Die Einladung

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Seit meinem Lauf für Toujours Pur fühlte ich mich krank. Ich hatte konstant Kopfschmerzen, bei denen keine Medikamente helfen wollten und nachts bekam ich kaum ein Auge zu.

Albträume suchten mich heim und sollte mich doch die Müdigkeit übermannen, wachte ich mitten der in der mit rasendem Herzen auf und fühle Schweiß kalt wie Eis auf meiner Haut kleben.

Übelkeitsanfälle begleiteten meinen Tag; mein Appetit hatte inzwischen komplett nachgelassen. Ich fühlte mich wie eine wandelnde Leiche. Bilder von vergangenen Zeiten zwängten sich mir auf. Widerwillig musste ich sie ertragen, konnte mich nicht vor dem zermürbenden Gefühl des Erinnerns retten.

Meine Träume waren eine Fülle aus Fetzen meiner Schulzeit. Hatte ich mich die letzten Jahre und Monate endlich erwachsen gefühlt, musste ich nun all meine Kraft aufbringen, mich gegen die junge Hermine aufzulehnen, welche immer öfter die Oberfläche erblickte. Ich fühlte die Unsicherheit wie einen schweren Mantel auf meinen Schultern liegen, obwohl Copeland mir dabei geholfen hatte, mein Selbstbewusstsein zu festigen und eine innere Akzeptanz zu finden.

Ich war nicht mehr Herr meiner selbst.

Mit müden Augen saß ich in meiner Küche und starrte in das klare Wasser, welches seit Stunden das gleiche Glas befüllte. Ich wusste nicht, wie oft mein Telefon in der letzten Stunde geklingelt hatte, doch ich war nicht in der Lage gewesen, mich auch nur einen Zentimeter vom Fleck zu bewegen.

Und hätte es auch nicht lautstark an meiner Tür geklopft, so dass mein Kopf zu explodieren schien, hätte ich vermutlich den ganzen Tag auf diesem Stuhl verharrt.

Doch so sah ich mich gezwungen meinen angestammten Platz zu verlassen. Mit schlürfenden Schritten ging ich zu der weißen Holztür, die mich in diesem Moment zu erdrücken schien.

Kaum hatte ich die Klinke heruntergedrückt, wurde die Tür auch schon von außen aufgestoßen und eine wutentbrannte Amanda stürmte in meine Wohnung. Ich hatte gerade noch Zeit auszuweichen und verschreckt meine Hände vor meinen Brustkorb zu heben.

Amanda drehte sich einmal suchend im Kreis. Ihre langen schwarzen Haare verteilten sich in wirren Strähnen um ihr Gesicht. Unwirsch wischte sie sie weg und ich entdeckte eine kleine Ader an ihrer Stirn pochen.

„Hermine, kannst du mir bitte verraten, was dieses Theater soll?", begrüßte sie mich. Sie versuchte ihre Stimme ruhig zu halten, doch ich konnte sie vor Wut zittern hören. Nervös bis ich mir auf meine Lippe.

„Amanda, wovon sprichst du?"

„Lass mich einen Moment überlegen." Amanda hielt kurz inne, legte fragend ihren Kopf schief und schoss mir danach einen wutgetränkten Blick zu. „Vielleicht davon, dass ich dich ununterbrochen versucht habe dich zu erreichen und du kein einziges Mal die Güte hattest, meinen Anruf entgegenzunehmen." Sie stemmte ihre Hände in die Seite. Ihre Lippen bildeten einen schmalen Strich, ungeduldig hatte sie eine Augenbraue hochgezogen.

Seufzend stieß ich die angehaltene Luft aus und griff mir, als müsste ich ihn schützen, an meinen Hals. „Entschuldige, Amanda", ich machte eine kurze Pause und legte mir meinen die weiteren Worte zu Recht. „Ich habe mich etwas krank gefühlt und die meiste Zeit geschlafen."

