Tagen nicht mehr gewechselt hatte und stieg unter die Dusche.

Das warme Wasser kroch über meine nackte Haut und ließ mich wohlig brummen. Ich genoss die beruhigende Wärme und schloss meine Augen. Bedächtig nässte ich meine Haare und fühlte jeden Tropfen des Wassers über meinen Rücken laufen.
Blind griff ich nach meinem Shampoo und massierte die Flüssigkeit auf meiner Kopfhaut ein, welche in den letzten Tagen nicht mehr vor strotzender Gesundheit strahlte, sondern vor überschüssigem Talg.

Meinen Körper rieb ich mit duftendem Duschschaum ein und anschließend ließ ich mir schlichtweg das warme Wasser über meine Haut laufen und merke, wie sich meine verspannten Muskeln lösten, als wären sie in der letzten Zeit von einer unsichtbaren Hand zusammengehalten wurden.

Tief atmete ich ein und praktizierte alle möglichen Atemtechniken, welche ich innerhalb der letzten Jahre gelernt hatte.

Erst nachdem ich mich Tiefenentspannt fühlte, stellte ich das Wasser ab, öffnete die gläserne Tür und sah zu, wie der Dampf sich in alle Richtungen verflüchtigte.
Ich griff nach einem weichen Handtuch, schlang es um meinen Körper und wickelte meine Haare in ein zusätzliches Tuch.

Mein Blick fiel auf den langgezogenen Spiegel und mein Mund verhärtete sich, während meine Augen kritisch meinen Körper musterten. Langsam ließ ich das Handtuch sinken und kniff meine Augen zusammen.

Meine Zähne begannen zu knirschen; schnell drehte ich mich weg und versuchte unbekümmert in die Stimme des Sängers einzusteigen, welche das Badezimmer beschallte.

Nicht darüber nachdenken, sagte ich mir, nicht darüber nachdenken und einfach vergessen.

Vergessen. Ein Wort, neun Buchstaben und meine momentane Lieblingslösung.

Kopfschüttelnd cremte ich mich ein, zog mich an und begab mich an meinen Schminktisch. Ich griff nach Tuben und Tiegeln und sah zu, wie die Augenringe und Hautunreinheiten verblassten, bis mir nichts mehr anzumerken war; bis ich dem Schein selbst verfiel.

Zufrieden drehte ich meine Haare zu Locken und steckte einige Strähnen zusammen. Anschließend verschwand ich in meinem Ankleideraum und suchte mir ein helles Kleid aus, welches meine Problemzonen ideal kaschierte. Ich griff nach einer passenden Tasche und schlüpfte in ein Paar Sandaletten. Entschlossen trat ich in mein Wohnzimmer und gleich darauf aus der Haustür.

Ein frischer Wind empfing mich und umspielte den Saum meines leichten Kleides. Ein Lächeln schlich sich auf mein Gesicht. Es fühlte sich ungewohnt, aber schön an.
Ich senkte meinen Kopf.

Autos rauschten an mir vorbei und der Lärm der immerwährenden Baustellen drang zu mir durch, während ich unbewusst den Weg zu meiner Agentur einschlug. Vereinzelt traten Menschen auf mich zu und fragten nach einem gemeinsamen Bild, für welches ich gerne vor der Kamera posierte. Freudig ließ ich mich zu kurzen Gesprächen hinreißen.

Es war berührend zu hören, wie viel ihnen an mir lag und was für einen Teil ihres Lebens ich einnahm, obwohl sie mich nicht persönlich kannten und genau wussten, dass sie für mich nur Gesichter mit Namen waren, welche ich vergas, sobald mir ein neuer genannt wurde.

Die Begegnungen beflügelten mich und setzten die Wurzeln für die Samen meiner zarten Hoffnung auf Besserung.

Der Weg verging wie im Flug und ehe ich mich versah, stand ich vor Amandas Tür und klopfte an.

Ihr üblich gehetztes „Herein" erklang und mit einem Lächeln auf den Lippen öffnete ich die Tür. Überrascht sah sie mich an und erhob sich, um mich in die Arme zu schließen.

„Hermine, du siehst gut aus! Geht es dir wieder besser?" Ich setzte mich ihr gegenüber und nickte lächelnd.
„Ja, ich denke, ich bin wieder auf dem Damm."
„Das ist sehr gut; fantastisch um genau zu sein. Innerhalb der letzten Tage kamen drei Aufträge für dich herein. Alles Fotoshootings. Ich wollte dich damit noch nicht belasten, aber ... aber, jetzt sitzt du vor mir, frisch und munter, als wäre nie etwas vorgefallen."

Ich lächelte sanft. „Das sind tolle Neuigkeiten, Amanda. Ich habe die Kamera vermisst."

Doch ohne es verhindern zu können, zog sich mein Herz im gleichen Moment zusammen und ein ungutes Gefühl breitete sich in meinem Magen aus.

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Entschuldigt bitte, dass ich momentan nicht in der Lage bin regelmäßig zu updaten. Auch in der nächsten Zeit wird es nur sporadisch Kapitel geben; wer näheres erfahren möchte, kann mir schreiben oder auf meinem Profil vorbeischauen.

Danke für die Votes und Rückmeldungen zum letzten Kapitel <3


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