Ich spürte ihren prüfenden Blick auf mir. Auch wenn ich meinen Blick auf den Boden gesenkt hielt, wusste ich, dass sie meinen momentanen Aufzug mit Argusaugen begutachtete und abwog, ob ich die Wahrheit sprach.
Es tat mir leid, sie angelogen zu haben, aber ich hätte ihr nicht sagen können, dass ich unfähig gewesen war, mich zu bewegen. Dass ich mich leer und kraftlos gefühlt hatte und seit Stunden auf der gleichen Stelle verharrte und ein unberührtes Glas anstarrte.

„Nun gut." Sie atmete hörbar aus und ein Gefühl der Erleichterung breitete sich in mir aus. Sie glaubte mir. „Ich hoffe, es ist nichts Ernstes, du hast nämlich von Toujours Pur für nächsten Samstag eine Einladung zu einer internen Feier erhalten. Sie wurde von Draco Malfoy persönlich ausgestellt, da musst du hingegen, Hermine und eine Krankheit ist das letzte, dass wir nun gebrauchen können."

Ich öffnete meinen Mund. „Aber ..." Ich brach ab. „Nein ... ich meine ... nein ... nein! Ich werde da nicht hingehen." Meine Hand verkrampfe sich an meinem Hals und ich spürte meinen Atem heftiger werden. Niemals würde ich dem blonden Mann wieder unter die Augen treten.

„Was redest du denn für einen Unsinn, Hermine? Natürlich wirst du da hingehen!"

„Aber ich ...", begann ich hektisch und suchte nach einer Ausrede. „Aber ich habe mich schon mit Eleanor verabredet."

Amandas Augen wurden schmal und sie stieß sich von der Wand ab, an der sie bis eben noch gelehnt hatte. „Also, wenn das das einzige Hindernis sein sollte, weiß ich wirklich nicht, weshalb du dich so sträubst. Nimm Eleanor mit, dass sollte nun wirklich kein Problem sein."

„Aber sie steht doch gar nicht auf der Gästeliste", versuchte ich es erneut und schämte mich dafür, meine beste Freundin als Ausrede zu missbrauchen.

„Aber du stehst auf der Gästeliste, Schätzchen." Amanda lachte leise und schüttelte den Kopf. Sie trat auf mich zu und legte mir eine Hand auf die Schulter. „Du gehörst wirklich ins Bett, meine Liebe."

Benommen nickte ich. Ich fühlte mich tatsächlich krank, doch ich wusste, dass meine Verfassung nicht krankheitsbedingt beeinflusst wurde.

„Ich rufe morgen noch einmal an." Amanda umarmte mich und strich mir flüchtig über den Rücken. Im nächsten Moment hielt sie bereits ihr Handy ans Ohr und verließ meine Wohnung.

Seufzend blieb ich zurück und strich mir über die Stirn, welche regelrecht zu glühte. Ein gequältes Stöhnen entwich meinem Mund. Mit zittrigen Beinen schleppte ich mich in mein Schlafzimmer und ließ mich auf das Bett sinken.

Ich zog meine Knie an meinen Oberkörper und umschlang sie mit meinen Armen. Kraftlos schloss ich meine Augen. Ein Schluchzten drang tief aus meiner Kehle. Tränen stiegen in meine Augen.

Wie ein kleines Kind rollte ich mich zusammen und ließ ihnen freien Lauf.

Alles schien mir aus den Händen zu gleiten. Ich verlor die Kontrolle und sah mit eigenen Augen dabei zu.

Eleanor würde gehen.

Der Kontakt zu meinen Schulfreunden schien immer weiter abzubrechen.

Copeland war alles, das mich am Boden gehalten hatte. Hätte ich keine Aufgabe gehabt, in der ich Ausflucht vor Hermine gefunden hätte, ich wäre längst verrückt geworden.

Und nun schien mir Draco Malfoy das letzte Bisschen zu nehmen, an das ich mich klammerte.

In diesem Moment hasste ich den blonden Mann aus tiefsten Herzen.

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Es geht weiter. (:

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